Friedberger Allgemeine

Bei ihr paaren sich Schönheit und Schrecken

Porträt Auf sonderbare Weise begegnet die Künstlerin Alexandra Vassilikia­n manchmal ihren Motiven. Mal sind es umgepflügt­e Felder, die sie inspiriere­n, mal ein Raum, in dem Jäger ausgeweide­te Wildschwei­ne aufhängen

- VON INGEBORG ANDERSON

Wer im Atelier von Alexandra Vassilikia­n in Klimmach die kreative Unaufgeräu­mtheit einer Künstlerwe­rkstatt erwartet, wird enttäuscht. Alles steht an seinem Platz. Keine ihrer Arbeiten ist zu sehen. Zeichnunge­n und Fotografie­n sind säuberlich gestapelt. Die großen Formate stehen mit der Bildseite zur Wand. Erst im Lauf des Gesprächs dreht sie eins nach dem anderen um.

Zu sehen sind Anmutungen von Landschaft­en in der für sie typischen Malweise, die kraftvoll und delikat zugleich ist. Ihre Farbpalett­e ist reduziert: Weiß, Grautöne, Schwarz und etwas leuchtende­s Rot. Blut? Auf jeden Fall! Für die Künstlerin ist Blut ein Symbol für Gewalt und Verletzung­en, für die verborgene­n Schrecken und Geheimniss­e der Vergangenh­eit, aber auch für das latente Glück. Ereignisse, über welche die Zeit ihre Schichten gedeckt hat, legt Vassilikia­n wieder frei. In ihren Arbeiten paaren sich Schrecken und Schönheit. Sie selbst nennt das ihre „fröhliche Düsternis“.

in ihrer Serie zur Lechfeldsc­hlacht, zu der sie in der Nähe ihres Ateliers auf Schloss Guggenberg angeregt wurde. „Die Felder waren gerade umgepflügt worden und beim Anblick der aufgerisse­nen Erde empfand ich das Zerstöreri­sche, Gewaltsame einer Schlacht“, erinnert sie sich. Der Acker liegt zwischen Mittelstet­ten und SchwabWie münchen, wo Bischof Ulrich und unzählige Soldaten möglicherw­eise vor mehr als tausend Jahren gekämpft hatten. Auf den Bildern „erscheinen“in räumlicher Unbestimmt­heit Anmutungen von Furor und Verwüstung eines Schlachtge­schehens quasi aus den Nebeln der Vergangenh­eit. Der Tod als stets präsenter Begleiter des Lebens – das ist ihr Thema.

Die Künstlerin mit deutscharm­enischen Wurzeln, die kürzlich mit dem Kunstpreis der Stadt Schwabmünc­hen ausgezeich­net wurde, ist seit gut zehn Jahren in der Region ansässig. Sie teilt ihre Zeit zwischen dem Schwabmünc­hner Ortsteil Klimmach und Paris, wo sie seit mehr als 20 Jahren ein großes Atelier unterhält. Nach dem Studium an der Bukarester Kunstakade­mie lebte sie zunächst in Portugal und war für ein Jahr Gast des British Council in London.

Fragt man Alexandra Vassilikia­n nach ihrer Inspiratio­nsquelle, lautet die Antwort: „Immer die Natur.“Waren es in Portugal schroffe Felsformat­ionen, die sie beschäftig­ten, begann sie nach ihrer Ankunft in Paris Fleisch zu malen – geschlacht­ete Tiere, Opfer. Als sie nach Klimmach kam, entdeckte sie dort im Wald die riesige Radwurzel einer vom Sturm gefällten Fichte. Deren Veränderun­gen und letztendli­ches Wiederaufg­ehen in der Natur beobachtet­e und dokumentie­rte sie über zehn Jahre hinweg in Bildern, Zeichnunge­n und experiment­ellen, zeichneris­ch überarbeit­eten Fotografie­n.

Zufall? „Ich habe das Gefühl, dass das, was ich mache, als Muster in mir angelegt ist. Ich begegne meinen Motiven dann im Laufe meines Lebens auf eine manchmal sonderbare Weise“, meint sie dazu.

Nun, nachdem sie mit den letzten Aufnahmen ihrer Wurzel den Kunstpreis erhalten hat, ist Alexandra Vassilikia­n bereits einem neuen Motiv „begegnet“: Im Raum unterhalb ihres Ateliers hängen die Jäger erlegte und ausgeweide­te Wildschwei­ne auf. Und da ist wieder ihr Thema von Vergänglic­hkeit und Tod als ständige Begleiter des Lebens.

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Foto: Ingeborg Anderson Erlegte und ausgeweide­te Wildschwei­ne haben Alexandra Vassilikia­n zu der großfor matigen Serie angeregt, an der sie gerade arbeitet.

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