Stiefkind Naturschutz
Naturschutz ist eine komplizierte Angelegenheit – wissenschaftlich wie politisch. Es gibt zwar zum Beispiel sehr konkrete – und sehr erschreckende! – wissenschaftliche Erkenntnisse über den Artenschwund. Das gesicherte Wissen über die Ursachen aber ist beschränkt. In aller Regel wird ein ganzes Bündel genannt: Umweltverschmutzung durch Industrie, Verkehr, Haushalte und intensive Landwirtschaft sowie Zersiedelung, Flächenverbrauch und selbstverständlich der Klimawandel.
Das politische Problem, das sich daraus ergibt, ist offenkundig: Für den Schutz der Lebensräume gefährdeter Arten kann nur vor Ort konkret etwas getan werden. Aber vor Ort gibt es halt immer jemanden, der sagt: Warum ausgerechnet bei uns? So ist es am Riedberger Horn im Allgäu, wo der Naturschutz dem Bau einer Skischaukel im Weg steht, so ist es überall dort in Bayern, wo ein dritter Nationalpark am Widerstand der Landwirte und Waldbesitzer scheitert, und so ist es in jeder Gemeinde, die lieber ein Gewerbegebiet mehr und ein Biotop weniger hätte.
„Nicht gegen den Willen der Bevölkerung“– so lautet das Credo des Ministerpräsidenten. Er hat seine liebe Not damit. Aus diesem Grund wird er den dritten Nationalpark, den er sich wünscht, vermutlich ebensowenig bekommen wie die dritte Startbahn am Münchner Flughafen. Das Prinzip der Freiwilligkeit ist eine zweischneidige Sache. Es sollte, da haben die Grünen recht, beim Naturschutz kein Dogma sein. Andernfalls geht gar nichts voran.