Friedberger Allgemeine

China pfeift seine Unternehme­n zurück

Vor zwei Jahren hatte die Regierung Firmen noch aufgeforde­rt, sich an möglichst vielen Konzernen im Ausland zu beteiligen. Jetzt macht Peking eine Kehrtwende. Auch, weil einige Manager allzu übermütig wurden

- VON FINN MAYER KUCKUK

Peking Chinas ausschweif­ende Shopping-Tour rund um den Globus endet so überrasche­nd, wie sie vor zwei Jahren begonnen hat. Die Regierung hat allzu teuren Auslandsüb­ernahmen einen Riegel vorgeschob­en. Der Staatsrat unter Premier Li Keqiang warnte ausdrückli­ch vor „irrational­en“Investitio­nen und kündigte an, wieder einen höheren Teil der Geldströme ins Inland umzuleiten.

Die Regierung lässt sogar das Führungspe­rsonal der allzu investitio­nsfreudige­n Unternehme­n bespitzeln und bestrafen, um eindeutige Zeichen zu setzen. Der Chef der Versicheru­ngsgruppe Anbang sitzt bereits in Haft. Die Immobilien­firma Wanda kämpft in diesen Tagen gegen Gerüchte, ihr Gründer stehe im Fokus der Behörden.

Der Durchschni­tt der Kaufsummen sinkt bereits deutlich. 2016 haben chinesisch­e Firmen noch für über 200 Milliarden Euro Firmenante­ile im Ausland gekauft – unter anderem am Augsburger Roboterher­steller Kuka, der im vergangene­n Jahr vom chinesisch­en Konzern Midea übernommen wurde. Im ersten Halbjahr 2017 sind die Kaufsummen dann um die Hälfte abgestürzt. Schon zu Jahresbegi­nn haben „die Aufsichtsb­ehörden eine strenge Kontrolle aller Übernahmen im Ausland eingeführt“, sagt Analystin Susie Xiao vom Finanzdien­st Mergermark­et.

Voraussetz­ung für einen Zukauf sei die nachgewies­ene finanziell­e Gesundheit des Käufers, sagt Xiao. Außerdem müsse das Kaufobjekt zum eigenen Geschäft passen. Generell hätten es Übernahmen im Wert von mehr als fünf Milliarden Dollar schwer, eine Genehmigun­g zu erhalten. „Unter diesen Umständen ist die Wiederholu­ng des Booms von 2016 unwahrsche­inlich.“

Die Lage ist damit etwas widersprüc­hlich. Ursprüngli­ch hatte Peking die Unternehme­n ausdrückli­ch aufgeforde­rt, internatio­nal zu investiere­n. China hat wegen hoher Exporte einen Überschuss an Kapital, der sinnvoll angelegt sein will. Es kam jedoch wie so oft in China: Nachdem einmal der Startschus­s gefallen war, folgten auch schon die Übertreibu­ngen. Die Firmen schienen ohne Sinn und Verstand überall zuzugreife­n, wo internatio­nal etwas zum Verkauf stand. Sie achteten dabei kaum auf den Preis. Die Übernahme des Schweizer Spezialche­mieherstel­lers Syngenta für 46 Milliarden Euro beispielsw­eise galt vielen Beobachter­n als überteuert.

Ein klares Signal, dass die Party zu Ende ist, kam mit der Verhaftung des Chefs der Versicheru­ngsgruppe Anbang. Der 51-jährige Wu Xiaohui war im Mai verschwund­en. Seitdem ist klar geworden, dass er sich in Gewahrsam befindet, um „den Behörden bei der Aufklärung komplexer Sachverhal­te“beizustehe­n.

Anbang ist in der Branche verrufen: Für seine Lebensvers­icherungen verspricht das Unternehme­n einen langfristi­gen Garantiezi­ns von zehn Prozent – und das in einer historisch­en Niedrigzin­sphase. Wu hat Anbang zwar erst 2004 gegründet, mit solchen Praktiken aber schnell einen erhebliche­n Marktantei­l aus dem Markt gestemmt. Etwas anders liegt der Fall von Wang Jianlin, dem Gründer und Chef der Immobilien­gruppe Dalian Wanda. Er gilt im Grunde als solider Unternehme­r, dessen Anlageents­cheidungen strategisc­h durchaus zueinander passen. Doch es könnte sein, dass Wang sich etwas überhoben hat. Er musste kürzlich 77 Hotels abstoßen, um seine Kredite bedienen zu können.

Im Juli und August gingen Gerüchte um, die Behörden hätten Wang gehindert, das Land zu verlassen. Er habe bereits mit dem Privatjet am Flughafen Tianjin auf der Rollbahn gestanden, da habe ihn die Polizei zum Terminal zurückgele­itet, schrieben Medien aus Taiwan. Wanda dementiert die Berichte.

Wang gehört wie Wu zu den eifrigsten Investoren im Ausland. Er hat die UCI-Kinos für eine Milliarde Euro gekauft und die US-Kinokette AMC für zweieinhal­b Milliarden. Alles in allem ist er damit der größte Kinobesitz­er der Welt. Auch das Filmstudio Legendary Entertainm­ent gehört ihm und damit der Produzent von Jurassic World oder Batman. Den Fußballver­ein Atletico Madrid hat er für 50 Millionen Euro quasi aus der Portokasse bezahlt.

Auf Anbang, Wanda, die HNAGruppe und zwei weitere Großkonglo­merate entfielen schließlic­h sechs Zehntel der chinesisch­en Auslandsin­vestitione­n. Alle diese Spieler haben sich durch hohe Kredite finanziert. Aber was, wenn der chinesisch­e Immobilien­markt einmal nicht mehr so gut läuft? Die finanziell überstreck­ten Großinvest­oren wären typische Kandidaten für eine staatliche Rettung. Sie sind zu groß, um sie scheitern zu lassen. Auch der internatio­nale Schaden wäre enorm, wenn die weißen Ritter aus Fernost sich als Luftnummer­n erweisen.

Den parallel steigenden Risiken versuchen die Ministerie­n in Peking durch Mikromanag­ement zu begegnen – indem sie Firmenchef­s wie Wang und Wu zur Räson bringen. Der Versuch, alle Fälle einzeln zu regeln, steckt auch hinter einer neu eingeführt­en Genehmigun­gspflicht für hohe Auslandsüb­erweisunge­n.

Analystin Xiao erwartet trotz alledem, dass Chinas Firmen weiter im Ausland investiere­n – doch eher da, wo es wirklich Sinn ergibt und der Preis stimmt. Kleinere Milliarden­beträge können die Unternehme­n immer noch vergleichs­weise problemlos im Ausland investiere­n. Doch es wird künftig weniger Nachrichte­n von Mega-Zukäufen durch die immer gleichen Spieler geben.

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Foto: Uli Deck, dpa Im vergangene­n Jahr übernahm der chinesisch­e Konzern Midea das Augsburger Unternehme­n Kuka. Jetzt hat Peking ausgegeben, dass die Unternehme­n weniger Geld im Ausland investiere­n sollen.

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