Friedberger Allgemeine

Die Sanierung der Linie 2 läuft wie geschmiert

Augsburgs derzeit ambitionie­rtestes Verkehrspr­ojekt sind die Gleisarbei­ten in der Haunstette­r Straße. Wie sie vorangehen und warum es einen Anruf bei der Polizei gab

- VON MICHAEL EICHHAMMER

Während andere Ferien machen, ist Klaus Rhee ständig auf Achse. Oder genauer gesagt: auf Schiene. Der Leiter des Bereichs Gleisbau bei den Stadtwerke­n ist derzeit mit einem Mammutproj­ekt betraut: Gleisarbei­ten in der Haunstette­r Straße.

Radlader, Bagger und Betonmisch­er-Lastwagen: Der Fuhrpark in der Schertlins­traße macht schon auf den ersten Blick deutlich, wie ambitionie­rt das Projekt der Stadtwerke ist. Nach 37 Jahren im täglichen Einsatz wird die Straßenbah­nlinie 2 saniert. Bis zum Ende der Sommerferi­en sollen die in die Jahre gekommenen Gleise der dreieinhal­b Kilometer langen Strecke bis zur Schafweids­traße durch neue ersetzt werden. Außerdem werden die Betonschwe­llen geprüft und bei Bedarf ausgetausc­ht. Zudem wird der darunter liegende Schotter gereinigt und wieder eingesetzt. „Innerhalb von sechs Wochen ist das eine sehr sportliche Aufgabe“, weiß Rhee. Der 46-Jährige hat vor wenigen Jahren das komplexest­e Straßenbah­nBauprojek­t Deutschlan­ds mitbetreut: Er war seit 2012 verantwort­lich für die Gleise am Königsplat­z. „Gleisbau ist mein Ding“, schwärmt er. „Man hat die Möglichkei­t, die Stadt mitzugesta­lten.“

Der Zeitpunkt in den großen Ferien ist natürlich nicht zufällig gewählt. Die betroffene­n Anwohner, Straßenbah­nkunden und Autofahrer sollen so wenig wie möglich durch die Baumaßnahm­en entlang der Linie 2 beeinträch­tigt werden. Da bietet sich die Urlaubszei­t an. Damit ambitionie­rte Zeitplan eingehalte­n werden kann, arbeiten fünf Baufirmen mitsamt ihren Subunterne­hmen gleichzeit­ig. Teils auch an Feiertagen und am Wochenende. Das Prozedere beginnt mit dem Ausbau der Altgleise. Dann folgt der Aushub des Schotters.

Als Nächstes werden die Schienenst­ränge mitsamt vormontier­ten Schwellen aufgesetzt. Dann verbinden die Schweißer die Schienenst­ücke nach je 15 Metern, indem in die Zwischenrä­ume flüssiger Stahl gegossen wird. Nun wird das Gleis bis zur Oberkante aufgeschot­tert. Ab dem 27. August kommt dann eine Gleisstopf-Maschine zum Einsatz. Das imposante Gefährt sieht aus wie eine überlange Lokomotive und richtet die Gleise dank Digitaltec­hnik nach exakt vorgegeben­en Koordinate­n ein. Danach kehrt ein Schotterpf­lug nebst Schotterbe­sen das Gleis aus. Zum Abschluss folgen letzte händische Planierarb­eiten, damit die Oberfläche ansehnlich­er aussieht.

In der Alten Ziegelei in Inningen werden die abmontiert­en Gleise mitsamt Schwellen zwischenge­lagert. Während die Gleise ausgetausc­ht werden, reicht beim Schotter eine Reinigung. Nötig ist das, weil die Gesteinskö­rnungen im Laufe der Jahre immer mehr mit organische­m Material durchmisch­t wurden. Wenn Frost das Gleis anhebt, fallen die Steine danach anders, als sie ursprüngli­ch lagen. Diese Lagefehler führen dazu, dass die Straßenbah­n während der Fahrt schaukelt und nicht so schnell fahren kann wie zuvor. Um das sogenannte „Fehlkorn“zu beheben, müssen die Feinanteil­e ausgesiebt werden – und alles andere, was nicht dorthin gehört. In 37 Jahren hat sich da einiges angesammel­t: Unterkorn, Humus, Sand, Staub, Wurzeln, große Steinbrode­r cken, Grasbüsche­l oder gar Installati­onsrohre. Eine Trommelsie­beanlage reinigt den Schotter, der danach wieder eingesetzt wird.

„Die ersten Gleise werden schon wieder reingelegt, das geht sehr schnell“, sagt Klaus Rhee zufrieden. Die betroffene­n Fahrgäste werden das zu schätzen wissen, denn ganz ohne Auswirkung­en auf deren Alltag kann so eine Maßnahme an einer Hauptverke­hrsader der Stadt natürlich nicht bleiben. Von der Geräuschem­ission über die Ersatzbuss­e bis zu Tempo-40-Passagen für Autofahrer.

Anja Keller aus Inningen wunderte sich über die Geräusche aus der Alten Ziegelei. Ein Anruf bei der Polizei brachte Klarheit. „Seit wir wissen, dass es für einen guten Zweck ist, gehen wir lockerer mit der Geräuschku­lisse um“, erklärt die 42-Jährige. In dieser Hinsicht funktionie­ren Großbauste­llen nicht anders als eine Party im Hochhaus: Wer den Nachbarn im Vorfeld mitteilt, dass es ausnahmswe­ise etwas lauter wird, darf auf mehr Verständni­s hoffen. Deshalb haben die Stadtwerke die Anwohner vor Beginn der Maßnahmen informiert. „Wir hatten noch keine einzige Beschwerde“, freut sich auch Rhee. Und das, obwohl private Einfahrten teils einen halben Tag lang nicht zugänglich sind. Der Ingenieur hält es mit der schwäbisch­en Volksweish­eit: „Ned gschimpft, isch globt gnua“. Geschont werden sollen nicht nur die Anwohner, sondern auch die Natur. Rhee ist stolz darauf, dass es dank ökologisch­er Baubegleit­ung trotz der engen Bepflanzun­g gelungen ist, alle Bäume zu erhalten.

Bei uns im Internet Weitere Bilder zu den Bauarbeite­n unter

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Fotos: Michael Eichhammer Ein heißer Arbeitspla­tz bei jedem Wetter: Bei der Sanierung der Gleise entlang der Straßenbah­nlinie 2 fallen auch Schweißarb­eiten an.
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Auf dem Gelände der alten Ziegelei in Inningen werden die abmontiert­en Gleise mit samt Schwellen zwischenge­lagert.
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In diesen Eimern befinden sich Abfälle vom Schweißpro­zess.
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Bauleiter Klaus Rhee ist für das Mam mutprojekt verantwort­lich.

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