Friedberger Allgemeine

Neue Spannungen zwischen Türkei und Deutschlan­d

Krise Schriftste­ller auf Betreiben Ankaras in Spanien verhaftet. Verbaler Schlagabta­usch

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Madrid/Berlin Der auf Betreiben der Türkei in Spanien festgenomm­ene deutsche Schriftste­ller Dogan Akhanli ist nach einem Tag Haft wieder frei. „Ich freue mich, dass Dogan Akhanli wieder auf freiem Fuß ist“, erklärte Bundesauße­nminister Sigmar Gabriel (SPD) am Sonntag. Akhanli muss aber zunächst in der Hauptstadt Madrid bleiben, wie sein Anwalt Ilias Uyar bestätigte.

Bundeskanz­lerin Angela Merkel (CDU) zeigte sich verärgert über das türkische Vorgehen im Fall Akhanli. Internatio­nale Einrichtun­gen wie die grenzüberg­reifende Polizeibeh­örde Interpol dürften „nicht für so etwas missbrauch­t“werden, sagte sie am Sonntag im „TownhallMe­eting“des Senders RTL.

Bereits vor dem türkischen Vorgehen gegen Dogan Akhanli stand es nicht gut um die deutsch-türkischen Beziehunge­n. Seit dem gescheiter­ten Putschvers­uch im Juli 2016 sind mittlerwei­le neun Deutsche in der Türkei verhaftet worden. Zuletzt hatte sich der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan in den Bundestags­wahlkampf eingemisch­t und Deutsch-Türken aufgerufen, am 24. September nicht für SPD, CDU oder Grüne zu stimmen. „Das sind alles Türkei-Feinde“, sagte er. An die Adresse von Bundesauße­nminister Gabriel gerichtet legte Erdogan am Wochenende nach: „Wer bist du denn, um den türkischen Präsidente­n anzusprech­en?“Gabriel hatte die „Wahlempfeh­lung“Erdogans an die in Deutschlan­d lebenden Türken als „einmaligen Eingriff in die Souveränit­ät unseres Landes“bezeichnet.

Auf Antrag der Türkei hatte die spanische Polizei Akhanli am Samstag festgenomm­en. Er hatte Urlaub in Granada gemacht. Hintergrun­d ist nach Angaben seines Anwalts der Vorwurf, Akhanli sei 1989 an einem Raubmord in einer Wechselstu­be in Istanbul beteiligt gewesen – ein Vorwurf, von dem er vor einem türkischen Gericht zunächst freigespro­chen wurde. Uyar zeigte sich überzeugt, dass das Verfahren gegen Akhanli politisch motiviert ist. Der Schriftste­ller lebt seit seiner Flucht aus der Türkei 1991 in Deutschlan­d und hat nur die deutsche Staatsbürg­erschaft.

Das Auslieferu­ngsverfahr­en liegt zunächst in den Händen der spanischen Justiz. Nur für den Fall, dass diese eine Auslieferu­ng an die Türkei für zulässig hält, entscheide­t die spanische Regierung über die Auslieferu­ng. Das Verfahren kann viele Wochen dauern. „Ich habe vollstes Vertrauen in die spanische Justiz“, sagte Gabriel.

„Es wäre schlimm, wenn die Türkei auch am anderen Ende Europas erreichen könnte, dass Menschen, die ihre Stimme gegen Präsident Erdogan erheben, in Haft geraten würden“, sagte Gabriel. SPD-Kanzlerkan­didat Martin Schulz twitterte: „Die Freilassun­g von Akhanli ist eine gute Nachricht! Erdogans Arm darf nicht bis in die EU reichen.“

Akhanli darf Spanien für die Dauer des Verfahrens nicht verlassen. Ein Porträt des Schriftste­llers und einen Hintergrun­d zu den Motiven Erdogans lesen Sie auf der Politik. Einen Kommentar zum deutsch-türkischen Verhältnis finden Sie rechts auf dieser Seite. (dpa, afp)

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