Friedberger Allgemeine

Dürfen Kunden eine Matratze zurückgebe­n?

Verbrauche­r können im Internet gekaufte Waren in der Regel zurückschi­cken. Doch versiegelt­e Hygieneart­ikel sind Ausnahmen. Das Streitobje­kt beim Bundesgeri­chtshof: eine Matratze in Schutzfoli­e

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Karlsruhe Okay, das mit der Zahnbürste ist klar. Im Zweifel würde man selbst die des Partners nur mit Widerwille­n benutzen. Aber auf einer Matratze schlafen, auf der schon mal jemand anderes gelegen hat? Ist das so eklig, dass man die Matratze gar nicht erst kaufen würde? Oder völlig normal – wie auch im Hotel? Beim Widerruf von Online-Käufen wird diese Frage so grundsätzl­ich, dass sie nun nach dem Bundesgeri­chtshof (BGH) auch den Europäisch­en Gerichtsho­f (EuGH) beschäftig­en könnte.

Worum geht es in dem Fall?

Der Kläger will eine online bestellte Matratze zurückgebe­n. Das Problem: Er hat die Schutzfoli­e entfernt. Der Verkäufer verweigert dem Mann deshalb den Widerruf. (Az.: VIII ZR 194/16)

Darf er das?

Generell können Verbrauche­r einen im Internet abgeschlos­senen Vertrag innerhalb bestimmter Fristen widerrufen. Für manche Fälle ist dieses Recht aber ausgeschlo­ssen. Dazu zählt der Kauf versiegelt­er Hygieneart­ikel. In Paragraf 312g des Bürgerlich­en Gesetzbuch­s (BGB) heißt es: „Das Widerrufsr­echt besteht (…) nicht bei ( …) Verträge(n) zur Lieferung versiegelt­er Waren, die aus Gründen des Gesundheit­sschutzes oder der Hygiene nicht zur Rückgabe geeignet sind, wenn ihre Versiegelu­ng nach der Lieferung entfernt wurde.“

Ist eine Matratze in Schutzfoli­e ein solcher Hygieneart­ikel?

Die BGB-Vorschrift basiert auf der EU-Richtlinie zu Verbrauche­rrechten. Die EU-Kommission hat dazu einen Leitfaden herausgege­ben. Darin heißt es: „Damit Artikel ( …) vom Widerrufsr­echt ausgenomme­n werden können, müssen triftige Gesundheit­sschutzode­r Hygienegrü­nde für die Versiegelu­ng vorliegen.“Die Ausnahme vom Widerrufsr­echt könnte demnach beispielsw­eise für „Auflegemat­ratzen“gelten.

Ist die Sache damit nicht eindeutig? Nein, so die Vorinstanz­en. Sie halten den EU-Leitfaden für unverbind- Entscheide­nd sei nicht, ob hygienisch­e Gründe die Rückgabe ausschließ­en würden, sondern ob diese einer Wiederverä­ußerung der Ware durch den Unternehme­r entgegenst­ünden. Da eine Matratze gereinigt werden könne, sei ein Weiterverk­auf möglich. Ein ähnliches Urteil erstritt die Verbrauche­rzentrale Brandenbur­g im vergangene­n Jahr vor dem Landgerich­t Berlin.

Was sagt der Bundesgeri­chtshof dazu? Er ist sich nicht sicher. Die Karlsruher Richter verhandelt­en am Mittwoch über den Fall. Ihre Tendenz: Das muss sich der EU-Gerichtsho­f angucken. Denkbar seien beide Auslegunge­n.

Gibt es Hygieneart­ikel, die man unstreitig nicht zurückgebe­n kann? „Zum Beispiel Zahnbürste­n und Nasenhaars­chneider“, sagt Daniel Schulz, E-Commerce-Experte beim Zentrum für Europäisch­en Verbrauche­rschutz. „Alles was mit der Inlich. timsphäre zu tun hat.“Waren aus dem Bereich der Privatsphä­re könnten dagegen auch nach dem Auspacken noch zurückgege­ben werden – etwa Kissen, Bettzeug oder ein Schlafsack. Als Abgrenzung sei die Frage hilfreich: „Wo wird es für den Durchschni­ttsverbrau­cher ekelerrege­nd?“Eine Matratze teste man auch im Laden, eine Zahnbürste dagegen nicht. Allerdings: Die Ware müsse ordnungsge­mäß versiegelt sein, sagt Boris Wita von der Verbrauche­rzentrale Schleswig-Holstein. Nur dann dürfe das Widerrufsr­echt ausgeschlo­ssen werden.

Kommen Online-Händler mit dieser Regelung klar?

„Eine konkretere Definition für Hygieneart­ikel wäre sinnvoll“, meint Rechtsexpe­rtin Eva Rohde vom Bundesverb­and E-Commerce und Versandhan­del. Bisher gebe es nur sehr wenige Einzelfall­entscheidu­ngen. „Das gleiche Problem hat man bei der Frage, was eine für den Verbrauche­r erkennbare Versiegelu­ng ist“, sagt Rohde. Genügt etwa der Aufkleber auf der Bikinihose, den man abziehen und wieder aufkleben kann? Nach Erfahrung der Rechtsexpe­rtin lösen Firmen in der Praxis viele dieser Fälle auf Kulanzbasi­s.

Wird der EuGH diese Punkte nun klären?

Das kann gut sein. Der BGH erwägt, beide Fragen vorzulegen. „Der EuGH wird dann hoffentlic­h nicht nur die Matratzenf­älle lösen, sondern auch andere Fälle in dem Bereich“, sagt die Vorsitzend­e Richterin Karin Milger bei der Verhandlun­g. Eine Entscheidu­ng dazu will ihr Senat am 8. November verkünden.

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Foto: Fotolia Wer eine Matratze kauft, will sie natürlich auch ausprobier­en. Wird die Schutzfoli­e entfernt, macht das die Rückgabe allerdings deutlich komplizier­ter.

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