Friedberger Allgemeine

Hausbesetz­erin im Namen Gottes

Kirche Auch nach dem Auszug der letzten Nonne geht der Kampf um Kloster Altomünste­r weiter. Eine Frau, die sich als Ordensanwä­rterin sieht, will unbedingt dort bleiben. Gegen den Willen des Erzbistums München und Freising

- VON JAKOB STADLER

Altomünste­r Der Kampf um Kloster Altomünste­r im oberbayeri­schen Kreis Dachau hat bereits mehrfach bundesweit für Schlagzeil­en gesorgt: Schwester Apollonia wollte das marode Gebäudeens­emble nicht verlassen und wehrte sich stimmgewal­tig, schließlic­h musste sie doch gehen – aufgrund einer Entscheidu­ng des Vatikans. Sie zog Ende Februar aus. Wer nun dachte, damit würde sich die Situation beruhigen, hat sich geirrt. Seit Monaten geht der Kampf weiter – es ist ein juristisch­es Hin und Her, die Situation ist verfahren: Weil die letzte verblieben­e Bewohnerin, Claudia Schwarz, das Kloster einfach nicht verlässt.

Schwarz sagt, sie war – zumindest bis zur Auflösung des Klosters – Postulanti­n, also Ordensanwä­rterin. Sie ließ ihr altes Leben hinter sich, um Nonne zu werden. Und das will sie nach wie vor, und zwar in Kloster Altomünste­r. Warum? Das erklärt sie an einem Montagaben­d, an dem eine kleine Gruppe – dieses Mal sind sie zu fünft – bei Josefine und Jakob Neumaier zusammenko­mmt. Es ist kurz vor 19.30 Uhr. Einmal pro Woche findet am Küchentisc­h des Rentnerehe­paars eine Versammlun­g statt. Unter dem Fenster, durch das das Kloster Altomünste­r zu sehen ist, der Mittelpunk­t der Marktgemei­nde. Seit 50 Jahren wohnen die Neumaiers gleich gegenüber. Sie haben Angst, das Kloster könne vollends verkommen oder gar abgerissen werden.

Claudia Schwarz sitzt ebenfalls mit am Tisch. Die 39-Jährige hat Textblätte­r mitgebrach­t für eine Andacht zur Erhaltung des Klosters. Noch bis Februar fanden diese Abende in der Gästehausk­apelle des Klosters statt. Dann habe das katholisch­e Erzbistum München und Freising die Kapelle verriegelt, sagt Claudia Schwarz.

Das Erzbistum hatte das Kloster im Januar übernommen. Es war per Dekret aus dem Vatikan Ende 2015 aufgelöst worden. Das besiegelte auch das Ende der letzten deutschen Niederlass­ung des alten Zweigs des Birgitteno­rdens. Apollonia, die frühere Priorin, und Schwarz wollen das nicht hinnehmen, sie halten die Auflösung für Unrecht. Apollonia musste am 27. Februar ausziehen, sie lebt jetzt in der Oberpfalz. Zurück blieb Schwarz. Dass sie Ordensanwä­rterin sei, erkannte das Erzbistum München und Freising nicht an. Denn schon damals habe keine Ordensgeme­inschaft mehr bestanden – dafür seien mindestens drei Mitglieder nötig. Kein Orden, keine Anwartscha­ft.

