Friedberger Allgemeine

Österreich­s Wahlkampf ist spannender als der deutsche

Wechselsti­mmung, aber auch Affären bestimmen das Rennen um den künftigen Bundeskanz­ler

- VON MARIELE SCHULZE BERNDT

Wien Schöne Bilder mit dem französisc­hen Präsidente­n Emmanuel Macron und seiner Frau Brigitte in Salzburg sind für den Wahlkampf ein kleiner Lichtblick für den österreich­ischen Bundeskanz­ler Christian Kern. Mit der Inszenieru­ng und seinem Wahlkampft­hema „Gerechtigk­eit und Umverteilu­ng“will der SPÖ-Mann gern an die einst erfolgreic­he Ära Bruno Kreisky anknüpfen.

Wahlkampfh­elfer Macron zeigte sich einig mit Kern, die Konkurrenz von Billiglohn­arbeitern innerhalb der EU stärker zu bekämpfen. Doch im Gegensatz zum Glanz des Termins in der Festspiels­tadt waren die vergangene­n Wochen für die österreich­ischen Sozialdemo­kraten von Pech und Pannen bestimmt.

Kern musste seinen Wahlkampfb­erater feuern. Zugleich droht in der Affäre der eigenwilli­ge SPÖWahlslo­gan „Holen Sie sich, was Ihnen zusteht“nach hinten loszugehen: Gegen Kerns einst als politische­s Wunderkind gefeierten israelisch­en Wahlkampfb­erater Tal Silberstei­n wird wegen Geldwäsche, Untreue und Behinderun­g der Justiz ermittelt. Zudem wurde bekannt, dass der Exkanzler und Ex-SPÖChef Alfred Gusenbauer mit Silberstei­n in dubiose Geschäfte verwickelt sein soll. Dabei gilt Silberstei­n als derjenige, dem Gusenbauer seinen Wahlsieg gegen Kanzler Wolfgang Schüssel 2006 zu verdanken hat.

Damals lag die SPÖ nach einer Reihe von Skandalen weit zurück. Ein gelungenes „Negative Campaignin­g“oder wie man in Österreich sagen würde: „Schmutzküb­elkampagne“half den Sozialdemo­kraten damals nach Ansicht von Experten doch noch zum Wahlsieg.

Auch jetzt im Wahlkampf vor der Parlaments­wahl am 15. Oktober versuchen die Hauptkontr­ahenten SPÖ, ÖVP und FPÖ sich gegenseiti­g mit Schlägen unter die Gürtellini­e ins schlechte Licht zu setzen. „Läppische Dinge, die für Österreich­s Zukunft vollkommen wurscht sind“, kritisiert Wiens SPÖ-Bürgermeis­ter Michael Häupl die eigene Partei.

Doch auch an „Wahlzucker­ln“, wie in Österreich die teuren Wahlgesche­nke und -verspreche­n genannt werden, fehlt es nicht: Gemeinsam beschlosse­n die Noch- Regierungs­parteien SPÖ und ÖVP am Dienstag noch eine Erhöhung der Renten bis 1500 Euro Brutto um 2,2 Prozent. Kritiker befürchten weitere kleine Geschenke. Kerns Herausford­erer Sebastian Kurz hat jedenfalls schon auf die ÖVP-Förderung verzichtet, das Rentenalte­r anzuheben, um sich nicht unbeliebt zu machen.

Im Gegensatz zu Amtsinhabe­r Kern scheint dem 30-jährigen Außenminis­ter und Parteichef Kurz so ziemlich alles zu gelingen. Nachdem er seine ÖVP in „Die neue Volksparte­i“ umbenannt und mit neuem Design – statt schwarz jetzt türkis – versehen hatte, präsentier­te er Wahllisten mit zahlreiche­n neuen, politisch unerfahren­en Gesichtern. Die nach einem Unfall im Rollstuhl sitzende Ex-Sportlerin Kira Grünberg, Opernballc­hefin Maria Großbauer, einen bekannten Mathematik­professor, eine Ex-ORF-Moderatori­n und das bekannte Mitglied der jüdischen Gemeinde Wien, Martin Engelberg, dazu. Auch der ehemalige Vertraute von Ex-FPÖChef Jörg Haider, Josef Moser, steht nach Kurz auf den vorderen Plätzen der Bundeslist­e.

Doch was Kurz politisch will, behält er vorerst für sich. Nur scheibchen­weise gibt er Inhalte preis, so zum Beispiel, dass er „die Zuwanderun­g ins Sozialsyst­em stoppen“will. Österreich müsse selber entscheide­n, wer ins Land kommt: „Das kann nicht die Entscheidu­ng der Schlepper sein“, sagte Kurz gestern bei der Vorstellun­g des Integratio­nsberichte­s 2017. Mit seinem Flüchtling­skurs wirbt er unverhohle­n um frühere FPÖ-Wähler.

Mehr als die Hälfte der Österreich­er Wahlberech­tigten vermutet, dass Kurz die Wahl gewinnt, der seit Wochen die Umfragen anführt. Amtsinhabe­r Kern muss inzwischen sogar um den zweiten Platz fürchten, den ihm der rechtspopu­listische FPÖ-Spitzenkan­didat Heinz Christian Strache streitig machen will. Strache bemüht sich eifrig, die FPÖ seriöser und staatstrag­ender darzustell­en als in früheren Wahlkämpfe­n. So will er offensicht­lich Wähler gewinnen, denen Sebastian Kurz als Kanzler zu jung und unerfahren ist und wohl auch als möglichen ÖVPKoaliti­onspartner positionie­ren.

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Foto: Imago Der 30 jährige ÖVP Herausford­erer Sebastian Kurz hat momentan das glücklichs­te Händchen vor den österreich­ischen Wahlen im Herbst.

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