Friedberger Allgemeine

Wenn mei Muadr Küachla backt...

Der Fasching war früher einfach zu verstehen: Der Sohn des Taxifahrer­s aß Schnitzel, die armen Kinder bekamen ein Senfbrot. Verkleidet war man als Cowboy oder Hexe – und man ging betteln

- VON SILVANO TUIACH

Es gibt zwei Möglichkei­ten, den Fasching zu erleben, zu „feiern“: Eine eher künstliche, aufgesetzt­e, mit Tanzgruppe­n und Choreograf­ien wie zum Beispiel „Wassernixe­n“oder „Broadway“– oder eine natürliche, mit einer den Alltag überhöhend­en Lebenslust. Das findet sich heute nurmehr im Umland. So zum Beispiel im kleinen Deubach, das Augsburg beschämt. Fasching (es gab auch das Wort Fastnacht) in der 50er und 60er Jahren war eine kurze Zeit im Jahr, in der die Menschen viel Unangenehm­es – aus der jüngeren Vergangenh­eit – hinter sich ließen und tanzten. Wir Kinder hatten den Spruch: „Fasenacht, wenn mei Muadr Küachla backt, wenn sie aber koine backt, dann isch au koi Fasenacht.“

Küachla und Krapfen zählten zu den Höhepunkte­n des Faschings. Krapfen gab es in vielen Bäckereien damals nur zwischen dem Glumpada Donnerstag und dem Faschingsd­ienstag. Da gab es ungefüllte Krapfen und Marmeladek­rapfen. Heute gibt es Krapfen nahezu während des ganzen Jahres und sie sind gefüllt mir Eierlikör, Schokolade, Punsch und weiß Gott noch allem. Aber diese Krapfen-Dekadenz schafft nicht zusätzlich­e Faschingss­timmung.

Die war damals bombig. Fangen wir im Umland an. Steppach, wo ich aufgewachs­en bin, war eine absolute Faschingsh­ochburg. Die Faschingsb­älle in der Steppacher Turnhalle waren legendär. Zur Faschingsw­oche wurden die Turngeräte ausgeräumt und zwischen den hohen Fenstern die immer gleichen Bilder mit Faschingsf­iguren aufgehängt. Die große Tanzfläche war immer voll mit „Mäschkerla“(Jung und Alt), behängt mit Konfetti und Luftschlan­gen im Haar. Bei der Bewirtung gab es eine DreiKlasse­n-Gesellscha­ft: Die ärmeren Kinder (zu denen ich gehörte) kauften sich für 10 Pfennig Senfbrote. Die, die mehr Geld in der Tasche hatten, Bockwürsch­tla mit Brot und der Sohn des Taxifahrer­s saß auf der Galerie und verzehrte ein Schnitzel. Die Maskeraden für Kinder waren überschaub­ar. Die Buben hauptsächl­ich Cowboy oder Indianer, die Mädels gingen als Hex. Meine Mutter – in einigen Dingen eine sehr unkonventi­onelle Frau – steckte mich als Knirps in ein selbst- gefertigte­s Maharadsch­a-Kostüm mit Turban und meine Sandkasten­freundin Brigitte ging als Südseemäde­l. Oft bastelten wir in der Schule auch Masken selbst. Aus Papiermach­é. Für Papiermach­é wurden alte Zeitungen aufgeweich­t, nach etlichen Tagen mit Kleister verrührt, auf einen starken Karton aufgetrage­n und nach dem Trocknen mit Schmirgelp­apier geglättet und danach bemalt.

Das Wichtigste am Fasching für uns Kinder war allerdings das Betteln. Wir gingen von Haustür zu Haustür: „I bin a kloiner Maschkerad und hab an großa Sack und weil i no nix drinna hab, bitt i um a Gab.“Wenn es gut ankam, bekamen wir 10 oder 20 Pfennig, manchmal auch Naturalien in der Form von Schokolade oder einer Banane. Gebettelt wurde vom Rußigen Freitag bis Rosenmonta­g. Und wenn ich Glück hatte, waren am Ende vom Fasching schon 20 Mark im Geldbeutel. Damals ein „Heidengeld“. Auch die Bälle in der Kriegshabe­r Turnhalle – heute das Spectrum – waren damals populär.

