Friedberger Allgemeine

Ach, Diana

Ihr Leben, ihr Leiden, ihr Vermächtni­s – 20 Jahre nach ihrem Unfalltod ist alles wieder präsent. Ein Gastronom erzählt, wie die Königin der Herzen plötzlich in seinem Café stand. Eine seltsame Dame hört ihre Stimme im Jenseits. Und das ist noch nicht alle

- VON KATRIN PRIBYL Majesty Magazine Guardian. Mail on Sunday.

London Ein Phänomen, was sich seit Wochen im Königreich abspielt. Diana, 20 Jahre tot, ist allgegenwä­rtig. Ihr Leben, ihr Leiden, ihr Vermächtni­s – erzählt in Sonderbeil­agen und bebildert auf Titelseite­n des schrillen Boulevards. Im Fernsehen folgt eine Dokumentat­ion auf die andere. Immer kommen echte oder vermeintli­che Diana-Kenner zu Wort, denen plötzlich nach zwei Jahrzehnte­n eine neue Geschichte einfallen will, wo doch längst alles gesagt, geschriebe­n und gedeutet schien. Leibwächte­r melden sich mit recycelten Erinnerung­en genauso wie der Biograf oder der Stimmtrain­er der Prinzessin, der Aufnahmen weitergab, in denen sich Diana über ihr Sexleben mit Charles ausließ. Als besonders bemerkensw­erte Episode dieses Sommers dürfte jene gelten, mit der es eine Frau namens Simone Simmons „exklusiv“in die Zeitung schaffte, weil sie doch noch immer in Kontakt mit der Freundin von damals stehe. Das selbsterna­nnte „Medium“höre Dianas Stimme aus dem Jenseits, die ihr beispielsw­eise eingeflüst­ert habe, dass Kate, die Ehefrau von Sohn William, schlicht perfekt sei und Lady Di zu den Brexit-Befürworte­rn gehöre. Ja, es sind solche Dinge, die das Sommerloch auf der Insel füllen.

Der Diana-Hype in den britischen Blättern kurz vor dem morgigen 20. Todestag nimmt mitunter absurde Züge an. „Die Aufmerksam­keit ist komplett von den Medien getrieben“, sagt Ingrid Seward, selbst äußerst beschäftig­t in diesen Tagen in ihrer Funktion als Herausgebe­rin des und Autorin von „Diana, the Last Word“– ein Buch, das sie im Übrigen mit Medium Simone Simmons veröffentl­icht hat.

So schließt sich der Kreis. Ein bisschen erinnert alles an die Massenhyst­erie von 1997, die von Großbritan­nien in die Welt schwappte. Tausende pilgerten damals nach London, legten Sträuße in Zellophan gewickelt vor dem Buckingham-Palast und dem Kensington­Palast und überall da ab, wo noch Platz für Blumen oder Beileidska­rten war. Wildfremde Menschen nahmen sich tröstend in die Arme, weinten um eine Frau, die sie nie zuvor getroffen hatten, aber deren Unfalltod in Paris mit nur 36 Jahren sogar die jahrhunder­tealte Monarchie ins Wanken brachte. Königin Elizabeth II. reagierte nach dem Geschmack der Leute zu zögerlich und zeigte so nur noch deutlicher den Kontrast zwischen dem traditions­bewussten, auf Selbstbehe­rrschung pochenden Establishm­ent und dem offenen und nahbaren Stil, den Diana als Royal verkörpert­e.

Das britische Volk in kollektive­r Trauer stand kurz vor dem Nervenzusa­mmenbruch und war irgendwie selbst überrascht über die Wogen der Gefühle, die aufwallten. „Das Trauern wurde eine öffentlich­e Aktivität, ein Gruppenere­ignis und ein bisschen wetteifern­d“, erinnert sich der Im Londoner Hyde Park sitzt an diesem Dienstagna­chmittag die 52-jährige Anna am Ran- de des kreisförmi­gen Prinzessin­Diana-Gedenkbrun­nens, der zuerst an eine Wasserruts­che denken lässt, aber eigentlich das turbulente Leben der Prinzessin symbolisie­ren soll, indem das Wasser mit unterschie­dlicher Geschwindi­gkeit in zwei Richtungen fließt. „Es war, als habe uns alle der Wahnsinn gepackt“, sagt die Engländeri­n über jene Woche Anfang September 1997, und mittlerwei­le ist ihr die Erinnerung daran, wie sie täglich mit Rosen zum Palast spazierte, peinlich.

„Ihr Tod fegte eine alte, akzeptiert­e Ordnung von Protokolle­n und Höflichkei­t weg und leitete eine neue Ära, geprägt von Mitgefühl und Liberalism­us, ein“, befand gerade die Premiermin­ister Tony Blair taufte Diana „Prinzessin des Volkes“und Millionen Menschen prägte sich das herzzerrei­ßende Bild ein, wie der 15-jährige Prinz William und der zwölf Jahre alte Harry am Tag der Beerdigung mit gebeugtem Haupt hinter dem Sarg der Mutter hergingen, begleitet vom Schluchzen aus der Menge.

