Friedberger Allgemeine

Tod im Schwimmbad

Vor gut einem Jahr ertrank ein zehnjährig­er Bub aus dem Kreis Augsburg in einem Freizeitba­d. Nun sollte ein Richter entscheide­n, wer schuld an der Tragödie ist

- VON MICHAEL BÖHM

Augsburg Nach dem Schock und der Trauer ging es um die Frage der Schuld. Gut ein Jahr nachdem ein zehnjährig­er Bub aus Langerring­en (Kreis Augsburg) in einem Freizeitba­d in Oberammerg­au auf dramatisch­e Weise ums Leben kam, standen gestern in Garmisch-Partenkirc­hen zwei Bademeiste­r vor Gericht. Hätten sie das Unglück verhindern können? Oder sogar müssen?

Es war der 2. Juli 2016. Zum Abschluss der Fußballsai­son organisier­te der Verein SpVgg Langerring­en für seine E-Jugendmann­schaft einen Ausflug. Die Fahrt mit einer Sommerrode­lbahn wurde wegen Regens kurzfristi­g abgesagt, als Schlechtwe­tter-Alternativ­e ging es nach Oberammerg­au ins dortige Freizeitba­d „Wellenberg“. Auf über 40 000 Quadratmet­ern bietet dieses seinen Besuchern Badespaß mit mehreren Wasserbeck­en, Sauna und Rutschen.

Zehn Buben im Alter zwischen acht und zehn Jahren machten sich also mit ihren Betreuern auf den Weg – für den kleinen Lukas endete der Ausflug tödlich. Offenbar unbemerkt von seinen Spielkamer­aden

Ein Video zeigt, wie Lukas um sein Leben kämpft

und entgegen den Anweisunge­n der erwachsene­n Begleiter wagte sich der Zehnjährig­e alleine zum großen Sportbecke­n des Bades. Ob er in dieses hineinspra­ng oder ob er im Trubel des mit über 600 Badegästen gut gefüllten Bades gestoßen wurde, ist unklar. Fakt ist: Lukas landete im Wasser. Er konnte zwar schwimmen, offensicht­lich aber nicht gut genug.

Das Video einer Unterwasse­rkamera zeigt, wie der Bub um sein Leben kämpft. Immer wieder sinkt er zu Boden, kämpft sich wieder nach oben und hält seinen Kopf über Wasser, dann sinkt er wieder nach unten. Nach fünf Minuten bleibt er dort schließlic­h bewusstlos liegen. Nach weiteren acht Minuten zieht eine Frau den leblosen Körper nach oben und aus dem Wasser. Trotz sofortiger Wiederbele­bungsmaßna­hmen und einer intensivme­dizinische­n Weiterbeha­ndlung im Krankenhau­s stirbt er dort nach drei Tagen.

Gut ein Jahr später wurde nun versucht, den Fall strafrecht­lich aufzuarbei­ten. Die einfache Frage lautete: Wer ist schuld am Tod des minderjähr­igen Buben? Fünf Personen hatte die Staatsanwa­ltschaft zunächst im Visier: Drei Betreuer des Langerring­er Sportverei­ns sowie zwei Bademeiste­r des Oberammerg­auer Freizeitba­des wurden wegen fahrlässig­er Tötung angeklagt.

Am ersten Prozesstag wurde das Verfahren gegen die drei Ehrenamtli­chen aus Langerring­en eingestell­t. Ihre Anwälte hatten argumentie­rt, eine Verkettung unglücklic­her Umstände habe zum Tod des Buben geführt, die Betreuer seien ihrer Aufsichtsp­flicht so gut wie irgend möglich nachgekomm­en. Richter Andreas Pfisterer sah das ähnlich. Wegen geringer Schuld stellte er das Verfahren ein, verdonnert­e die drei Erwachsene­n allerdings zu Geldauflag­en in Höhe von zweimal 1500 und einmal 3000 Euro an gemeinnütz­ige Einrichtun­gen.

Blieben auf der Anklageban­k bis gestern also noch die zwei Bademeiste­r übrig, die am Tag der Tragödie im „Wellenberg“Dienst hatten. Warum hatten sie den Todeskampf des Buben nicht mitbekomme­n – obwohl sie zum Unfallzeit­punkt beide in einem Kontrollra­um waren, in dem sie auf elf Bildschirm­en das gesamte Geschehen in dem Bad verfolgen konnten? Vor Gericht wurde deutlich, warum: Als Lukas ertrank, versorgten die Bademeiste­r ein blutendes Kind, ermahnten über Lautsprech­er eine Gruppe wild rutschende­r Kinder und beobachtet­en ein kleines Kind ohne Schwimmflü­gel, das sich ohne Aufsichtsp­erson im Schwimmerb­ecken aufhielt.

Viel zu tun also für einen Zeitraum von zehn Minuten – in diesen hätte das Leben des Buben noch gerettet werden können, erklärte eine Rechtsmedi­zinerin.

Wie Kollegen der Angeklagte­n gestern aussagten, hätten sich die Bademeiste­r des „Wellenberg­s“schon lange vor dem Unfall bei der Gemeinde Oberammerg­au darüber beschwert, dass sie personell zu schlecht aufgestell­t seien. Eine lückenlose Kontrolle des Badebetrie­bs sei mit zwei Mann unmöglich. Erst nach dem Unfall reagierte die Gemeinde – und stellte einen weiteren Bademeiste­r ein. Richter Pfisterer stellte gestern daraufhin auch das Verfahren gegen die beiden Bademeiste­r ein. Wegen „geringer Schuld“. Sie müssen als Auflage 3000 und 2400 Euro an eine gemeinnütz­ige Einrichtun­g bezahlen.

 ?? Foto: Ole Spata, dpa ?? Am 2. Juli 2016 starb in einem Freizeitba­d in Oberammerg­au ein zehnjährig­er Bub aus Langerring­en (Landkreis Augsburg). Drei Betreuer eines Sportverei­ns sowie zwei Bademeiste­r waren nun wegen fahrlässig­er Tötung angeklagt.
Foto: Ole Spata, dpa Am 2. Juli 2016 starb in einem Freizeitba­d in Oberammerg­au ein zehnjährig­er Bub aus Langerring­en (Landkreis Augsburg). Drei Betreuer eines Sportverei­ns sowie zwei Bademeiste­r waren nun wegen fahrlässig­er Tötung angeklagt.

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