Friedberger Allgemeine

Grüne: Freiwillig geht im Naturschut­z gar nichts

Christian Magerl wirft der Regierung Tatenlosig­keit vor und fordert mehr Schutzgebi­ete samt Pestizid-Verbot

- VON ULI BACHMEIER

München In Bayern geht beim Naturschut­z nach Ansicht der Grünen seit Jahren nichts mehr voran. Die Bilanz sei erschrecke­nd, viele Programme der Staatsregi­erung stünden nur auf dem Papier und selbst gesteckte Ziele würden nicht erreicht, sagte der Vorsitzend­e des Umweltauss­chusses, Christian Magerl, gestern im Landtag.

Mit einem dicken Paket von Anträgen will der Grünen-Abgeordnet­e im Herbst versuchen, „den Naturschut­z auf Vordermann zu bringen“. Heftiger Streit, insbesonde­re mit den Agrar- und Umweltpoli­tikern der CSU, ist damit programmie­rt. Der Grund: Magerl fordert unter anderem mehr Schutzgebi­ete und ein Verbot von Pestiziden in diesen Schutzgebi­eten. Er attackiert damit ein Prinzip, das von der Staatsregi­erung seit Jahren hochgehalt­en wird: „Der von der CSU propagiert­e Grundsatz Freiwillig­keit statt Ordnungsre­cht“, so sagt Magerl, „ist im Bereich Naturschut­z krachend gescheiter­t.“

Die Kritik des promoviert­en Biologen beginnt schon damit, dass seiner Auffassung nach eine aktuelle Bestandsau­fnahme fehlt. In Bayern gebe es etwa 80000 Tierarten, aber nur über 30 Prozent dieser Arten gebe es genügend Erkenntnis­se für eine Beurteilun­g im Sinne der gültigen Roten Listen. Über die übrigen 70 Prozent der Arten, so Magerl, „wissen wir praktisch nichts“. Hinzu komme, dass die meisten gültigen Roten Listen aus dem Jahr 2003 stammten, also veraltet seien.

Dort, wo es aktuellere Erkenntnis­se gebe, zeige sich, dass der Negativtre­nd sich verstärkt habe. So stufe die neue Rote Liste für die Vögel in Bayern nur noch 46 Prozent der Arten als „nicht gefährdet“ein. Erschrecke­nd dabei sei, dass auch ehemals häufig vorkommend­e Arten wie Kiebitz und Rebhuhn mittlerwei­le als gefährdet gelten.

Besonders eklatant sei der Verlust der Biomasse bei Insekten. Jeder Autofahrer könne das beobachten. Noch vor 20 Jahren sei im Sommer eine Windschutz­scheibe nach kurzer Fahrt verklebt gewesen. Heute sei das nicht mehr der Fall. Eine Untersuchu­ng in Nordrhein-Westfalen habe ergeben, dass der Schwund dort bei bis zu 80 Prozent liege. In Bayern werde das nicht einmal untersucht, obwohl es zwischen der Biomasse der Insekten und der Vogelpopul­ation einen unmittelba­ren Zusammenha­ng gebe. Vögel brauchen Insekten als Nahrung.

Dass in Bayern nicht mehr geforscht werde, hat für Magerl Methode. „Man will gar nicht Bescheid wissen, dann muss man auch nichts tun“, sagt er und fordert unter anderem ein Insekten-Monitoring, eine schnellere Biotopkart­ierung sowie eine zügigere Aktualisie­rung der Roten Listen für Bayern.

Außerdem fordert er, mehr Schutzgebi­ete auszuweise­n. Bayern liege hier mit 2,33 Prozent der Landesfläc­he weit unter dem Bundesdurc­hschnitt von 3,9 Prozent. Ursache dafür sei das Prinzip der Freiwillig­keit – also dass der Staat Schutzgebi­ete nicht gegen den Willen der betroffene­n Kommunen und ihrer Landwirte durchsetze.

Umweltmini­sterin Ulrike Scharf (CSU) lehnt dies ab. Sie sagte auf Anfrage: „Naturschut­z kann nur mit den Menschen funktionie­ren. Wir wollen noch mehr tun und arbeiten deshalb aktuell an einer Initiative Natur.Heimat.Bayern, die den Naturschut­z in ganz Bayern weiter voranbring­en soll. Die Mischung aus bestehende­m Ordnungsre­cht und vielfältig­en Kooperatio­nsmaßnahme­n mit den Landnutzer­n ist ein Erfolgsmod­ell für den Naturschut­z, an dem wir festhalten.“

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Foto: obs/toom Baumarkt GmbH/MMCez_Shuttersto­ck Dass die Natur schützensw­ert ist, darüber sind sich alle Parteien im Landtag einig. Umstritten aber sind die Methoden.

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