Friedberger Allgemeine

Ein Affront gegen Front National

Lucas Belvaux über „Das ist unser Land“

- Interview: Martin Schwickert

Wie nah an der Realität ist Paulines Geschichte in Ihrem Film – eine eher unpolitisc­he Frau, die von den Rechtspopu­listen als Kandidatin vor den Karren der Partei gespannt wird? Belvaux: Das kommt in der Tat vor. Der Front National sucht für seine Kandidaten­liste gezielt nach Menschen „aus dem Volk“. Im Kern besteht der Front National ja aus Funktionär­en und einigen militanten Rechten. Aber um im Wahlkampf in die Breite gehen zu können, suchen sie Kandidaten vor Ort, die bisher nicht in Verbindung zur Partei standen.

Wie schwer ist es, einen Film so nah an der politische­n Realität zu machen, ohne von den Anwälten des Front Nationale verklagt zu werden? Belvaux: Es gibt das Recht auf künstleris­che Freiheit und solange man keine Verleumdun­gen verbreitet oder Rufmord begeht, hat man nichts zu befürchten.

Der Front National hat zum Boykott von „Das ist unser Land“aufgerufen. War das eine gute Werbung? Belvaux: Es gab beim Start starke, verbale Attacken und das hatte natürlich einen großen Effekt auf die Rezeption des Filmes. Der „Front National“hat den Film für sich vereinnahm­t, indem er ihn verteufelt­e und als Vehikel benutzte, um über die eigenen

Themen zu sprechen. Das hat dazu geführt, dass die Wähler des „Front National“sich den Film nicht angesehen haben. Die Partei hat meinen Film als Propaganda bezeichnet, während ich ihn als politische­s Zeugnis betrachte.

Glauben Sie, dass der Film die Wahlen beeinfluss­t hat?

Belvaux: Er war sicherlich ein wichtiger Beitrag zur politische Diskussion in Frankreich, aber ich bezweifle, dass mein Film Einfluss auf den Wahlausgan­g hatte. Das Kino kann nur auf lange Sicht mit einem eigenen, vielfältig­en Diskurs zu diesem Thema etwas bewegen.

Als Sie das erste Mal über den Film nachgedach­t haben: Hätten Sie geahnt, dass das Thema eine solch brennende Relevanz bekommt?

Lucas Belvaux: Die erste Idee zum Film hatte ich lange vor der französisc­hen Präsidents­chaftswahl. Denn schon bei den Regionalwa­hlen im Dezember 2015 hatte der „Front National“erschrecke­nd hohe Ergebnisse. Seit Marine Le Pen die Führung des „Front National“übernommen hat, hat sich das Image der Partei stark verändert. Man nimmt sie in Frankreich nicht mehr unbedingt als rechtsextr­emistische Partei wahr. Ich wollte zeigen, dass der „Front National“immer noch eine rechtsextr­emistische, populistis­che Partei ist und warum.

Warum hat es so lange gedauert, bis das französisc­he Kino sich zu diesem Thema äußert. Es ist nicht erst seit gestern eines der wichtigste­n im Land. Belvaux: Das kann ich Ihnen nicht sagen. Es erstaunt mich selbst. Aber dabei geht es nicht nur um das Thema „Front National“, sondern generell um das politische Kino in Frankreich, das einen relativ schlechten Ruf hat. Es gibt kaum noch Filme, die sich ins politische Geschehen einmischen wollen.

» Das ist unser Land (1 Std. 57 Min.), Drama, Frankreich, 2017

Wertung *****

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Foto: P. Seeger, dpa Lucas Belvaux
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