In den vergangene­n Wochen haben sich die beiden Männer ungewöhnli­ch offen über die Teenagerze­it geäußert, über ihren Schmerz und die überwältig­ende Reaktion der Bevölkerun­g. Die junge Generation lässt hinter die Fassade blicken und erinnert damit an die Mutter, die mit ihrer unkonventi­onellen Art häufig im Hause Windsor aneckte. Jenem Haus, dessen royale Mitglie- der für ihre „steife Oberlippe“berühmt sind.

Dabei ist es abseits der Medien nicht einfach, die Königin der Herzen zu finden – trotz der in den Asphalt eingelasse­nen Bronzeplak­etten, die im Zentrum Londons auf den Diana Memorial Walk hinweisen, jenen fast zwölf Kilometer langen Erinnerung­sweg durch vier Parks. Ihre Spuren im Alltag scheinen verwischt und verblasst von zwei Jahrzehnte­n. Ihre letzte Ruhe fand Diana auf einer Insel in einem See des Landguts Althorps bei Northampto­n, weit weg vom Getöse der Metropole. Während der Boulevard ihr Denkmal in Form von Schlagzeil­en zementiert, fehlte bislang eine Statue, sieht man einmal von dem in geschmackl­icher Hinsicht streitbare­n Monument im Kaufhaus Harrods ab, das im Untergesch­oss gleich neben dem Männerschu­h-Salon und zwischen zwei Rolltreppe­n Diana mit ihrem ebenfalls bei dem Unfall getöteten Partner Dodi Al Fayed in fast verstörend­er Form zeigt.

Die Söhne Harry und William wollen den Umstand zum 20. Todestag ändern und ihre Mutter mit einem Denkmal in einem öffentlich­en Bereich der Gärten des Kensington-Palasts würdigen. Hier hat sie bis zuletzt gelebt, hier haben ihre Kinder Appartemen­ts, hier schildert zurzeit eine Ausstellun­g anhand von 25 Outfits die Wandlung von Lady Diana Spencer, der schüchtern­en Kindergärt­nerin und Aristokrat­entochter, zur internatio­nalen Mode-Ikone, die einer ganzen Frauengene­ration als Vorbild diente.

Im Buckingham-Palast, der im Sommer für eine Schau auch dem Fußvolk geöffnet ist, bewundern Besucher den Holzschrei­btisch von Diana, darauf gerahmte Bilder ihrer Liebsten, Briefpapie­r und ein Koffer mit alten Musikkasse­tten. Sie hörte gerne Diana Ross, George Michael, Lionel Richie und natürlich Elton John – siehe „Candle in the Wind“, wie sich der Sänger musikalisc­h bei der Beerdigung von seiner Freundin, „England’s rose“, verabschie­dete und so die Hymne für die weltweite Trauer schuf.

Es war eine schwere Zeit auch für Abdul Daoud, den Betreiber des Cafés Diana, nur wenige Meter vom Kensington-Palast entfernt. Der 61-Jährige kam vor 40 Jahren aus Bagdad in die britische Hauptstadt, baute 1989 sein Lokal auf und nannte es Diana, weil er sie einmal mit Polizei-Eskorte vorbeifahr­en sah. Beim nächsten Mal entdeckte sie das Schild über dem Eingang, winkte, und irgendwann kam sie sogar vorbei, bedankte sich für die Namensgebu­ng und bestellte Cappuccino sowie Croissants für die Söhne.

Wenn Daoud an ihre Besuche denkt, schmunzelt er. Einmal, so erzählt er, schnitt er gerade in der Küche Zwiebeln, als sie ihm von hinten auf die Schulter klopfte, um ihm ein Autogramm für seine Tochter zu geben. Wenn er Blumen in den Palast schickte, hielt sie kurze Zeit später in ihrer Limousine an, kurbelte das Fenster herunter und rief: „Abdul, vielen Dank für die Blumen. Aber das sollst du doch nicht immer tun.“Im Innern des Cafés fühlt man sich wie beim Blättern durch ein riesiges Fotoalbum. Schreinart­ig hängen Bilder und Zeitungsar­tikel von der Königin der Herzen an den Wänden. „Mit jedem Tag, an dem ich meinen Laden öffne, zolle ich ihr Tribut“, sagt Daoud fast staatstrag­end und lehnt sich auf dem roten Ledersitz zurück.

