Die Maurer und Zimmerleute unter den Bienen
Solitärbienen leben ganz anders als die bekannteren, staatenbildenden Schwestern. Manche vollbringen erstaunliche Ingenieurleistungen. Wie Menschen ihnen ganz einfach helfen können
Aichach Friedberg Bienen. Automatisch denkt man dabei an die staatenbildende Honigbiene. Während sich im Stock bis zu 50000 Tiere tummeln, gibt es – weitgehend unbeachtet – auch Einzelkämpfer: die Solitärbienen. Die weltweit 20 000 Arten teilen sich auf in Rubriken wie die Ur- und Seidenbienen, Sand- und Erdbienen, Furchenund Schmalbienen, Sägehorn-, Hosenund Schenkelbienen, Mauer-, Mörtel- und Blattschneiderbienen und die Echten Bienen. Ernst Haile aus Pöttmes ist sowohl Imker als auch im Naturschutz aktiv. Er sagt: „Die Welt der Solitärbienen ist mindestens genauso faszinierend wie die der Honigbienen.“Wie zerbrechlich der Lebensraum dieser Spezialisten geworden ist, zeigen Hailes Beispiele, wenn er von den Leistungen dieser Insekten berichtet.
So haben einige Arten der Furchenbienen bereits eine Vorstufe zur Staatenbildung erreicht. Ihre Nester finden sich oft im harten Sandund Lehmboden. Von einem senkrechten Haupteingang führen zahlreiche Nebengänge zu den getrennten Brutkammern der einzeln lebenden Weibchen. Die ersten Nachkommen helfen ihrer Mutter beim Bau weiterer Zellen, beim Eintrag von Nektar und Pollen – überwiegend von Korbblütlern wie Wilde Möhre und Wiesenbärenklau – als Larvennahrung. Sie verteidigen mitunter sogar das Nest gegen Brutschmarotzer.
Sandbienen sind in Deutschland mit 100 Arten vertreten und damit die artenreichste Bienengattung. Viele sehen den Honigbienen zum Verwechseln ähnlich. Andere sind nur vier Millimetern groß, treiben aber in Sandwände bis zu 60 Zentimeter lange Gänge, von denen die Brutkammern abzweigen. Die mit Nahrungsvorrat und Ei bestückten Zellen werden mit Erdpfropfen verschlossen. Die meisten Sandbienenarten sind Nahrungsgeneralisten, doch einige haben sich auf spezielle wie Wicken oder Platterbsen spezialisiert. Angesichts von Lebensräumen wie Sandwand und grasfreies Land in Kombination mit bestimmter Vegetation verwundert es nicht, dass Ernst Haile den Begriff Bienensterben auch auf die Solitärbienenarten ausdehnt.
Haile: „Wir Imker sorgen uns um die Verwandtschaft unserer Nutzund Haustiere, bauen Nistmöglichkeiten und schaffen vielfältigen Lebensraum, denn wir leben in friedli- Eintracht mit den Solitärbienen.“Er gibt freilich zu, dass das nicht immer so war. Die Nektarund Pollenkonkurrenz der Honigbiene sei schon einmal systematisch bekämpft worden.
Jeder kennt die Mauerbienen, die sich scheinbar jeden Lebensraum zu erschließen wissen. In den Schienen von gekippten Fenstern finden sich ihre Sand-Lehm-SpeichelgemischKonstruktionen ebenso wie in Stängeln, morschem Holz, leeren SchnePollenquellen ckenhäuschen oder einfach frei an die glatte Wand geklebten Einzel-, Reihen- oder Haufenbauten. Ingenieurleistungen einer in Deutschland 37 Arten zählenden Gattung, deren Individuen gerade mal acht bis zehn Millimeter lang werden. Oft sind sie Spezialisten, die ihr Überleben etwa von der Glockenblume oder dem Natternkopf abhängig machen. „Gerade die Mauerbienen kann jeder unterstützen, indem er ihnen Nisthilfen in Form abcher geschnittener Schilfrohre oder verschieden starke Bohrungen in Holz zur Verfügung stellt“, rät Haile.
Immer legen die Solitärbienen Wert auf Trockenheit im Bereich ihrer Brutstellen, denn einer der größten Feinde der Pollen-NektarNahrungsreserve und damit für die heranwachsende Larve sind Pilze, gefördert von zu großer Feuchtigkeit. Eine unglaublich elegante Lösung gegen Pilzbefall haben die Blattschneiderbienen gefunden: Blätter mit Pilzgiften. Aus ihnen falten sie den perfekten Kokon. Die Gerbsäure der Eiche, die fungizide Kraft der Birke oder das Opium des Klatschmohnblütenblattes verhindern bei verschiedenen Arten, dass Sporen keimen. Die Harz- und Wollbienen kleiden den Brutraum tatsächlich mit Harz und Pflanzenwolle aus. Hosenbienen stellen den Essvorrat ihres Nachwuchses auf drei Beinchen, um sie so vor Pilzbefall zu schützen. Die Furchenbiene Halictus quadricinctus schützt ihre Lehmwabe durch ein Lüftungssystem.
Bei aller Faszination für diese versierten Erdarbeiter, Maurer und Zimmerleute oder gar Ingenieure behält Haile den Blick für die Realität: „Große Wiesenflächen verschwinden unter dem Pflug. Eine moderne Weidelgras-Steppe ist binnen Minuten abgeerntet. Eine Honigbiene weiß, wie viel Honigvorrat sie aus dem Stock tanken muss, um die von anderen Bienen angeschwänzelte Entfernung zur Nektarund Pollenquelle zu überbrücken. Eine Solitärbiene fliegt mit wenig Nektar im Magen los. Wenn es dann die vorher vorhandene Nahrung nicht mehr gibt, ist sie oft dem Hungertod preisgegeben. Für die Solitärbienen gilt laut Haile dasselbe wie für die Honigbiene: Die modernen Insektizide sind selbst minimaldosiert hochwirksam und schädigen das Nervensystem nachhaltig. Ein Rückflug sei dann meist nicht möglich aufgrund von Orientierungslosigkeit, Lähmungen oder sofortigem Tod. Haile: „Nie wäre es zu rechtfertigen, wenn wir die Welt der Solitärbienen verlören, nur weil wir Nahrung noch schneller, billiger und giftiger produzieren müssen.“