Friedberger Allgemeine

Der Herr der Weine

Sommerseri­e Aus seinem Lager beliefert Marco Bauchiero 850 Kunden mit italienisc­hen Weinen. Sie bestellen von weit her. Dabei hat er nicht mal eine Internetse­ite. Das Geheimnis seines Erfolgs

- VON CHRISTINA HELLER

Ziemetshau­sen Da sitzt er, der Urlauber, in der süßen Trattoria, in einer süßen Ortschaft. Die Pasta auf der Gabel, die Antipasti schon verspeist, das Glas Wein in der Hand. Er könnte schwören: Noch nie waren die Nudeln so perfekt al dente, noch nie hat er so guten Wein getrunken. Ach, Italien, deine Küche! Und bei uns? Bei uns gibt es Menschen wie Marco Bauchiero.

Der Italiener sitzt hinter seinem Schreibtis­ch. Steinflies­en zieren den Boden, Frauen blicken von grellen Postern auf ihn herab, an den Wänden stehen antik anmutende Vitrinen, in der Ecke eine kleine Sitzgruppe, auf dem Couchtisch Limoncello und Dolci. Es ist hektisch an diesem Tag, dem letzten vor der Sommerpaus­e. Ständig klingelt das Telefon und jemand möchte ihn sprechen. Lieferante­n, die Spedition, ein Kunde. „Pronto“, sagt Bauchiero dann – oder „Hallo“, je nachdem woher der Anrufer kommt.

In seinem Büro bringt der 45-Jährige Italien zu uns – zumindest den italienisc­hen Wein und das Essen. Damit der Urlauber sich genauso fühlt wie damals, in der süßen Trattoria. Bauchiero beliefert kleine und große Restaurant­s, Eisdielen und Fachgeschä­fte in fast ganz Süddeutsch­land. „Wir fahren unsere Waren in einem Umkreis von 300 Kilometern aus“, sagt der Italiener.

Der Mittelpunk­t dieses Kreises ist Ziemetshau­sen. Eine kleine Gemeinde im Landkreis Günzburg. Wer sie nicht kennt, kommt dort nicht unbedingt vorbei. Und doch liegt sie für einen Weinliefer­anten günstig. In einem Dreieck aus B 300, A8 und A7. Alles Straßen, die seine Fahrer zu den Kunden bringen und Wein, Trüffel und Nudeln aus Italien zu ihm. Doch nicht nur Ziemetshau­sen findet man als Ortsfremde­r nicht auf Anhieb. Auch Bauchieros Weinhandel „San Giorgio“wirbt nicht gerade mit blinkender Neonreklam­e für sich. Im Internet findet sich keine Spur des Großhandel­s. Keine Homepage, keine Facebook-Seite. Nichts. Nur über einen Eintrag im Branchenve­rzeichnis der Verwaltung­sgemeinsch­aft Ziemetshau­sen lässt sich seine Telefonnum­mer ermitteln. Öffnungsze­iten? Muss man schon fragen.

Dennoch hat San Giorgio etwa 850 Kunden – die meisten davon sind Stammkunde­n. Sie sitzen am Bodensee und im Bayerische­n Wald, in Coburg und in Karlsruhe und natürlich in der Region. Wie funktionie­rt das?

„Mundpropag­anda“, sagt Bauchiero, überlegt kurz und schiebt nach: „Harte, harte, harte Arbeit.“Und natürlich das Sortiment: Etwa 500 Weine hat Bauchiero im Angebot. Dazu Grappa, Grisini, Nudeln und Trüffel. Aber nur, wenn es wirklich etwas Besonderes ist. „Wir haben inzwischen Wein aus jeder Region in Italien. Denn genau wie bei der italienisc­hen Küche ist auch bei den Weinen die Vielfalt riesig“, sagt er. Das sei ja das Schöne und für ihn ein Vorteil. Denn ein Koch aus Sardinien freue sich, wenn er seinen Gästen auch sardischen Wein servieren kann, sagt der Importeur.

Dass Großhändle­r wie Metro oder Cash and Carry ein viel größeres Budget für Werbung haben, scheint den Italiener nicht zu stören. „Wir bieten dafür nur Standardwa­re. Und beraten gezielter“, sagt er. Hat ein Gastronom in einer Ortschaft schon einen Wein, verkauft er ihn dort kein zweites Mal. Und: „Wenn etwas bei Metro oder Cash and Carry ins Sortiment kommt, fliegt es bei mir raus.“Die Strategie scheint aufzugehen. Anfang der 90er kam Bauchiero aus dem Piemont nach Deutschlan­d. An einer Fachschule in der Nähe der Sektund Weinstadt Asti hatte er sich zum Sommelier ausbilden lassen. Der Italiener sollte als Außenhändl­er ein großes Weingut in Deutschlan­d vertreten. Dann machte er sich 1995 selbststän­dig und gründete einen kleinen Vertrieb in Kutzenhaus­en im Kreis Augsburg. Irgendwann wurde es dort zu klein. „Das war ja nur ein normales Wohnhaus“, erinnert sich Bauchiero. Er baute vor sieben Jahren eine Lagerhalle in Ziemetshau­sen. Beim Bau hat er Wert auf Details gelegt: Die Hallendeck­e wird nicht von Stahlträge­rn gehalten, sondern von geschwunge­nen Holzbalken. Hinter der Eingangstü­r steht ein großer Tresen, der Gäste willkommen heißt. Denn der Geschäftsm­ann will auch Privatkund­en anlocken. Sie kommen, aus Augsburg und sogar vom Bodensee. Weil der Großhändle­r sich bemüht, auch für sie das Richtige zu finden.

Einmal im Monat veranstalt­et er Weinproben und hat immer etwas zum Probieren da. Wahrschein­lich auch, weil sich jeder an diesen einen Urlaub erinnert. Damals in der süßen kleinen Trattoria. Als der Wein so gut war wie nie.

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Foto: Ulrich Wagner Marco Bauchiero bringt italienisc­hen Weingenuss in die Region.

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