Leen Gansbeke wird mit „Fratzhosen“zur Unternehmerin
In dem Kissinger Laden können sich Eltern zum Thema Wickeln mit Stoff beraten lassen. Das läuft nämlich nicht mehr wie früher. Wieso das Geschäft mit Prinzessinnen- und Melonenwindeln so gut läuft
Kissing Leen Gansbeke hat ihre Überzeugung zum Job gemacht – und das mit Erfolg. Die Flämin, die jetzt in Kissing lebt, verkauft Stoffwindeln und witzige Überhosen unter dem Slogan „Fratzhosen“. „Du wickelst mit Stoff, oder?“, sei sie selbst während der Schwangerschaft gefragt worden. Als ökologischen Anreiz gebe es in ihrer Heimat im belgischen Flandern einen staatlichen Zuschuss für Stoffwindeln von 150 Euro pro Kind. Kein Wunder, dass im Freundeskreis kaum jemand Papierwindeln verwendet. Einen Zuschuss gewährt auch der Landkreis Aichach-Friedberg, doch das sei nur wenigen bekannt.
Auf der Suche nach der geeigneten Stoffwindel ist die junge Mutter, die nun in Kissing lebt, vom Riesenangebot überfordert. Es gibt Windeln aus Deutschland, USA, Polen, Tschechien mit unterschiedlichen Materialien und Eigenschaften. Während ihrer Recherchen wurde sie, einst Psychologin und Therapeutin, schon bald zur StoffwindelExpertin und Beraterin für andere Eltern. So gründete Leen 2015 ihr Unternehmen „Fratzhosen“, einen Internet-Shop mit Verkaufszentrale in Kissing. Mit Erfolg, denn die Verkäufe stiegen, obwohl die Vorurteile gegen Stoffwindeln anfangs das größte Problem gewesen seien.
„Da muss man erst mal durch“, sagt sie und legt drei Online-Bestellungen zur Seite, die gerade hereingekommen sind. Zu teuer, zu viel Arbeit, unangenehme Gerüche, diese Argumente geben vor allem Großeltern an. „Früher stimmte das auch. Die alten Waschmaschinen verbrauchten sehr viel Energie, die Stoffwindeln waren anders aufgebaut.“Mit den heutigen Geräten und Materialien sei alles leichter, sparsamer und hygienischer geworden. Außerdem sei Stoff angenehmer als Papier für die empfindliche Babyhaut. Doch das wüssten viele nicht.
Zwei Größen für das ganze Windelalter
Daher bietet Leen Gansbeke auch Infoabende und Kundenbesuche an, bei denen sie die verschiedenen Möglichkeiten zeigt. „Im Prinzip gibt es für jedes Kind das Passende und man kommt mit zwei Größen für das gesamte Wickelalter aus, weil die Windeln dank variabler Verschlüsse ‚mitwachsen‘“, erklärt die Geschäftsfrau. Außerdem könne man die Windeln für das nächste Kind weiternutzen. Preislich gebe es alles, von der schlichten Baumwollwindel bis zu edlen „Limited Editions“, sagt sie und hält ein Exemplar in quietschgelb, bedruckt mit Melonen, die limitierte Version vom Sommer 2017, hoch. „Aber rund 300 Euro reichen für die gesamte Wickelzeit völlig aus“, beruhigt Leen. Vergleicht man dies mit der Gesamtanzahl an Papierwindeln, die man im Schnitt für rund zweieinhalb Jahre Wickeln benötigt, rechne sich das Wickeln mit Stoff schon ab dem ersten Kind.
Und im Urlaub? Entweder gebe es in Ferienwohnungen und Campingplätzen Waschmaschinen oder man nimmt „Hybridwindeln“, so genannte All-in-3-Systeme mit Einwegeinlagen aus Papier.
Die vielen verschiedenen Windeln stapeln sich auch im Fratzhosen-Verkaufsraum in der Kissinger Bahnhofstraße, gleichzeitig Lager, Büro und Beratungsstelle. Regale, dicht an dicht, sind mit kunterbunten Überhosen, Windeln und Einlagen bestückt. Da gibt es schwarzgelb geringelte, pinkfarbene Prinzessinnen-, coole Werkzeug-„Stoffis“oder mit Kraken und Piranhas bedruckte Schwimmwindeln. Im Flur stapeln sich schon die Kartons mit der kommenden Herbst-/Winterkollektion. Allein stemmt Gansbeke ihr Unternehmen schon lange nicht mehr. Derzeit beschäftigt sie vier Mitarbeiter und ist auf der Suche nach einem geeigneten Ladengeschäft in Augsburg oder Friedberg.