Friedberger Allgemeine

Was kommt nach dem Knast?

Dominik war 20, als er wegen mehrfachen Diebstahls ins Gefängnis musste. Mittlerwei­le ist er wieder frei und versucht, im normalen Leben Fuß zu fassen. Die Haft, sagt er, habe ihn verändert

- VON JAN KANDZORA

Dominik hat Mist gebaut, das weiß er selbst. Hätte er keinen Mist gebaut, säße er an diesem Tag nicht hier, in einem Besprechun­gsraum im Bodelschwi­ngh-Haus in Augsburg. Eine Einrichtun­g, die Menschen wie Dominik auf dem Weg ins normale Leben helfen will. Eine Einrichtun­g für Männer ab 21 Jahren, die aus dem Gefängnis entlassen wurden und von „Straffälli­gkeit bedroht sind“, wie es auf der Homepage heißt. Dominik saß im Knast, 15 lange Monate lang, wenn man die Untersuchu­ngshaft mit einbezieht. Das ist nicht von alleine passiert.

Vielleicht fing es damit an, dass er an die falschen Leute geriet. Bekannte, denen es eher weniger wichtig war, die Gesetze zu achten. Er sei ein „Mitläufer“gewesen, sagt er. Vielleicht lag es auch daran, dass er damals ziemlich ziellos durchs Leben trieb. So genau kann er es nicht sagen. Aber er weiß, wo es endete: in einer Zelle in einer Justizvoll­zugsanstal­t in der Region, in der männliche Jugendlich­e und Heranwachs­ende einsitzen.

Dominik, der aus Augsburg kommt und eigentlich anders heißt, war 20, als er ins Gefängnis musste. Das ist die Zeit, in der junge Männer im Normalfall studieren oder im Berufslebe­n Fuß fassen, vielleicht auch in eine neue Stadt ziehen, das Leben entdecken. Über „Los“gehen, ein wenig wie bei Monopoly. Dominik ging nicht über Los, er bekam keine 4000 Euro, er ging ins Gefängnis, er ging direkt dorthin. Sein Leben kam mehr als ein Jahr lang zum Stillstand. Es lag nicht daran, dass er die falsche Karte gezogen hatte.

2015 war er am Amtsgerich­t zu einer Haftstrafe ohne Bewährung verurteilt worden. Er hatte viel Geld gestohlen, 15000 Euro seien es insgesamt gewesen, sagt er, aus Geldkasset­ten in Arztpraxen zum Beispiel. Es war nicht das erste Mal, dass Dominik sich vor Gericht hatte verantwort­en müssen. Er zuckt kurz mit den Schultern, es war halt so, eine echte Erklärung für seine Taten hat er nicht. Er war vorbestraf­t gewesen, wegen Schwarzfah­rens, wegen einer Discoschlä­gerei, wegen Beamtenbel­eidigung. Es gab Sozialstun­den und Wochenarre­st. Nach insgesamt 16 Diebstähle­n kam er nicht mehr so glimpflich davon.

Es gibt viele Klischees über das Leben im Gefängnis. Über den har- ten Alltag, Prügeleien zwischen Insassen und Wärtern, über die Verfügbark­eit von Drogen. Zumindest Letzteres, sagt Dominik, entspricht der Wahrheit. Er selbst sei nie abhängig gewesen, aber er hätte auch keine Probleme gehabt, an Rauschgift zu kommen, wenn er es gewollt hätte. „Wer kein Geld hat, zahlt halt mit Tabak. Oder mit Essen.“Wenn Dominik über diese Zeit spricht, klingt es auch nach ein wenig Langeweile. Es gebe Regeln, sagt er, und wer sich dran halte, bekomme Vorteile, dürfe etwa auf den Fußballpla­tz. Als Älterer habe man mehr zu sagen und passe dafür auf die Jüngeren auf. Dominik war im Vergleich zu anderen Insassen einer der älteren. „Es war teilweise wie in einer Jugendherb­erge.“

Mit dem Unterschie­d, dass man sich in einer Jugendherb­erge frei bewegen darf, nach draußen gehen kann, wann man will, nicht Monate lang dort eingesperr­t ist. Am Wochenende nicht ab nachmittag­s „Einschluss“ist, seine Familie mehr als ein paar Stunden im Monat sehen darf. Nicht von Menschen umgeben ist wie zum Beispiel einem Jungen, der eine achtjährig­e Jugendstra­fe absitzt, weil er als 14-Jähriger mit einem Ziegelstei­n auf seine Klassenkam­eradin eingeschla­gen und sie beinahe umgebracht hat.

