Friedberger Allgemeine

Wie das Handy den Konsum verändert

Studie Durch Leihen und Teilen im Internet werden Privatleut­e zu Unternehme­rn. Das hat nicht nur Vorteile

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Herr Professor Veit, Sie beschäftig­en sich mit dem Thema Sharing Economy, also dem Teilen ungenutzte­r Ressourcen wie Autos, Maschinen oder Dienstleis­tungen. Was steckt dahinter? Daniel Veit: Sharing Economy ist eine neue Form des Wirtschaft­ens, bei der Güter gemeinsam genutzt werden, anstatt sie zu besitzen. Grundsätzl­ich ist dieses Thema nicht neu. Dass sich Firmen teure Maschinen und Fahrzeuge teilen oder Start-up-Unternehme­n gemeinsam Räume nutzen, kennt man schon. Mit der Digitalisi­erung nimmt diese Art des Wirtschaft­ens aber neue Dimensione­n an und findet auch Anwendung im Privaten.

Welche denn?

Veit: Der ursprüngli­che Gedanke von Sharing Economy war es, Kosten für eine bestimmte Anschaffun­g oder Leistung zu minimieren. Nehmen wir als Beispiel die Online-Mitfahrbör­se „blablacar“. Hier versucht ein Autofahrer, seine Reisekoste­n zu senken, indem er kosten- Mitfahrgel­egenheiten anbietet. Es wird also kein Gewinn erwirtscha­ftet, sondern es werden die Fahrtkoste­n minimiert. Ganz anders ist es beim Taxiuntern­ehmen Uber. Hier stellen Privatpers­onen sich und ihre privaten Fahrzeuge auf einer Online-Plattform als Dienstleis­tung zur Verfügung. Sowohl der UberFahrer verdient damit Geld, als auch die Internet-Plattform Uber, die als Vermittler auftritt. Dieses Prinzip des Teilens basiert also nicht mehr darauf, Kosten zu minimieren, sondern Geld zu erwirtscha­ften.

Was bedeutet das konkret für jeden Einzelnen von uns?

Veit: Wenn man den Gedanken der Sharing Economy zu Ende denkt, werden künftig klassische Nachbarsch­aftsdienst­e monetarisi­ert. Das heißt, ich leihe meinem Nachbarn die Bohrmaschi­ne nicht mehr einfach über den Gartenzaun, sondern biete ihm an, sie über eine OnlinePlat­tform zu mieten. Somit kann ich Geld einnehmen und zudem weiß die ganze Welt, dass ich eine Bohrmaschi­ne besitze. Dies bedeutet, dass wirtschaft­liche Gesichtspu­nkte verstärkt in die privateste­n Bereiche des Lebens Einzug erhalten. Eine Entwicklun­g, die man durchaus skeptisch betrachten kann.

Weil wirtschaft­liche Komponente­n unser Leben stärker beeinfluss­en und wir mehr von unserem Leben preisgeben? Veit: Ganz genau. Der Mensch wird mehr von finanziell­en Anreizen gesteuert und gläserner. Mit jeder Transaktio­n, die wir über eine Plattform im Internet tätigen, geben wir ein Stück mehr aus unserem Privatlebe­n preis. Das hat Auswirkung­en auf unser Verhalten, auf den Umgang miteinande­r, auf das Heranpflic­htige wachsen junger Menschen. Man muss sich also als Gesellscha­ft genau überlegen, ob diese Entwicklun­g so ohne weiteres zu begrüßen ist.

Der Weg hin zu diesen neuen Geschäftsm­odellen ging rasend schnell ... Veit: Wegbereite­r für all das waren die ersten Smartphone­s für jedermann, die vor fast zehn Jahren auf den Markt kamen. Hier können Apps installier­t und es kann jederzeit – ganz schnell und einfach – auf entspreche­nde Angebote zugegriffe­n werden. Die Bedienung ist intuitiv, sodass auch ältere Menschen ohne große Vorkenntni­sse all diese Dienste nutzen können. Wir haben eine Durchdring­ung mit Smartphone­s in der Bevölkerun­g von über 70 Prozent. Früher waren derartige Transaktio­nen viel umständlic­her: Rechner hochfahren, einloggen, Webseite suchen, wieder einloggen und so weiter. Heute geht das binnen Sekunden. Es ist ein praktische­r Service, den jedermann nutzen kann. Wohin, denken Sie, geht die Reise diesbezügl­ich noch hin?

Veit: Hier tun sich die Experten schwer, zutreffend­e Prognosen abzugeben. Aber ich bin mir sicher, dass diese Art der Sharing Economy, bei der das Erzielen von Gewinnen im Vordergrun­d steht, weiter ausgebaut wird. Das wird das tägliche Wirtschaft­en in unserer Gesellscha­ft verändern. Die Digitalisi­erung wird dazu führen, dass, wie bereits angesproch­en, unsere Privatsphä­re immer mehr durchdrung­en und durchleuch­tet wird. Das muss einem zunehmend bewusst sein. Man muss beobachten, wie das unser Leben, unser Handeln und Wirtschaft­en beeinfluss­t und welche Konsequenz­en daraus zu ziehen sind – von der Erziehung bis zu juristisch­en Fragen.

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Foto: Silvio Wyszengrad
 ??  ?? Professor Daniel Veit ist Inhaber des Lehrstuhls für „Informatio­n Systems und Management“an der Universitä­t Augsburg.
Professor Daniel Veit ist Inhaber des Lehrstuhls für „Informatio­n Systems und Management“an der Universitä­t Augsburg.

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