Friedberger Allgemeine

Ein Tag im legendären „Apfel“

Leser erinnern sich an den bekannten Augsburger Klub

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„Woisch no“ist eine augsburgis­che Redensart, die gerne benutzt wird, wenn man sich an vergangene Tage zurückerin­nert. Genau deshalb schreibt Kabarettis­t Silvano Tuiach immer montags im Lokalteil dieser Zeitung unter eben diesem Titel über die 50er-, 60er- und 70er-Jahre in Augsburg und der Region. Viele Leser animiert unsere Serie dazu, selber Erinnerung­en niederzusc­hreiben oder Bilder zu schicken. Auch Wolfgang Franz aus Friedberg hat uns eine Geschichte erzählt: Franz ist Baujahr 1949 und lebte damals im Bismarckvi­ertel, ganz nahe am legendären Klub Big Apple.

In den 60ern, schreibt Franz, wurde er geprägt vom Radiosende­r „afn“(„nächtelang gehört unter der Bettdecke im Schlafsaal einer Klostersch­ule“). Seine erste Platte, das „White Album“der Beatles, kaufte Franz zusammen mit einer portablen Dual-Anlage. „Am Wochenende rutschte ich zu Hause beim Mittagesse­n nervös auf dem Stuhl herum. Ich wollte weg, ich wollte in den ,Apfel‘. Man stelle sich vor: Traumwette­r, blauer Himmel und ich stand vor dem Klub und wollte hinein.“

Das Big Apple, erinnert sich unser Leser, öffnete sehr früh am Nachmittag. „Ich bezahlte die vier Mark für zwei Bier, wohlwissen­d, dass die bis 1 Uhr nach Mitternach­t reichen würden, ließ mir den Stempel aufdrücken und betrat ein Lokal, das nach dem gleißenden Licht im Freien im ersten Moment die Anmutung einer Geisterbah­n hatte. Zielbewuss­t steuerte ich eine Säule neben der Tanzfläche an, meine Heimat für die nächsten Stunden.“

Der Klub war leer, neben Franz und dem Personal gab es höchstens noch „zwei bis drei Verrückte“, die diese Atmosphäre dem Sommer vorzogen. Wolfgang Franz ging es um die Musik: Irgendjema­nd legte alle halbe Stunde eine andere „Langversio­n“auf. „Ich kam in den Genuss der full version von Iron Butterflys ,In-A-Gadda-Da-Vida‘ und spielte hemmungslo­s Luftgitarr­e mit Led Zeppelin bei ,Whole Lotta Love‘.“Dann betrat Rudi, DJ im Big Apple, die Szene. Der Klub begann sich zu füllen. Man kannte sich – vom Sehen.

Aber Wolfgang Franz erinnert sich auch, dass Gespräche höchstens vor dem Lokal oder auf dem Klo möglich waren. „Oder an der Bar und ganz nah am Ohr des Zuhörers. Mädchen ansprechen? Unmöglich. Erstens traute ich mich nicht und zweitens strahlten die, die mir gefielen eine so distanzier­te Arroganz aus, die mir in aller Deutlichke­it signalisie­rte – vergiss es!!“Diese Nachmittag­e, diese Nächte, prägten Franz’ Musikverst­ändnis für die nächsten 50 Jahre.

Auch Franz Fischer aus Gessertsha­usen war oft in Augsburgs Klubs unterwegs: Die Discos bzw. Kneipen, die Silvano Tuiach vor Kurzem beschrieb, kannte er bis auf wenige Ausnahmen alle. Aber: „Eine große Disco, die sich über viele Jahre großer Beliebthei­t erfreute, hat er vergessen: den Ice-Club beim Eisstadion.“Dort begann Fischers „Karriere“mit etwa 15 Jahren – „damals noch mit Anzug und Krawatte beim Sonntagnac­hmittag-Schwofen“.

Ende der 60er mussten im Ice die „Schwofer“dem „Siegeszug“der Rockmusik weichen. Mit den DJs Fips und Jiri dröhnten laut Fischer Deep Purple, Who und so weiter über die Boxen. Mit dem Ende vom „Apfel“gingen viele ins Ice, bis im ehemaligen Playboy in Pfersee das Clichy eröffnete! Die Freude währte laut Fischer aber nicht lange, dann brannte das Clichy aus – „somit war wieder alles im Ice“.

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„Woisch no“

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