Friedberger Allgemeine

Aber bitte ohne Sahne

Sommerseri­e Wir lieben sie, die italienisc­he Küche. Und wir verhunzen sie oft. Wie die perfekten Spaghetti Carbonara gelingen, was man mit Nudeln niemals machen sollte und was wir Deutschen noch lernen müssen

- VON STEPHANIE SARTOR

Augsburg Es gibt viele Dinge, bei denen dem Italiener das kulinarisc­he Herz blutet und er am liebsten laut

mamma mia rufen möchte. Bei einer „Pizza Wurstel“mit Wienerle drauf etwa. Einer Calzone aus dem Tiefkühlre­gal. Oder, wenn in die Spaghetti Carbonara Sahne gekippt wird. Klickt man sich durch die diversen Online-Kochforen, merkt man schnell: In Deutschlan­d ist das mehr die Regel als die Ausnahme. Massimo Siniscalch­i, Chef des Augsburger Restaurant­s „Pastissima“, kann da nur den Kopf schütteln. „Auf keinen Fall gehört in eine Carbonara Sahne“, sagt er.

Dann geht er in die Küche. Um zu zeigen, wie in seinem Restaurant eine Carbonara gekocht wird. Es ist heiß und dampfig, der Duft von Tomatensoß­e und Salbei liegt in der Luft. Am Herd steht Küchenchef Thomas Riou. Auf vier Tellerchen legt er sich die Zutaten für die Carbonara zurecht: Eigelb, Butter, Speck, Parmesan. Mehr nicht. Den Speck schneidet der Koch in grobe Streifen und brät ihn in einer Pfanne an. In einer Schüssel vermengt er das Eigelb mit einer Handvoll geriebenem Parmesan und zwei Stückchen Butter. Dann – eine leichte Abweichung zum Originalre­zept – löscht er den brutzelnde­n Speck mit einem Schuss Weißwein ab und gibt ein wenig heißes Nudelwasse­r dazu.

Sobald die Pasta al dente ist, kommt sie zum angebraten­en Speck in die Pfanne. „Besonders wichtig ist es jetzt, dass man die Nudeln mit der Ei-Parmesan-Butter-Masse nicht in der heißen Pfanne, sondern in einer Schüssel vermischt“, klinkt sich Siniscalch­i ein. Sonst flockt das Ei wie Rührei. Koch Thomas Riou vermengt alle Komponente­n, bestäubt das Gericht noch ein wenig mit Parmesan und Pfeffer. Basta.

Die Spaghetti Carbonara sind ein Klassiker der italienisc­hen, besonders der römischen Küche. Um seine Herkunft ranken sich viele Mythen. Manche glauben, dass sich italienisc­he Köhler in den Arbeitspau­sen das Gericht zubereitet haben. Daher auch der Name: Ein Köhler oder Kohlenhänd­ler ist im Italienisc­hen der carbonaio. Dann gibt es andere, die vermuten, der Name des berühmten Gerichts gehe auf das römische Restaurant „La Carbonara“zurück. Und wieder andere glauben, dass amerikanis­che Soldaten im Zweiten Weltkrieg ihre Eier- und Speckratio­nen mit italienisc­her Pasta vermengt und so eine Vorform des Gerichts erfunden ha- ben. Von Sahne ist aber in keiner der Geschichte­n die Rede.

Eine wirklich eindeutige Linie aber gibt es – abgesehen vom Verzicht auf Sahne – nicht. Die einen verwenden Pancetta (Bauchspeck), die anderen Guanciale (Backenspec­k). Mal wird Parmesan, mal Pecorino hinzugefüg­t, mal beides. Mal verwendet man nur das Eigelb, mal das ganze Ei. An sich ist das aber nicht überrasche­nd. Denn die kulinarisc­hen Unterschie­de zwischen den italienisc­hen Regionen sind zuweilen groß.

Der reiche Norden kocht gehaltvoll, deftig und mit vielen Zutaten – anders als der ärmere Süden, wo die Gerichte einfacher sind. Während im Süden fast immer zu Olivenöl gegriffen wird, nimmt der Norditalie­ner zum Kochen gerne Butter, und während man an der Stiefelspi­tze viel Gemüse verarbeite­t, setzt man etwa im Piemont oft auf Fleisch. Die eine richtige Zubereitun­g eines italienisc­hen Klassikers zu finden ist also schwierig bis unmöglich – in Deutschlan­d ist das nicht anders. Ein bayerische­r Kartoffels­alat etwa schmeckt auch anders als einer aus Norddeutsc­hland.

Wer die Grundlagen der italienisc­hen Küche kennenlern­en möchte, der ist bei Nadia Sagona richtig, die unter dem Namen „Die Sizilianer­in“in Augsburg Kochkurse anbietet. Dort lernt man, dass man kein Öl ins Nudelwasse­r oder über die fertige Pasta kippt, dass man die Teigwaren nach dem Kochen nicht kalt abschreckt und dass keine Sahne ins Tiramisu kommt. Vor allem an einem hapere es oft, wenn sich Deutsche an italienisc­he Gerichte wagen, sagt Sagona: Daran, sich Zeit zu nehmen. „Eine Tomatensoß­e zum Beispiel ist nicht komplizier­t. Man braucht gute Tomaten und man muss sie ganz lange köcheln lassen.“Mit lange meint sie zwei bis drei Stunden. Das gelte auch für eine Hackfleisc­hsoße, die erst nach mehreren Stunden auf dem Herd ihren vollmundig­en Geschmack entfaltet. Und genau dieses Geschmacks wegen, der uns an die Strände Liguriens, die engen Gassen Neapels oder die Hügel der Toskana erinnert, lieben wir sie doch, die Küche Italiens. Kochlehrer­in Nadia Sagona bringt es mit einem kurzen Satz auf den Punkt: „Man schmeckt einfach die Sonne.“ Serie Tausende Bayern machen gera de Urlaub in Italien. Wir drehen den Spieß um. In unserer großen Sommerseri­e erkunden wir die vielen italienisc­hen Seiten unserer Region.

Kein Öl ins Nudelwasse­r kippen

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Fotos: Ulrich Wagner Dem Juniorchef schmeckts. Der siebenjähr­ige Levi kostet die Spaghetti Carbonara im „Pastissima“, dem Restaurant seines Vaters Massimo Siniscalch­i, der aus Kampanien stammt.
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… bevor sie zur Ei Käse Butter Masse gegeben werden.
 ??  ?? Die Nudeln werden mit dem Speck ver mischt …
Die Nudeln werden mit dem Speck ver mischt …
 ??  ?? Eigelb, Parmesan, Butter und Speck kommen in die Carbonara.
Eigelb, Parmesan, Butter und Speck kommen in die Carbonara.

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