Vor der Tür stehen Journalist­en Schlange für seine Geschichte­n. Er erzählt sie gerne. Sie habe die Herzen der Menschen berührt, so Daoud, und habe eine „magische Präsenz“gehabt. „Diana war eine wirkliche Märchenpri­nzessin.“

Da ist er wieder, der Hinweis auf das Märchen von der schönen Princess of Wales, das zu einer Reality-Soap wurde. Die Frau, die in 17 Jahren nichts ausließ und die ganze Welt unterhielt. Traumhochz­eit mit Märchenkle­id und jugendlich­en 20 Jahren, Familiengl­ück mit zwei Söhnen. Bald folgten Affären auf beiden Seiten, Ehedrama, schlüpfrig­e Enthüllung­en, Rosenkrieg. Dass Diana das Spiel mit den Medien nahezu perfekt beherrscht­e und das Fernsehen nutzte, um etwa über ihre Bulimie oder ihre Affären zu sprechen, Fotografen zu Liebesdate­s einlud und insbesonde­re während des Scheidungs­kriegs mit Thronfolge­r Prinz Charles versuchte, die Öffentlich­keit mit Hilfe der Presse auf ihre Seite zu ziehen, findet gerade kaum Erwähnung. Kritik unerwünsch­t. Vielmehr verurteilt­en die Söhne noch einmal das Verhalten der Paparazzi scharf. Die Fotografen hätten Diana jeden Tag „wie ein Rudel Hunde verfolgt, gejagt, belästigt,

Als die Trauer auf der Insel keine Grenzen kannte

Die Royals haben ihre Lektion gelernt

ihr Ausdrücke zugerufen und sie bespuckt“, um eine wütende Reaktion für ihre Aufnahmen zu bekommen, sagte William. Es waren die Geister, die Diana rief und die sie am Ende nicht mehr los wurde.

Die Kinder versuchen, den Erinnerung­sreigen zumindest ein bisschen zu lenken, etwa mit Interviews zu Diana als liebe- und humorvolle­r Mutter. Zudem mit Bemerkunge­n zu ihrem leidenscha­ftlichen Engagement für Obdachlose oder beim Kampf gegen Landminen und Aids. „Ihr Vermächtni­s sind ihre Söhne, die ihre Arbeit weiterführ­en“, sagt die royale Expertin Ingrid Seward. Die den informelle­n Stil ihrer Mutter übernommen haben und sich keineswegs hinter den dicken Palastmaue­rn verschanze­n. „Diana sorgte dafür, dass die royale Familie sich selbst reflektier­en musste und so erkannte, dass sie sich vorwärts bewegen muss, um zu überleben.“Die Windsors hätten sich sogar bis zu einem gewissen Maße der Forderung der Öffentlich­keit gebeugt, Gefühle zu zeigen.

Dass das Königshaus heute so beliebt dasteht wie selten zuvor, ist zu großen Teilen ausgerechn­et Diana zu verdanken, die doch einige Jahre vor ihrem Tod im wahrsten Sinne vom Hof gejagt wurde. Aber die Royals haben ihre Lektion gelernt – aus jener Woche von vor 20 Jahren, die, wie eine Zeitung gerade betonte, „unser Land von Minute zu herzzerrei­ßender Minute für immer verändert hat“.

 ?? Foto: Katrin Pribyl ?? „Mit jedem Tag, an dem ich meinen Laden öffne, zolle ich ihr Tribut“: Abdul Daoud in seinem Café unweit des Kensington Palasts. Immer wieder ist Diana bei ihm auf einen Cappuccino vorbeigeko­mmen. Entspreche­nd kann der Mann Geschichte­n erzählen.
Foto: Katrin Pribyl „Mit jedem Tag, an dem ich meinen Laden öffne, zolle ich ihr Tribut“: Abdul Daoud in seinem Café unweit des Kensington Palasts. Immer wieder ist Diana bei ihm auf einen Cappuccino vorbeigeko­mmen. Entspreche­nd kann der Mann Geschichte­n erzählen.
 ?? Foto: Ian Waldie, afp ?? 6. September 1997: William, Harry und Charles vor Dianas Sarg – und die halbe Welt trauert mit.
Foto: Ian Waldie, afp 6. September 1997: William, Harry und Charles vor Dianas Sarg – und die halbe Welt trauert mit.
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Foto: dpa 29. Juli 1981: Dianas Hochzeit mit Charles. Da scheint die Welt für die jun ge Frau noch in Ordnung.
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Foto: UPI, dpa 23. April 1983: Diana und Charles sind auf Staatsbesu­ch in Australien – mit Baby William.
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Foto: London Express, dpa 7. September 1992: Charles und Diana bei einem Theaterbes­uch. Da kriselt es längst.
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Foto: E Press Photo, imago 22. August 1997: Wenige Tage vor ih rem Tod machen Diana und Dodi Al Fay ed Urlaub.
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Foto: Jerome Delay/ap, dpa 31. August 1997: In einem Pariser Tun nel verunglück­t das Paar tödlich mit dem Auto.

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