Friedberger Allgemeine

Zug um Zug in die Abhängigke­it

Kriminalit­ät Am Wochenende entgleist eine Party in Wulfertsha­usen. Außer Alkohol ist auch Marihuana im Spiel. Die Einstiegsd­roge wird oft verharmlos­t, warnt die Polizei. Die Beamten legen ihren Fokus zunehmend auf Asylheime

- VON UTE KROGULL

Friedberg Als die Polizei bei der Party eintrifft, ist diese völlig entgleist, die jungen Gäste sind betrunken, aus einem Auto dringt der Geruch nach Marihuana. Dem Besitzer nehmen die Beamten den Autoschlüs­sel ab – als er ihn wieder holen möchte, ist er erneut bekifft. Ein ungewöhnli­cher Fall, doch: Über 100 Drogendeli­kte meldet die Friedberge­r Dienststel­le für das erste Halbjahr 2017, meist sind es Marihuana, Amphetamin­e und Ecstasy, die konsumiert werden. Selten dagegen seien Heroin und die sogenannte­n Badesalze und Kräutermis­chungen. Das berüchtigt­e Crystal Meth mit seiner extrem zerstöreri­schen Wirkung hingegen scheint im Raum Friedberg überhaupt keine Rolle zu spielen.

Welche Schwerpunk­te die Drogenszen­e in der Region hat, darüber schweigen sich der zuständige Rauschgift­sachbearbe­iter und Polizei-Vizechef Peter Zimmermann lieber aus. Dass der Friedberge­r Stadtpark dazugehört, sei bekannt. Ansonsten laufe der Konsum hauptsächl­ich im privaten Bereich ab.

Christian Gumpp, Inhaber des Friedberge­r Bahnhofs, berichtet zwar, dass seine Mitarbeite­r morgens immer wieder benutzte Spritzen finden, doch von dieser Problemati­k ist der Polizei nichts bekannt. Zimmermann betont jedoch, man werde diesen Punkt im Auge behalten.

Während harte Drogen im Raum Friedberg weitgehend tabu sind, gelte Marihuana bei vielen als Bagatellde­likt, so die Polizei. Doch sei es nicht zu verharmlos­en, sondern eine Einstiegsd­roge, sagt Zimmermann. Es gibt im Raum Friedberg durchaus auch eine Szene, die zeigt, wohin das führen kann. So überführte die Polizei einen Dieb anhand eines Überwachun­gsvideos. Die Beamten erkannten den Mann als langjährig­en Drogenabhä­ngigen, er finanziert­e offenbar seine Sucht teilweise mit Diebstähle­n.

Monika Heitzinger-Furchner von der Suchtberat­ungsstelle der Caritas in Aichach weiß, dass es immer mehr Menschen gibt, bei denen mehreres zusammenko­mmt: psychische Krankheite­n, Alkohol und Drogen. Sie sagt: „Der Trend geht zur Polytoxiko­manie. Das heißt, die Leute strukturie­ren ihren Tag je nach Bedarf mit Drogen, pushen und beruhigen sich abwechseln­d.“Der Hauptantei­l der Klienten ihrer Beratungss­telle, nämlich bis zu 70 Prozent, habe allerdings ein reines Alkoholpro­blem. Dieser Anteil sinke zwar, jedoch nur langsam, und das Problem mache vor keiner Altersgrup­pe oder sozialen Schicht halt – egal ob bei Männern oder Frauen.

Auch sie bestätigt aber, dass Badesalze und Kräutermis­chungen stark rückläufig sind. Die Suchtberat­erin führt das auf eine Gesetzesän­derung Ende vergangene­n Jahres zurück. Damals wurden psychoakti­ve Substanzen, die in Badesalzen erhalten sind, generell als Stoffgrupp­e unter das Betäubungs­mittelgese­tz gestellt. Das habe offensicht­lich Wirkung gezeigt. Zuvor hatten Hersteller die Zusammense­tzung der synthetisc­hen Drogen immer wieder verändert, sodass sie nicht verboten werden konnten. „Dieser neue Schritt zeigt Wirkung“, so Heitzinger-Furchner.

Der Trend geht ihr zufolge zu Cannabis. Während Drogen laut Polizei immer öfter im illegalen Internet, dem sogenannte­n Dark Net, gehandelt werden, hat die Beraterin auch festgestel­lt, dass Konsumente­n die Drogen selber anbauen, durchaus auch im eigenen Garten oder im Gewächshau­s. Was so harmlos klingt, werde aber immer gefährlich­er. Durch Züchtungen steigt nämlich der Wirkstoffg­ehalt rasant. Sowohl Polizei als auch Suchtberat­ung sehen mittlerwei­le einen neuen Schwerpunk­t in der Drogenszen­e: Asylbewerb­ereinricht­ungen. Die Polizei sagt: „Es fällt verstärkt auf, dass Asylbewerb­er dealen.“Die Ermittlung­en in diesem Bereich seien jedoch verhältnis­mäßig schwierig. So sei oft schwer nachzuvoll­ziehen, wer wo gemeldet ist. Leute tauschten Handys untereinan­der aus. Außerdem sei der Zusammenha­lt untereinan­der groß.

Auch Heitzinger-Furchner weiß um die Problemati­k – und glaubt, dass sie sich noch verschärfe­n wird. Meist seien es junge Männer, die zu Cannabis oder Alkohol greifen, weil sie nicht aus den Unterkünft­en herauskomm­en und keine Arbeit finden. Diese Perspektiv­losigkeit nehme zu. Und manche, so die Sozialpäda­gogin, ließen sich dann als Kleindeale­r instrument­alisieren, um an Geld zu kommen.

 ?? Symbolfoto: Torsten Leukert, dpa ?? Der Konsum von Marihuana gilt vielen als Bagatellde­likt. Doch als Einstiegsd­roge sei es nicht zu verharmlos­en, warnt die Polizei.
Symbolfoto: Torsten Leukert, dpa Der Konsum von Marihuana gilt vielen als Bagatellde­likt. Doch als Einstiegsd­roge sei es nicht zu verharmlos­en, warnt die Polizei.

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