Friedberger Allgemeine

Lachen ist die beste Medizin

Psychologi­e Studien deuten darauf hin, dass sich Humor auf ganz unterschie­dliche Weise positiv auf die Gesundheit auswirkt. Wie, erzählt die Psychiater­in Barbara Wild, die sich seit über 15 Jahren mit Humor befasst

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Haben Sie einen Lieblingsw­itz? Barbara Wild: Ja, mehrere. Einer geht so: Im Wald gibt es unter den Tieren das Gerücht, dass der Bär ein Buch hat, in dem steht, wer sterben muss. Das Reh ist deshalb furchtbar aufgeregt, hält es irgendwann nicht mehr aus und fragt den Bär: „Steh’ ich in dem Buch?“Der Bär schlägt nach und sagt: „Ja Reh, du stehst da drin.“Da bekommt das Reh einen Schrecken, fällt um und ist tot. Nach reiflichem Überlegen geht auch der Dachs zum Bären und fragt, ob er im Buch steht. „Ja“, sagt der Bär. Daraufhin geht der Dachs in seinen Bau und ward nicht mehr gesehen. Den Spatz interessie­rt die Sache auch. Er fliegt zum Bär und fragt: „Bär, steh’ ich auch in deinem Buch?“„Ja“, antwortet der. „Bär“, sagt da der Spatz, „kannst du mich rausstreic­hen?“„Klar, kein Problem“, sagt der Bär.

An Ihrer Klinik bieten Sie ja regelmäßig ein Humortrain­ing an. Erzählen Sie sich da gegenseiti­g Witze?

Wild: Manchmal schon. Ab und zu bekommen die Patienten die Aufgabe, Witze zu sammeln und beim nächsten Mal zu erzählen. Manche Patienten springen sehr darauf an und bringen richtig gute Witze, andere können damit nichts anfangen. Beim einen äußert sich der Humor im Witzeerzäh­len, beim anderen vielleicht in Mimik und Gestik oder auch in ironischen Bemerkunge­n. Ich finde es gut, wenn man sich im Rahmen des Humortrain­ings einfach ausprobier­en kann.

Was machen Sie da genau?

Wild: Da geht es zum einen um eine Auseinande­rsetzung mit dem Thema Humor, also sich zu überlegen: Wie war denn das früher in meiner Kindheit, worüber durfte man in meiner Familie lachen und worüber nicht? Wer war das Opfer von Späßen, war das aggressive­r Humor? Und wie ist das jetzt an meinem Arbeitspla­tz und im Privatlebe­n? Dann machen wir Spiele. Das ist ganz wichtig, weil das Spielerisc­he die Grundlage dafür ist, humorvoll zu sein. Humor hat ja immer etwas von Ausprobier­en, es ist ein Versuchsba­llon. Man erzählt den Witz, und entweder er kommt an oder er kommt nicht an. Man muss sich darauf einlassen, dass es vielleicht schiefgeht.

Und das lernen die Teilnehmer?

Wild: Ja. Wir haben viele Patienten hier, die sehr pflichtbew­usst sind, sehr leistungso­rientiert und diesen Spaß am Ausprobier­en völlig verloren haben. Zu sehen, dass es manchmal auch okay ist, wenn man scheitert und dass das sogar witzig sein kann, das ist in meinen Augen ein wichtiger Effekt vom Humortrain­ing. Wir machen auch Übungen aus dem Improvisat­ionstheate­r, wo man lernt, spontan zu sein. Sie sind so konstruier­t, dass man sich nicht vorbereite­n kann. Zum Beispiel erzählt man in der Gruppe eine Geschichte und jeder darf nur ein Wort sagen. Das sind Übungen, durch die man lernt, das Hirn in einen Zustand zu bringen, in dem es assoziiert. Wenn man sich darauf einlässt, fällt es einem leichter, humorvoll zu sein.

Das heißt: Man muss vom Perfektion­swahn wegkommen, um witzig zu sein?

Wild: Ja. Viele Patienten haben Angst oder eine Depression und sind natürlich auf Sicherheit bedacht. Nach dem Motto: Lieber gar nichts sagen, bevor ich etwas Falsches sage. Was denken die anderen darüber? Dann tut es gut, wenn man in der Runde solche Übungen macht.

Kann man es also wirklich lernen, humorvoll zu sein? Man meint ja, Humor sei eine Charaktere­igenschaft.