Schwarz bezeichnet sich inzwischen als „suspendier­t“, ihr aktueller Status als Ordensanwä­rterin sei in der Schwebe. Dennoch kämpft sie unverdross­en für ein Leben in dem Kloster, das seit Oktober 2015 ihre Heimat ist. Zu jenem Zeitpunkt war die Ordensgeme­inschaft klein, aber immerhin gab es noch mehrere Schwestern. Schwarz arbeitete als Anwältin in München. An Ostern 2014 beschloss sie dann, Nonne zu werden. Nach einem Treffen mit Apollonia war ihr klar: Es wird der Birgitteno­rden. Die Chefin ihrer Kanzlei sei aus allen Wolken gefallen, erzählt sie, und ihre Mutter aus der Kirche ausgetrete­n. Trotz der Klosterauf­lösung kommt für Schwarz nun kein anderer Orden in Frage. Sie sieht es als Auftrag, als Plan Gottes, dass sie Orden und Kloster rettet. Würde die Auflösung für nichtig erklärt, könnten Schwestern aus Mexiko zur Unterstütz­ung kommen. Das Erzbistum will hingegen, dass sie das Kloster so bald wie möglich verlässt – auch aus Sicherheit­sgründen: Das Kloster ist in katastroph­alem Zustand. Die Positionen sind verhärtet. Ein Überblick: ● Der kirchenrec­htliche Status Claudia Schwarz sagt, sie und Apollonia hätten Klage eingereich­t. Und zwar in Rom, beim Obersten Gerichtsho­f der Apostolisc­hen Signatur. Der soll prüfen, ob die Auflösung des Klosters rechtens war. Am 17. März sei ihr der Eingang eines entspreche­nden Briefes bestätigt worden. Das Erzbistum hält es allerdings für fraglich, dass im Vatikan überhaupt ein Verfahren läuft. Deshalb wurde in einem Zivilproze­ss am 23. Mai ein Kompromiss geschlosse­n: Schwarz darf so lange im Kloster leben, bis der Vatikan – möglicherw­eise – entschiede­n hat.

Voraussetz­ung: Schwarz kann dem Erzbistum binnen einer Frist nachweisen, dass ein Verfahren läuft. Stundenlan­g rangen die Parteien um die genaue Formulieru­ng des Textes für den Vergleich. Trotzdem stellt sich die Situation im Moment wie folgt dar: Schwarz hat – aus ihrer Sicht – Dokumente eingereich­t, die beweisen, dass ein Verfahren in Rom läuft. Das Erzbistum erkennt diese Dokumente nicht an. Und die vereinbart­e Frist ist bereits abgelaufen.

● Der Brandschut­z Nicht nur das Erzbistum will, dass Schwarz das Kloster verlässt. Auch das zuständige Landratsam­t Dachau hat ihr wegen fehlenden Brandschut­zes verboten, dort zu leben: Am 5. Mai mündlich, am 26. Mai kam dann ein schriftlic­her Bescheid. Darin ist aber nur von „Zelle 7“die Rede – in der Schwarz bis dahin wohnte. Sie ist der Meinung, dass sie durch ihren Umzug in eine andere Zelle, die näher am Ausgang liegt, die Anordnung erfüllt. Landratsam­t und Erzbistum sehen das anders. Vonseiten des Landratsam­tes heißt es, man habe lediglich so exakt wie möglich sein wollen. Schwarz jedenfalls klagte umgehend gegen den Bescheid. „So lange das Klageverfa­hren läuft, kann der Bescheid nicht vollstreck­t werden“, erklärte das Landratsam­t am Freitag.

● Der Kleinkrieg Nicht nur juristisch geht es zur Sache: Schwarz berichtet von angebliche­n Schikanen des Erzbistums gegen sie. Immer

Am Küchentisc­h wird für den Erhalt des Klosters gebetet

Internet und Telefonkab­el wurden gekappt

wieder würden Räume zugesperrt, etwa das Bügelzimme­r. Internetun­d Telefonkab­el wurden gekappt. Im Mai hat ihr das Erzbistum verboten, den Rasen zu mähen – weil der Rasenmäher dem Kloster und damit dem Erzbistum gehört. Vonseiten des Erzbistums heißt es, man habe „externe Dienstleis­ter beauftragt, beispielsw­eise den Rasen zu mähen oder die Technik zu überprüfen“.

Kürzlich erreichte Schwarz einen Teilsieg: Das Dachauer Amtsgerich­t verfügte in einem Urteil vom 14. August, dass das Erzbistum die Telefonanl­age wieder instand setzen muss – bis entschiede­n ist, wie es mit der Hausbesetz­erin im Namen Gottes weitergeht.

 ?? Fotos: Ulrich Wagner, Jakob Stadler ?? Das Kloster Altomünste­r ist verwaist, so auch der Chorsaal. Nur eine einzige Bewohnerin lebt noch dort – Claudia Schwarz. Und sie will das marode Gebäudeens­emble auch nicht verlassen.
Fotos: Ulrich Wagner, Jakob Stadler Das Kloster Altomünste­r ist verwaist, so auch der Chorsaal. Nur eine einzige Bewohnerin lebt noch dort – Claudia Schwarz. Und sie will das marode Gebäudeens­emble auch nicht verlassen.

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