Die Frau für viele Luxusmarken
Ursula Fiedler ist Musterdesignerin. Viele Jahre war sie ein wichtiges Rädchen in der Pariser Modeszene. Nun blickt die Augsburgerin auf ein aufregendes Leben zurück – aus gutem Grund
Ein Seidentuch von Hermès! Für Frauen mit Hang zum Luxus ist dieses Accessoire unverzichtbar. USSchauspielerin Audrey Hepburn wickelte sich die bedruckte Seide dekorativ um den Kopf. Marilyn Monroe rettete sich mit einem edlen Stückchen Stoff von Hermès über manchen Tag mit schlecht sitzender Frisur. Auch die englische Königin Elisabeth hüllt sich in Tücher der Pariser Luxusmarke. Aber wer sind die Menschen, die für Firmen wie Hermès arbeiten? Eine von ihnen war Ursula Fiedler. Die Augsburgerin hat viele Jahre Stoffe für exklusive Marken in der ganzen Welt designed. Nun ist sie eine betagte Dame und hat einen besonderen Anlass, auf ihr Leben zurückzublicken.
Da sitzt sie nun: Klein, zart, aber temperamentvoll – und extravagant gekleidet. Ursula Fiedler ist gut gelaunt und nippt an einem Gläschen Prosecco. Denn gerade hat sie große Teile ihres Werkes ans Staatliche Textil- und Industriemuseum in Augsburg übergeben. Darunter viele Zeichnungen und Stoffmuster, die sie entworfen hat. Damals, als sie noch ganz und gar in der Pariser Modewelt lebte.
Ursula Fiedler war ab den 1960ern über zwei Jahrzehnte lang ein wichtiges Rädchen im Getriebe der Hauptstadt der Mode. Sie sei damals die einzige deutsche Musterdesignerin in Paris gewesen, die mit namhaften Firmen zusammenarbeitete, erzählt sie heute. „Ich galt als talentiert und zuverlässig.“
Doch es gab einige Umwege, bis Ursula Fiedler am Ziel ihrer beruflichen Träume und Wünsche ankam. Ihre Familie stammt aus Sachsen. Mit Mode hatten die Eltern nichts zu tun, im Gegenteil. Sie betrieben einen großen Fischhandel, eine Fir- ma mit eigenem Gleisanschluss. Dort wollte die Tochter keinesfalls arbeiten. Stattdessen zeichnete Ursula gerne und liebte schon als Kind schöne Stoffe. Ihre künstlerische Ader stamme wohl eher von einem anderen Familienzweig, erzählt sie. Verwandte waren Porzellanmaler in Meißen.
Zwar stimmte der Vater zu, dass die Tochter studieren durfte – als Einzige in der Familie. Doch damals wuchs sie in der DDR auf. Nach ihrem Textildesignstudium hatte sie ehrgeizige junge Frau einen schweren Stand. „Ich sollte in die Produktion gesteckt werden.“Doch die Anstellung in einer Fabrik mit Massenproduktion war nicht das, was Ursula Fiedler wollte. Ende der 1950er Jahre flüchtete sie aus der DDR. Freunde schleusten sie über die Grenze nach Westberlin.
In Westdeutschland nahm ihre Karriere bald Fahrt auf. Zunächst ergatterte Ursula Fiedler einen Job in einem Atelier in der damaligen Seidenstadt Krefeld. Dort lernte sie ihren späteren Mann kennen. Er war als Einkäufer einer großen Textilfirma tätig und hatte beste Kontakte nach Paris. Das half ihr beim nächsten Karriereschritt. Ursula Fiedler kannte sich in der Branche gut aus und schaffte es schließlich, sich selbstständig zu machen. Sie eröffnete ein eigenes Atelier in Paris – in prominenter Lage in der Nähe des Élysée-Palastes, dem Amtssitz des französischen Präsidenten.
Die tüchtige junge Deutsche kam im innereren Kreis der Pariser Moals deszene gut an. Sie entwarf Muster für weltweit bekannte Marken wie Hermès, Cacharel, Descamps, Versace, Armani und Fendi. Persönlich genoss sie den Trubel in der Szene, das kulturelle Leben und den Austausch. „Ich wurde zu Modenschauen eingeladen und saß oft ganz vorne“, erzählt sie. Als Spezialistin für Stoffmuster hatte sie auch mit berühmten Modeschöpfern zu tun: etwa mit dem inzwischen verstorbenen Italiener Gianni Versace, oder mit Karl Lagerfeld. „Ich habe ihn als sehr netten Menschen kennengelernt.“Mit dem Tod ihres Mannes und wirtschaftlich schwierigen Zeiten in der Modebranche kam ein Wendepunkt in Ursula Fiedlers Leben. Langjährige Freunde rieten ihr, nach Deutschland zurückzukommen. Sie waren von der damaligen Augsburger Textilfabrik NAK.
Für diesen Stoffhersteller entwarf sie Muster, die sehr viele Frauen in Deutschland und weit darüber hinaus getragen haben dürften. Aber auch Männer trugen ihre Designs, etwa in Form von Hemden der Marke Seidensticker. Fiedler arbeitete auch für Dierig, Riedinger, Prinz und viele andere deutsche, österreichische, italienische und Schweizer Unternehmen. Privat brauchte sie eine Weile, bis sie sich mit dem Wechsel von der Seine an den Lech anfreunden konnte. Inzwischen lebt sie sehr gerne in Augsburg. Gute alte Freunde aus Paris, Österreich oder Italien melden sich regelmäßig. Und durch ihre Wohnung weht immer noch Pariser Flair.
Zum Zeichenstift greift Ursula Fiedler nicht mehr. Die Sehkraft hat im Alter stark nachgelassen. In Schränken und Schubladen stapeln sich aber nach wie vor Zeichnungen, Druckmodeln, Stoffe und Bücher. Einen großen Teil ihres künstlerischen Werkes hat die Musterdesignerin nun dem Textilmuseum (tim) übergeben. Sie hofft, dass sich davon jüngere Generationen von Designern inspirieren lassen.
Und was könnte sie noch aus ihrem illustren Leben in Paris erzählen? Einiges, verrät sie augenzwinkernd. Da wäre noch die Geschichte von der Tochter eines französischen Adeligen, die keine unehelichen Kinder bekommen sollte und Ursula Fiedler als Aufpasserin bekam. Aber vielleicht ein andermal mehr. Vielleicht bei einem Gläschen französischem Crémant?