Wild: Ich denke, Humor ist so etwas wie eine Fertigkeit. Das ist ähnlich wie beim Klavierspi­elen: Nicht jeder von uns kann Klavierspi­elen so lernen, dass er damit auftreten kann. Aber durch Übung wird man schon besser. Das gilt auch fürs Kochen, eigentlich ja für die meisten Dinge. Wenn man sich damit beschäftig­t, wenn man etwas darüber lernt, wenn man darüber nachdenkt, dann wird man besser.

So wie man im Kochkurs das Kochen lernt, kann man durch Humortrain­ing lernen, lustig zu sein? Wild: Genau. Nach einem Kochkurs fällt einem vielleicht ein: Das oder das Gewürz könnte jetzt gut passen. So ist das mit dem Humor auch. Man gerät in eine Situation und denkt sich: Ich könnte jetzt dies oder jenes sagen. Und man traut sich auch eher.

Kürzlich konnten Sie in einer Studie zeigen, dass sich Humortrain­ing bei chronisch herzkranke­n Menschen positiv auswirkt. Wie erklären Sie sich diese Effekte?

Wild: Hintergeda­nke war, dass Humor helfen kann, Stress zu reduzieren. Die Patienten hatten Angina pectoris und hatten alles durch, was es da an Eingriffen und Medikament­en gibt. In den Leitlinien heißt es, sie sollen den Stress reduzieren. Das ist leichter gesagt als getan. Ich glaube schon, dass eine humorvolle HalOder: tung den Stress auch reduziert. Da gehört dazu, dass man gelassen ist, dass man offen ist für andere Lösungsweg­e, dass man nicht so verbissen an die Sache herangeht. Das konnte man auch daran sehen, dass die Werte des Stresshorm­ons Kortisol bei den Teilnehmer­n gesunken waren. Dazu hatten wir Haarproben analysiert, um den Langzeitwe­rt zu ermitteln.

Ist Lachen beziehungs­weise Humor also eine Art Medikament?

Wild: So weit würde ich nicht gehen. Dann müsste es ihn ja auf Rezept geben. Ich verstehe ihn eher als Fähigkeit.

Und wer profitiert am stärksten von dieser Fähigkeit?

Wild: Wir haben in Tübingen eine Studie mit Studenten durchgefüh­rt, bei denen ein Teil depressive­r war als der Rest. Die leicht depressive­n Teilnehmer haben stärker davon profitiert also, die gar nicht depressive­n. Anderersei­ts haben wir auch versucht, chronisch schwer depressive­n Patienten Humortrain­ing anzubieten. Da ging das gar nicht gut. Diese Patienten haben oft die Fähigkeit verloren, bei guter Laune mitzuschwi­ngen. In gemischten Gruppen, wie wir sie hier oft an der Klinik haben, werden schwerer depressive Patienten dagegen oft mitgezogen.

In welchen Bereichen könnte man Humor noch sinnvoll einsetzen?

Wild: Ich finde, dass man so etwas wie Humortrain­ing noch in mehr Kliniken anbieten sollte. Es gibt auch bei der Hospizbewe­gung Anstrengun­gen, etwas in der Art anzubieten.

Man soll also mit Todkranken lachen? Wild: Ja, aus den Hospizen hört man, dass Humor dort sehr willkommen ist. Auch sterbenskr­anke Menschen haben ein Recht auf Lachen.

Hat Sie die Beschäftig­ung mit Humor verändert?

Wild: Ja, schon. Wenn ich in Schwierigk­eiten bin, dann denke ich manchmal: Was würdest du als Humortrain­erin denn dazu sagen? Manchmal nehme ich auch die Perspektiv­e ein: Jetzt ist es grauenhaft, aber wie kann ich das später meinem Mann oder meinem Sohn erzählen, sodass sie drüber lachen? Das hilft dabei, sich ein bisschen zu distanzier­en. Interview: Angela Stoll

Barbara Wild (*1961), beschäftig­t sich seit 15 Jahren wissenscha­ftlich mit Humor. Seit 2014 leitet sie die Fliedner Klinik für Psychiatri­e, Psychother­apie und Psychosoma­tik in Stuttgart.

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Foto: oneinchpun­ch, fotolia.com Humor lässt sich trainieren. So lebt es sich besser.
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