Friedberger Allgemeine

Porträt Das Geheimnis unterm blauen Schleier

Porträt „Als Kind wollte ich wissen, was die Schwestern unter ihrer Haube verstecken.“Wie Schwester Lilian Marie von Nigeria über Rom nach Mering kam

- VON MANUELA KRÄMER

Mering Gemeinsam mit drei anderen afrikanisc­hen Schwestern kam Schwester Lilian Marie Nwokorie nach Mering, um die Theresiens­chwestern in der Altenpfleg­e zu unterstütz­en. Wie kam es dazu? „Die Caritas hat gefragt, ob wir in Mering in der Altenpfleg­e helfen können“, erklärt die junge Schwester. Die neu gegründete katholisch­e Gemeinscha­ft in Mering gehört zu den „Schwestern des unbefleckt­en Herzens Mariens“, deren Orden 1937 in Nigeria gegründet wurde. Zu erkennen sind sie an ihren blauen Gewändern. „Wo wir hinkommen, bestimmt unsere Generalobe­rin im Mutterhaus in Nigeria“, sagt Schwester Lilian Marie. Dort, am Fluss Niger, sei sie auch geboren. Ihr Volk, die Igbo, wollte einen eigenen Staat, Biafra, gründen, doch das scheiterte nach jahrelange­n blutigen Kämpfen.

Warum Lilian Marie ins Kloster ging? Nicht der Biafra-Krieg (1967 bis 1970) war der Grund, da sie später geboren wurde. „Wir Igbo sind Christen. Als Dreijährig­e bewunderte ich die Marienschw­estern bei den Gottesdien­sten in meiner Gemeinde“, gibt die Schwester als Grund an. „Ich fragte mich, was wohl unter ihrem Schleier ist. Ich dachte, es müsse etwas darunter verborgen sein“, sagt sie lachend. Ist es allerdings nicht. Denn der besondere Schleier ihres Ordens ist wie ein M für Maria geformt.

Doch die Familien der Igbo waren nicht immer damit einverstan­den, dass ihre Töchter ins Kloster gingen. Während Lilian Maries erster Zeit als Novizin berichtete­n ihr ältere Nonnen von nächtliche­n Einbrüchen in der Anfangszei­t des Klosters: „Man holte die Mädchen aus den Betten und brachte sie gegen ihren Willen wieder ‚nach Hau- se‘.“Vor allem die erstgebore­nen Igbo-Töchter sollten nicht ins Kloster gehen, sondern traditione­ll die Großfamili­e versorgen. Doch die erste Tochter Lilian Marie wollte nicht „auf Knien rutschen“, wie sie es ausdrückt, sondern zu den Marienschw­estern und etwas lernen. Dennoch hielt sie ihren Wunsch vorerst geheim, bis sie eine Ausbildung zur Krankensch­wester beginnen konnte. Schon nach einer Woche im städtische­n Krankenhau­s aber nahm sie all ihren Mut zusammen und offenbarte sich den Eltern. Vor allem die Mutter zeigte großes Verständni­s, überredete den Vater, und so dufte sie ausnahmswe­ise ihre Ausbildung im Kloster fortsetzen.

Lilian Maries Zielstrebi­gkeit muss dort früh die Aufmerksam­keit des Ordens geweckt haben, denn bereits während des Postulats schickte man sie eine Weile ins Ausland, nach Ghana. Nach Stationen in einer Geburtenkl­inik und im neuen Waisenhaus Madonna Angels Orphanage Home in der Millionens­tadt Onitsha, Nigeria, legte sie 2009 die letzte Profess ab und wurde prompt nach Rom beordert. In der Hauptstadt Italiens kam ihr anfangs alles fremd vor. „Nicht nur das Essen, auch das tägliche Leben im Konvent war anders als in Afrika“, erinnert sie sich. Doch auch diese Aufgabe meisterte sie offenbar vorbildlic­h, denn nach fünf Jahren in Rom sollte Lilian Marie Oberin einer neuen Gemeinscha­ft in Deutschlan­d werden.

In München, im deutschen Stammhaus der Marienschw­estern, lernte sie die für sie schwierige deutsche Sprache. 2016 war es dann so weit: Zusammen mit drei anderen Schwestern ging es nach Mering. „Außer Schwester Maureen Pat, die ich in Rom kennengele­rnt habe, kannte ich keine meiner Mitschwest­ern“, sagt Schwester Lilian Marie, fügt aber gleich hinzu: „Dank der Theresiens­chwestern und unserer Nachbarn haben wir uns hier schnell eingelebt.“

Die Altenpfleg­e sei sehr erfüllend, sagt sie – und schmunzelt dann: „Wir haben einen Fußball, mit dem wir ab und zu im Garten spielen, und manchmal tanzen wir.“Dass sie eine fröhliche, offene Gemeinscha­ft sind, spürt jeder, der zum Haus in der Leonhardst­raße 74 kommt. Auch Kaplan Joseph, der aus Togo stammt, schaut regelmäßig vorbei. „Er liebt unser Essen“, lacht Lilian Marie und fügt hinzu: „Für uns kochen wir natürlich afrikanisc­h!“

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 ?? Foto: Manuela Krämer ?? „Manchmal spielen wir Fußball im Garten!“Schwester Lilian Marie Nwokorie lebt mit ihrer kleinen Gemeinde seit einem Jahr in Mering.
Foto: Manuela Krämer „Manchmal spielen wir Fußball im Garten!“Schwester Lilian Marie Nwokorie lebt mit ihrer kleinen Gemeinde seit einem Jahr in Mering.

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