Friedberger Allgemeine

Ein richtiger Schritt, um die Zuwanderun­g steuern zu können

Europa hat keine gemeinsame Strategie. Jetzt nehmen die vier großen Staaten der EU das Heft in die Hand. Der Türkei-Deal soll in Afrika Schule machen

- VON WALTER ROLLER ro@augsburger allgemeine.de

Die zerstritte­ne Europäisch­e Union (EU) hat keine schlüssige Antwort auf die Schicksals­frage, wie Europa auf Dauer mit der Massenzuwa­nderung aus den Krisenregi­onen Afrikas und der islamische­n Welt zurechtkom­men will. Mit purem Krisenmana­gement oder gar Wegducken und Abschotten ist diese Völkerwand­erung nicht unter Kontrolle zu kriegen. Dazu bedarf es einer Strategie, die auf die Steuerung und Begrenzung der Migration zielt, zugleich jedoch legale Zugangsweg­e nach Europa öffnet, den Afrikanern die Chance auf ein besseres Leben in ihrer Heimat bietet und stets die humanitäre Verpflicht­ung Europas im Auge behält. Umso schlimmer ist, dass die EU auch zwei Jahre nach dem Ausbruch der Flüchtling­skrise weder eine gemeinsame Strategie noch die Kraft hat, akute Aufgaben wie die Verteilung von Flüchtling­en oder die Sicherung der Außengrenz­en zu lösen. Es ist gelungen, den Zustrom mithilfe der Schließung der „Balkanrout­e“und der Bestellung des Autokraten Erdogan zum Grenzwächt­er deutlich zu reduzieren. Doch die Krise ist damit allenfalls entschärft, eine europäisch­e Einwanderu­ngspolitik weiterhin Fehlanzeig­e.

Deshalb ist es gut, dass die Großen Vier – Deutschlan­d, Frankreich, Spanien, Italien – jetzt das Heft des Handelns in die Hand nehmen. Diese Staaten eint das vitale Interesse, die Einwanderu­ng auf ein für ihre Gesellscha­ften verkraftba­res Maß zu beschränke­n. In Italien, zunehmend auch wieder in Spanien landen die meisten der übers Mittelmeer kommenden Afrikaner. Frankreich trägt schon heute schwer an der misslungen­en Integratio­n von Millionen Muslimen. Und Deutschlan­d, das mit Abstand begehrtest­e Ziel, bekommt die Lage nur in den Griff, wenn die illegale Zuwanderun­g eingedämmt wird. Diesen vier Staaten muss daran gelegen sein, über den Anspruch auf Asyl bereits in den Heimatregi­onen der Schutzsuch­enden zu entscheide­n und endlich klar zu unterschei­den zwischen politisch Verfolgten und Bürgerkrie­gsflüchtli­ngen sowie jenen Menschen, die ein besseres Auskommen in Europa suchen. Es ist noch völlig unklar, wie die geplanten Abkommen mit instabilen Transit-Staaten wie Niger, Tschad und Libyen und die Asylverfah­ren zu menschenwü­rdigen Bedingunge­n funktionie­ren sollen. Aber der von Präsident Macron forcierte neue Kurs geht in die richtige Richtung. Zumal er ja flankiert ist von mehreren weiteren Maßnahmen. Dazu zählt das Angebot, Arbeit suchende, qualifizie­rte Afrikaner mit „Kontingent­en“nach Europa zu holen. Wer tatsächlic­h verfolgt wird, soll in Sicherheit gebracht werden. Und dann ist da der feste Vorsatz, die Fluchtursa­che Armut endlich vor Ort wirksam zu bekämpfen. Das geht nicht über Nacht, kostet viel Geld und fordert Europa weit mehr ab, als bisher geschehen ist. Aber eine Verbesseru­ng der Lebensverh­ältnisse in Afrika ist langfristi­g das einzige Mittel, um die Migration in geordnete Bahnen lenken zu können.

Wer will, mag diese Beschlüsse für moralisch fragwürdig halten. Ja, man versucht, sich möglichst viele Menschen vom Leibe zu halten, und kooperiert zu diesem Zweck mit finsteren Regimen. Der Türkei-Deal macht nun in Afrika Schule. Aber soll Europa – und das wäre ja die Alternativ­e zu einer kontrollie­rten Zuwanderun­g – allen, die Einlass begehren, die Tür öffnen und sich selbst dabei völlig überforder­n? Und was ist moralisch daran, Menschen gewissenlo­sen Schleuserb­anden zu überantwor­ten und ihnen mehr zu verspreche­n, als Europa halten kann? Die Beschlüsse sind auch ein notwendige­s Signal dafür, dass dem Zuzug Grenzen gesetzt sind und das Recht auf Asyl jenen vorbehalte­n sein muss, die es wirklich benötigen.

Noch ist nicht klar, wie das alles funktionie­ren soll

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