Wenn mei Muadr Küachla backt...
Der Fasching war früher einfach zu verstehen: Der Sohn des Taxifahrers aß Schnitzel, die armen Kinder bekamen ein Senfbrot. Verkleidet war man als Cowboy oder Hexe – und man ging betteln
Es gibt zwei Möglichkeiten, den Fasching zu erleben, zu „feiern“: Eine eher künstliche, aufgesetzte, mit Tanzgruppen und Choreografien wie zum Beispiel „Wassernixen“oder „Broadway“– oder eine natürliche, mit einer den Alltag überhöhenden Lebenslust. Das findet sich heute nurmehr im Umland. So zum Beispiel im kleinen Deubach, das Augsburg beschämt. Fasching (es gab auch das Wort Fastnacht) in der 50er und 60er Jahren war eine kurze Zeit im Jahr, in der die Menschen viel Unangenehmes – aus der jüngeren Vergangenheit – hinter sich ließen und tanzten. Wir Kinder hatten den Spruch: „Fasenacht, wenn mei Muadr Küachla backt, wenn sie aber koine backt, dann isch au koi Fasenacht.“
Küachla und Krapfen zählten zu den Höhepunkten des Faschings. Krapfen gab es in vielen Bäckereien damals nur zwischen dem Glumpada Donnerstag und dem Faschingsdienstag. Da gab es ungefüllte Krapfen und Marmeladekrapfen. Heute gibt es Krapfen nahezu während des ganzen Jahres und sie sind gefüllt mir Eierlikör, Schokolade, Punsch und weiß Gott noch allem. Aber diese Krapfen-Dekadenz schafft nicht zusätzliche Faschingsstimmung.
Die war damals bombig. Fangen wir im Umland an. Steppach, wo ich aufgewachsen bin, war eine absolute Faschingshochburg. Die Faschingsbälle in der Steppacher Turnhalle waren legendär. Zur Faschingswoche wurden die Turngeräte ausgeräumt und zwischen den hohen Fenstern die immer gleichen Bilder mit Faschingsfiguren aufgehängt. Die große Tanzfläche war immer voll mit „Mäschkerla“(Jung und Alt), behängt mit Konfetti und Luftschlangen im Haar. Bei der Bewirtung gab es eine DreiKlassen-Gesellschaft: Die ärmeren Kinder (zu denen ich gehörte) kauften sich für 10 Pfennig Senfbrote. Die, die mehr Geld in der Tasche hatten, Bockwürschtla mit Brot und der Sohn des Taxifahrers saß auf der Galerie und verzehrte ein Schnitzel. Die Maskeraden für Kinder waren überschaubar. Die Buben hauptsächlich Cowboy oder Indianer, die Mädels gingen als Hex. Meine Mutter – in einigen Dingen eine sehr unkonventionelle Frau – steckte mich als Knirps in ein selbst- gefertigtes Maharadscha-Kostüm mit Turban und meine Sandkastenfreundin Brigitte ging als Südseemädel. Oft bastelten wir in der Schule auch Masken selbst. Aus Papiermaché. Für Papiermaché wurden alte Zeitungen aufgeweicht, nach etlichen Tagen mit Kleister verrührt, auf einen starken Karton aufgetragen und nach dem Trocknen mit Schmirgelpapier geglättet und danach bemalt.
Das Wichtigste am Fasching für uns Kinder war allerdings das Betteln. Wir gingen von Haustür zu Haustür: „I bin a kloiner Maschkerad und hab an großa Sack und weil i no nix drinna hab, bitt i um a Gab.“Wenn es gut ankam, bekamen wir 10 oder 20 Pfennig, manchmal auch Naturalien in der Form von Schokolade oder einer Banane. Gebettelt wurde vom Rußigen Freitag bis Rosenmontag. Und wenn ich Glück hatte, waren am Ende vom Fasching schon 20 Mark im Geldbeutel. Damals ein „Heidengeld“. Auch die Bälle in der Kriegshaber Turnhalle – heute das Spectrum – waren damals populär.
Kaum zu glauben, auch Augsburg zeigte im Fasching Flagge. Der Augsburger Faschingsumzug (gegründet 1886, der letzte 1975) konnte damals fast mit Mainz und Köln mithalten. Die Straßen der Innenstadt waren gesäumt von vielen Faschingsnarren und die Stadträte auf den Wagen warfen Karamellen und sogar Krapfen ins Publikum. Aber der Bär steppte, wie man heute sagen würde, am Rosenmontag auf dem Rathausplatz. Dr. Sohn beschallte den Platz mit Schlager und Beatmusik. An das „Ba ba ba, babarän“(Barbara Ann, Anm. d. Red.) der Beach Boys erinnere ich mich noch heute. Das war 1965 oder 1966. Wir Burschen bildeten auf dem Platz Ketten und versuchten, Mädchen einzufangen. Aber wer jetzt an Köln und Silvester denkt, liegt falsch. Wir 15-Jährige waren damals noch eher kindlich und bestimmt noch keine „Checker“. Ja und dann gab es noch Fasching in der Hochablassgaststätte und im Ludwigsbau und den Hasenball. Oh ihr Zeiten meiner Jugend, wo seid ihr geblieben!? Der Autor Silva no Tuiach ist Jahr gang 1950. Er wuchs in Augsburg und Steppach auf, heute lebt er in Neusäß. Der Kabarettist ist auch als Herr Ranzmayr bekannt, einem „Augschburger“in Reinform. Er ist auch auf Hitradio rt.1 zu hören.