Räumungsklage: Frau hat Angst vor der Zukunft
Aus einem Mietshaus in Oberhausen soll ein Hostel werden. Der Investor kündigte den Mietern, was eine 50-jährige Hartz-IV-Empfängerin in die Verzweiflung treibt. Warum sich der Mieterverein über die Stadt ärgert
Zsuzsanna Palffy-Laszlo hat Angst, obdachlos zu werden. Der 50-Jährigen wurde die Wohnung gekündigt, weil das Mietshaus saniert wird. Die Hartz IV-Empfängerin sagt, sie findet nichts Bezahlbares. Der Eigentümer hat der Frau nun eine Räumungsklage geschickt. Er weiß sich nicht anders zu helfen, sagt er. Eine Geschichte über ein Mehrfamilienhaus in der Ulmer Straße, das bereits in den Schlagzeilen stand.
Die Räumungsklage lag vor einigen Tagen in Palffy-Laszlos Briefkasten. Es ist inzwischen der einzige Briefkasten mit Namensschild in dem Mehrparteienhaus. Alle anderen Mieter sind ausgezogen. Ihnen war ebenfalls gekündigt worden. Das Haus gehört seit ein paar Jahren der Münchner Firma Bavaria Vermögens-Consulting und Verwaltungs GmbH. Die Firma will das Gebäude in Oberhausen sanieren und zu Hostel und Jugendherberge umfunktionieren. Böden, Leitungen – einiges muss neu gemacht werden. Die Firma hat nach eigenen Angaben Anfang 2016 von der Stadt die Genehmigung für den Umbau erhalten. Kurz darauf habe man die Mieter über die anstehenden Kündigungen informiert, berichtet René Leurpendeur von Bavaria Consulting. Man habe ihnen ein Jahr Zeit gelassen, sich neu zu orientieren. „Sozial schwächere Mieter wurden beim Umzug finanziell unterstützt“, betont der Geschäftsführer. Ganz so reibungslos ging allerdings wohl nicht alles vonstatten.
Wie berichtet, hatten Mieter in den vergangenen Monaten das Gefühl, dass man sie gezielt loswerden wollte. Als die Heizung im Winter ausfiel, habe es zehn Tage gedauert, bis sie repariert wurde. Bei einem Wasserschaden durch ein geplatztes Rohr seien weder Hausverwaltung noch Eigentümer erreichbar gewesen. Nachbarn riefen irgendwann die Polizei. Ähnliche Erfahrungen machte auch Palffy-Laszlo. „Mein Boiler war vor zwei Jahren von Juli bis Dezember kaputt. Man wollte ihn nicht reparieren. Erst als ich mich an den Mieterverein wandte, wurde es gemacht.“Die gebürtige Ungarin lebt seit zehn Jahren in der Ulmer Straße. Für sie ist die Wohnung ein Segen. Die 50-Jährige ist gesundheitlich beeinträchtigt, lebt von Hartz IV und dem morgendlichen Zeitungsaustragen. Sie hat wenig Geld. Aber die 83 Quadratmeter große Wohnung in dem Mietshaus für 480 Euro warm kann sie sich leisten. „So eine Wohnung bekomme ich nie wieder.“
Täglich suche sie seit der Kündigung im Internet nach einer neuen. Vieles sei nicht bezahlbar und als Hartz-IV-Empfängerin habe sie einen schweren Stand. Hinzu kommt, erzählt die Frau und legt ein ärztliches Attest vor, dass sie unter Platzangst leide. Sie könne nie in eine kleine Wohnung mit Kochnische ziehen. Neulich wurde ihr eine mit 38 Quadratmetern vom Wohnungsund Stiftungsamt angeboten. Sie lehnte ab. „Da bekomme ich Panik.“Bei der Stadt hieß es, dass man sonst für sie gerade nichts habe. Der Druck, der auf Palffy-Laszlo lastet, geht auf ihre Gesundheit.
„Ich kann kaum noch schlafen.“Zudem fühle sie sich vom Eigentümer tyrannisiert. Nahezu jeden Tag werde sie angerufen. Die Frau hebt schon nicht mehr ab. Dass man ihr Strom und Wasser abdrehen werde, habe man ihr gedroht. Von Seiten von Bavaria Consulting wird dies bestritten. „Wir sind doch keine Unmenschen.“Und jetzt die Räumungsklage. Palffy-Laszlo lässt sie über ihre Anwältin abweisen. Das verschafft ihr etwas Luft. Der Geschäftsführer von Bavaria Consulting sieht in der Räumungsklage gar etwas Gutes. „Die Mieterin kann damit zum Amt gehen und sie wird auf Dringlichkeitsstufe 1 gesetzt.“
Thomas Weiand vom Augsburger Mieterverein kann über solch ein Gebaren nur den Kopf schütteln. „Mit Mietern wird immer rabiater umgegangen.“Er weiß, dass auch eine mehrköpfige Familie aus dem Haus eine Räumungsklage erhalten hatte. „In der Ulmer Straße findet eine Vertreibung der Mieter statt. Das sollte in der angespannten Wohnungssituation nicht möglich sein.“Deshalb ärgert sich der Vorsitzende des Mietervereins am meisten über die Stadt Augsburg. Diese könnte mit einer Zweckentfremdungssatzung Mieter in solchen Fällen schützen. Seit 2007 nämlich dürfen Kommunen eine eigene Satzung für ein Verbot der Zweckentfremdung von Wohnraum erlassen. Augsburg macht davon bislang nicht Gebrauch.
Zwar wurde im Mai im Jugend-, Sozial- und Wohnungsausschuss des Stadtrates darüber diskutiert. Dabei wurde auch auf die Situation „Ulmer Straße“eingegangen, heißt es auf Anfrage aus dem Sozialreferat. Aber eine Prüfung durch die Verwaltung habe ergeben, dass von einer solchen Satzung zunächst Abstand genommen werden soll. Begründung: Derzeit gebe es wenige Fälle einer Nutzungsänderung von Wohnraum. 2016 seien es 16 gewesen. „Gleichzeitig gab es 40 Fälle des Wechsels von anderen Nutzungen hin zu Wohnen.“
Weiand empört diese Argumentation. Die Stadt hat die Verantwortung, jede mögliche Vorsorge zu treffen, damit die Wohnungsnot nicht noch schlimmer wird, sagt er. „Man sieht doch am Fall der Ulmer Straße, welche Einzelschicksale damit verbunden sind. Man muss doch nicht erst Erhebungen durchführen, um irgendwann tätig zu werden.“Die Räumungsklage gegen PalffyLaszlo droht indes ein Fall fürs Gericht zu werden.