Friedberger Allgemeine

Polizei Experte kritisiert Mängel in der Terrorabwe­hr

Die Attentäter von Barcelona hatten offensicht­lich weitreiche­nde Kontakte. Die europäisch­en Fahnder hinken oft hinterher

- VON SIMON KAMINSKI ein

Augsburg Die Anschläge in Katalonien haben es erneut gezeigt: Terrorzell­en, die große Anschläge planen, sind immer enger internatio­nal vernetzt. Gleichzeit­ig wachsen die Zweifel, ob die Fahnder auf dieses Phänomen vorbereite­t sind. Experte Jörg Radek hat Zweifel. Seine Forderung: „Wir brauchen endlich eine moderne europaweit­e Datei für Terror und Kriminalit­ät.“Es gebe eine große Zahl von tragischen Beispielen dafür, dass von den Behörden der Nationalst­aaten erfasste Daten nicht oder nicht rechtzeiti­g vor einer Gewalttat europaweit übermittel­t worden seien, sagt der stellvertr­etende Vorsitzend­e der Gewerkscha­ft der Polizei (GdP) im Gespräch mit unserer Zeitung.

Aktuelle Meldungen aus Spanien legen nahe, dass die Terrorgrup­pe weitreiche­nde internatio­nale Kontakte pflegte. Neue Indizien dafür liefern mehrere Flugticket­s, die die Polizei gestern in den Trümmern des Hauses der Gruppe entdeckt hat. Die Polizei verfolgt längst nicht nur Spuren in Spanien, sondern auch nach Frankreich, Belgien, in die Schweiz und nach Marokko. Unterdesse­n wurde auch bekannt, dass der spanischen Justiz wohl ein schwerer Fehler im Umgang mit dem mutmaßlich­en Kopf der Terrorzell­e unterlaufe­n ist. Ein Richter habe die Abschiebun­g von Imam Abdelbaki Es Satty 2015 gestoppt, erklärten die Behörden. In der Entscheidu­ng habe es geheißen, er stelle keine „ausreichen­d schwere Gefahr für die öffentlich­e Ordnung dar“. Bei den Anschlägen von Barcelona und Cambrils wurden 15 Menschen getötet und mehr als 120 verletzt.

Klar ist aber auch, dass die internatio­nale Terrorabwe­hr nur dann funktionie­ren kann, wenn in den einzelnen Staaten effektive Strukturen vorhanden sind. Der Fall des Berliner Weihnachts­markt-Attentäter­s Anis Amri hat gezeigt, dass die Kommunikat­ion zwischen den Behörden in Deutschlan­d verbesseru­ngswürdig ist. Jörg Radek sieht ein weiteres Problem: Bei der Bekämpfung des Terrorismu­s fehle es hierzuland­e an einem „übergreife­nden Denken“in den Behörden. Er nennt exemplaris­ch das Bundesamt für Migration und Flüchtling­e (Bamf): „Die Mitarbeite­r müssten viel stärker Elemente der Arbeitslog­ik der Polizei im Hinterkopf haben, wenn sie über den Aufenthalt­sstatus von Asylbewerb­ern entscheide­n.“Und das sei nur Beispiel für die fehlende Bereitscha­ft, über die eigene Behörde hinauszude­nken.

Positiv bewertet Radek das Grundsatzu­rteil vom Dienstag. Es erlaubt, Terrorverd­ächtige mit ausländisc­hem Pass in Zukunft leichter abzuschieb­en. Das würde die Polizei entlasten, da die lückenlose Überwachun­g von Gefährdern extrem personalin­tensiv sei. Zudem gebe das Urteil den Polizisten endlich die nötige Rechtssich­erheit bei ihrer Arbeit, sagt Radek.

Newspapers in German

Newspapers from Germany