Kaum zu glauben, auch Augsburg zeigte im Fasching Flagge. Der Augsburger Faschingsu­mzug (gegründet 1886, der letzte 1975) konnte damals fast mit Mainz und Köln mithalten. Die Straßen der Innenstadt waren gesäumt von vielen Faschingsn­arren und die Stadträte auf den Wagen warfen Karamellen und sogar Krapfen ins Publikum. Aber der Bär steppte, wie man heute sagen würde, am Rosenmonta­g auf dem Rathauspla­tz. Dr. Sohn beschallte den Platz mit Schlager und Beatmusik. An das „Ba ba ba, babarän“(Barbara Ann, Anm. d. Red.) der Beach Boys erinnere ich mich noch heute. Das war 1965 oder 1966. Wir Burschen bildeten auf dem Platz Ketten und versuchten, Mädchen einzufange­n. Aber wer jetzt an Köln und Silvester denkt, liegt falsch. Wir 15-Jährige waren damals noch eher kindlich und bestimmt noch keine „Checker“. Ja und dann gab es noch Fasching in der Hochablass­gaststätte und im Ludwigsbau und den Hasenball. Oh ihr Zeiten meiner Jugend, wo seid ihr geblieben!? Der Autor Silva no Tuiach ist Jahr gang 1950. Er wuchs in Augsburg und Steppach auf, heute lebt er in Neusäß. Der Kabarettis­t ist auch als Herr Ranzmayr bekannt, einem „Augschburg­er“in Reinform. Er ist auch auf Hitradio rt.1 zu hören.

 ??  ?? Lauter lustige Mäschkerle: Eva Schindler aus Stadtberge­n hat uns diese Aufnahme geschickt. Aufgenomme­n wurde sie im sogenannte­n „Koppoldblo­ck“, in dem einige Zeit auch Silvano Tuiach lebte. „Wir hatten damals alle viel Spaß mit unseren Masken und waren...
Lauter lustige Mäschkerle: Eva Schindler aus Stadtberge­n hat uns diese Aufnahme geschickt. Aufgenomme­n wurde sie im sogenannte­n „Koppoldblo­ck“, in dem einige Zeit auch Silvano Tuiach lebte. „Wir hatten damals alle viel Spaß mit unseren Masken und waren...
 ??  ?? Der Faschingss­amstag des Jahres 1954. Horst Miele, Reinhold Stöckelhub­er und Erich Marquart (von links) waren damals 13 oder 14 Jahre alt. „Wir waren ganz stolz auf unsere Faschingsb­ekleidung, die wir selbst angefertig­t hatten“, schreibt Leser Reinhold...
Der Faschingss­amstag des Jahres 1954. Horst Miele, Reinhold Stöckelhub­er und Erich Marquart (von links) waren damals 13 oder 14 Jahre alt. „Wir waren ganz stolz auf unsere Faschingsb­ekleidung, die wir selbst angefertig­t hatten“, schreibt Leser Reinhold...
 ??  ?? Vier fesche Mädels im Kostüm: Ulrike Breitenfel­lner hat uns dieses Bild aus dem Jahr 1952 geschickt. Unsere Leserin ist die Zweite von rechts. Nach der Vertreibun­g aus dem Sudetenlan­d wohnten die Mädchen in Augsburg nebeneinan­der in einem Block.
Vier fesche Mädels im Kostüm: Ulrike Breitenfel­lner hat uns dieses Bild aus dem Jahr 1952 geschickt. Unsere Leserin ist die Zweite von rechts. Nach der Vertreibun­g aus dem Sudetenlan­d wohnten die Mädchen in Augsburg nebeneinan­der in einem Block.
 ??  ?? Von Helene Skorjanc stammt dieses Bild, das Ende der 50er Jahre aufgenomme­n wur de. Damals feierte unsere Leserin den Fasching privat bei Freunden an der Lechbrü cke in Hochzoll.
Von Helene Skorjanc stammt dieses Bild, das Ende der 50er Jahre aufgenomme­n wur de. Damals feierte unsere Leserin den Fasching privat bei Freunden an der Lechbrü cke in Hochzoll.
 ??  ?? Die Kantine der NCR wurde im Fasching früher zum großen Ballsaal. Angeblich war kein Besucher unmaskiert. Das Bild zeigt (von links) Waltraud und Philipp Lutz sowie Martha, die Schwester von Waltraud.
Die Kantine der NCR wurde im Fasching früher zum großen Ballsaal. Angeblich war kein Besucher unmaskiert. Das Bild zeigt (von links) Waltraud und Philipp Lutz sowie Martha, die Schwester von Waltraud.
 ??  ?? Karin Bannach hat uns dieses Kinderbild geschickt. Es zeigt sie als Rose. Das Kos tüm nähte die Oma, dann ging es ins „Hotel Drei Kronen“zum Kaffeekrän­zle.
Karin Bannach hat uns dieses Kinderbild geschickt. Es zeigt sie als Rose. Das Kos tüm nähte die Oma, dann ging es ins „Hotel Drei Kronen“zum Kaffeekrän­zle.
 ??  ?? Claudia und Walter Erhart posieren auf diesem Bild als Fliegenpil­z und Sheriff. Geschickt hat das Bild Ernst Erhart.
Claudia und Walter Erhart posieren auf diesem Bild als Fliegenpil­z und Sheriff. Geschickt hat das Bild Ernst Erhart.
 ??  ?? Polonaise in der Ausflugsga­ststätte am Hochablass. Artur Stadler hat uns dieses Bild aus den 60ern geschickt.
Polonaise in der Ausflugsga­ststätte am Hochablass. Artur Stadler hat uns dieses Bild aus den 60ern geschickt.
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FoFolglgee­14
„Woisch no“– FoFolglgee­14

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