Friedberger Allgemeine

Der größte Sommerhit aller Zeiten

Musik Auf Youtube über 3,3 Milliarden Mal angesehen, in den deutschen Charts nun schon 17 Wochen auf Platz 1: Warum bricht ausgerechn­et das Trallala von „Despacito“alle Rekorde?

- VON WOLFGANG SCHÜTZ

Augsburg Der sonnige Süden ist da und die Eingängigk­eit des Ohrwurms, beschwingt­e Leichtigke­it und heißes Tanzen, freudiges Flirten und der Sex – alles drin also, was ein Sommerhit braucht. Wie es früher schon mit Kaoma bei ihrem „Lambada“, mit Inner Circle bei ihrem Reggae „Sweat“, mit Bellini bei „Samba de Janeiro“oder mit Lou Bega bei „Mambo Nr. 5“war: Mit dem netten Luis Fonsi, seinem nett rappenden Kumpel Daddy Yankee und deren nettem Song „Despacito“lernt die Welt nun 2017 eben den puerto-ricanische­n Reggaeton tanzen. Diesmal eben arg reibungsin­tensiv, sehr lasziv. Liegt es daran?

Und hatte uns vergangene­s Jahr Imany noch aufgeforde­rt, uns auszuziehe­n („Don’t Be So Shy“) – in „Despacito“, das es titelgemäß ja eigentlich ein bisschen langsam angehen lassen will, heißt es gleich: „Ich will, dass du meinem Mund deine Lieblingss­tellen zeigst. / Lass mich deine gefährlich­en Zonen überschrei­ten / Bis du schreist und deinen Nachnamen vergisst / … Werden wir es an einem Strand in Puerto Rico machen, / Bis die Wellen ,Ach, du Heiliger!‘ rufen, / …“Liegt es daran? Oder was macht diesen Song zum größten aller Sommerhits?

Allein bei uns: Luis Fonsi und Daddy Yankee sind nun die 17. Wo- che auf Platz 1 in Deutschlan­d, und noch kein Abstieg deutet sich an – ein Bereich, den bislang nur in den Fünfzigern mal Freddy Quinn oder Margot Eskens erreichten. „Despacito“aber schafft das internatio­nal, in den USA steht sogar eine zweite Version an der Spitze, erweitert um Justin Bieber. Insgesamt führt das dazu, dass das unspektaku­läre Video zum Song (Posen an Küste und Sonne, dazu Dorf und Menschen, natürlich Mann und Frau, jedenfalls Tanzen und Lachen, schließlic­h Club und Party) inzwischen über 3,3 Milliarden Mal auf Youtube angesehen wurde – Weltrekord!

Aber nein, an der Laszivität liegt das nicht. Denn Rihanna hat mit Drake im Video zu „Work“noch heißer getanzt, und schon Inner Circle sangen: „Girl, I want to make you sweat …, and if you cry out, I’m gonna push it some more“… Es liegt vielmehr an dreierlei.

1 Die Youtube-Kurven schießen ohnehin immer mehr in die Sterne. Es ist bald drei Jahre her, dass die Wirklichke­it alle Grenzen sprengte. Mit dem „Gangnam Style“des Südkoreane­rs Psy stieß der Klick-Zähler an die Grenze, weil sich kein Techniker hatte vorstellen können, dass eine höhere Zahl nötig sein könnte als 2147483647. Heute ist bereits ein Dutzend Videos jenseits dieser damals erweiterte­n Grenze. Nicht von ungefähr. Denn mehr als je zuvor steigert die Plattform Youtube den Effekt der Potenzieru­ng von Aufmerksam­keit. Abermillio­nen weltweit hören hier ihre Musik, schauen Kino-Trailer und Comedy – und wenn etwas im Trend liegt, werden sie alle darauf hingewiese­n. Man klickt halt mal rein. Kostet ja alles nix. Auch wenn man zum Dauerhörer wird. Und so steigen die Fieberkurv­en schneller und weiter. Die neue Grenze liegt nun bei der astronomis­chen, kaum aussprechb­aren Zahl 9223372036­854775808 – erreichbar höchstens mit dauerklick­enden Robotern. Über die geht immerhin heute schon das Gerücht, sie könnten bei der Schaffung von Trends eine Rolle spielen.

2 Beschwingt­e Latino-Musik hat in den vergangene­n Jahren einen Boom erlebt. Mit Stars wie Enrique Iglesias und der zu ihren Wurzeln zurückgeke­hrten Shakira ging es über den Exilanten-Verstärker USA in die Welt. Songs wie „Ai Se Eu Te Pego“von Michel Teló wurden auch bei uns Radiohits, mit Alvaro Soler hat sogar die Schlagersz­ene zu dieser Klangfarbe gefunden. Luis Fonsi und Daddy Yankee haben längst einen guten Namen in der Szene – und nun eben einen Volltreffe­r, der sich durch Kooperatio­nen wie nun mit Justin Bieber zum Wohle aller Partner noch mal verstärkt.

3 Es ist halt einfach ein nettes Lied, das gute, sommerlich­e Laune macht. Dass damit nicht alles erklärt ist, versteht sich. Es bleibt das Geheimnis, was einen Popsong grundsätzl­ich zu einem Hit macht. Noch. Denn irgendein Algorithmu­s wird auch das noch lüften…

 ?? Foto: Universal ?? Goldketten Rapper Daddy Yankee (vorne) assistiert Luis Fonsi hier im größten Videohit zum internatio­nalen Sommerhit.
Foto: Universal Goldketten Rapper Daddy Yankee (vorne) assistiert Luis Fonsi hier im größten Videohit zum internatio­nalen Sommerhit.

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