Echte Freundscha­ften, sagt Dominik, habe er im Gefängnis nicht geschlosse­n. Nur Bekanntsch­aften, die er „Haft-Freundscha­ften“nennt und die sich nach Zweckgemei­nschaften anhören. Mit den Freundscha­ften, die er vor seiner Zeit im Gefängnis pflegte, ist das so eine Sache. Er versucht, sich von seinem damaligen Kreis fernzuhalt­en. Er hat ein neues Umfeld, vor allem über seinen Sport, Hockey. Er hat auch eine neue Freundin, die ihm den Platz im Bodelschwi­ngh-Haus vermittelt­e. Seit Ende Juli lebt er dort. Die Beziehung zu seiner ExFreundin, die zuvor vier Jahre gehalten hatte, zerbrach im Gefängnis. Oft machen Häftlinge in Jugendgefä­ngnissen eine Ausbildung. Dominik arbeitete als Punktschwe­ißer und absolviert­e den „Grundlehrg­ang Metall“, aber eine Lehre hat er bis heute nicht abgeschlos­sen.

Im Bodelschwi­ngh-Haus wollen sie ihn dabei unterstütz­en, ein geregeltes Leben zu führen. Die Einrichtun­g der Diakonie ist nach Auskunft von Leiter Harald Eckart die einzige ihrer Art in Schwaben, sie bietet 36 Plätze an, die auf sechs Wohngemein­schaften aufgeteilt sind. 35 davon sind aktuell belegt. Die Betreuer der Einrichtun­g geben den Menschen, die dort leben, eine Tagesstruk­tur. Sie bieten Trainingsu­nd Freizeitan­gebote und Therapien an. Man wolle, sagt Eckart, dass die Menschen „ein selbstvera­ntwortlich­es Leben führen, ohne Straftaten und in Würde“.

Das will auch Dominik. Er ist heute 22, immer noch jung genug, um das zu schaffen. Er sagt, er sei ruhiger geworden durch die Zeit im Gefängnis, er werde nicht mehr so schnell aggressiv. Es gibt Menschen, denen man auf den ersten Blick ansieht, dass sie mal länger in Haft saßen, aber Dominik gehört nicht dazu, trotz der vielen Tattoos. Er kann ohne Wut über seine Vergangenh­eit reden, und in seinen Sätzen schimmert durch, dass er, Mitläufer hin oder her, sich selbst die Hauptschul­d gibt für seine Lage.

Bleibt die Frage, was jetzt kommt. Dominik hat Ziele. Er will Schreiner werden, eine Lehre abschließe­n. „Ein normales Leben führen, auf gut Deutsch.“So wie bislang kann es nicht weitergehe­n. Das weiß er selbst.

 ?? Symbolfoto: Frisco Gentsch/dpa ?? 15 Monate saß der Augsburger Dominik in einem Gefängnis in der Region. Nun muss der jungen Mann zurück ins Leben finden. Das ist nicht einfach. Andere sind in seinem Alter schon durchgesta­rtet. Der 22 Jährige will nun eine Ausbildung absolviere­n.
Symbolfoto: Frisco Gentsch/dpa 15 Monate saß der Augsburger Dominik in einem Gefängnis in der Region. Nun muss der jungen Mann zurück ins Leben finden. Das ist nicht einfach. Andere sind in seinem Alter schon durchgesta­rtet. Der 22 Jährige will nun eine Ausbildung absolviere­n.

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