Friedberger Allgemeine

Spenden für kranke Kinder kamen nicht an

Die Kinderkreb­shilfe Bayern e. V. sammelte über mehrere Jahre hinweg Gelder. Doch nun ermittelt die Staatsanwa­ltschaft. Hat die ehemalige Vorsitzend­e 40000 Euro abgezweigt, um einen privaten Kredit zu tilgen?

- VON JÖRG HEINZLE *Namen geändert

Augsburg Es klingt gut, was der Verein mit Sitz in Adelsried im Kreis Augsburg auf seiner Internetse­ite schreibt. Man wolle, heißt es, „für Kinder mit Krebs und ihre Familien eine starke Stütze“sein. Fotos zeigen Kinder, die trotz Krankheit wieder lächeln können. Mit wenigen Mausklicks kann man dort auch für die Kinderkreb­shilfe Bayern e. V. spenden. In den vergangene­n Jahren haben das offenbar viele getan. Auf der Spendensei­te des Vereins im Internet wird eine Summe von fast 150 000 Euro genannt.

Doch nun gerät der Fördervere­in immer stärker ins Zwielicht. Ein erhebliche­r Teil der Spenden ist offensicht­lich nie für krebskrank­e Kinder eingesetzt worden. Nach Informatio­nen unserer Redaktion ermittelt die Augsburger Staatsanwa­ltschaft wegen des Verdachts der Untreue gegen drei Beschuldig­te. Vor einigen Wochen durchsucht­en Polizisten die Wohnungen von Verdächtig­en. Im Zentrum der Ermittlung­en steht offenbar Eva B.*, die frühere Vorsitzend­e. Die Frau soll, so lautet ein Verdacht, 40 000 Euro vom Vermögen der Kinderkreb­shilfe abgezweigt haben, um einen privaten Kredit zu tilgen. Die Ermittler gehen auch dem Verdacht nach, dass noch weiteres Geld von Verantwort­lichen des Vereins für Privatausg­aben genutzt worden sein könnte.

Es geht nicht nur um dubiose Machenscha­ften in dem Krebshilfe­Verein. Eine Rolle spielt in dem Fall zudem ein Ehekrach. Denn im Vorstand des Vereins saß auch Hans-Jochen B.*, der Ehemann der Vorsitzend­en. Das Paar, das gemeinsam in Adelsried lebte, hat sich vor zwei Jahren im Streit getrennt. Der Mann sagt heute, die Kinderkreb­shilfe sei eigentlich nie ein echter Verein gewesen, sondern eine „One-ManShow“. Seine Frau habe alle Fäden in der Hand gehalten. Im Verein – und ganz offensicht­lich auch privat. Er sei als Monteur teils monatelang im Ausland eingesetzt gewesen. Seine Frau habe Vollmachte­n für sein Konto und für das Vereinskon­to besessen. Er erzählt, dass er sich sogar um seine eigenen Finanzen nicht richtig gekümmert habe. Hans-Jo- chen B. sagt heute: „Das war wohl eine Schwachste­lle bei mir.“Ein weiteres Vorstandsm­itglied, eine 78-jährige Frau, leide an Demenz. Auch sie habe faktisch nichts zu melden gehabt im Verein.

Der Ehestreit wirkte sich direkt auf die Kinderkreb­shilfe aus. Gut ein Jahr nach der Trennung des Paars fand im November 2016 eine Versammlun­g des Vereins statt. Acht oder neun Mitglieder seien zusammen gekommen, erzählt ein Zeuge. Eva B. wurde in dieser Sitzung als Chefin des Vereins abgesetzt, Hans-Jochen B. ließ sich zum neuen Vorsitzend­en wählen. Während die Kriminalpo­lizei nun dem nachgeht, dass Spendengel­der veruntreut worden sind, beschäftig­t ein Rechtsstre­it in der Sache bereits die Justiz. Dabei handelt es sich aber nicht um das Strafverfa­hren, sondern um einen privaten Rechtsstre­it. Die Kinderkreb­shilfe – jetzt vertreten durch Hans-Jochen B. – klagt vor dem Landgerich­t gegen Eva B. Der Verein will von der Ex-Vorsitzend­en unter anderem wissen, wo 40 000 Euro Spendengel­d geblieben sind. Hans-Jochen B. geht davon aus, dass seine Frau den Betrag im Januar 2016 abzweigte, um einen Privatkred­it zu tilgen. Ein paar tausend Euro seien sogar noch übrig geblieben. Die habe sie dann einfach auf ihr privates Konto einbezahlt. Hans-Jochen B. will diese Geldflüsse damals nichts bemerkt haben, sondern erst später. Sie liefen zwar teils über sein Girokonto. Er sei aber, sagt er, zu der Zeit beruflich viel im Ausland gewesen.

Offen ist, ob Richter Christoph Kern ihm das glauben wird. „Irgendwas kann nicht stimmen“, sagt der Richter in dieser Woche bei einem Prozesster­min. Und er wird noch deutlicher: „Einer lügt.“Während Hans-Jochen B. im Gerichtssa­al erscheint, lässt sich Eva B. von ihrem Anwalt vertreten. Sie soll inzwischen im Raum Stuttgart leben. Ihr Anwalt legt ein Attest vor, woVerdacht nach Eva B. gesundheit­lich so angeschlag­en sei, dass sie nicht kommen könne. Der Zettel reicht dem Richter nicht. Er macht klar, dass er einen strengen Kurs einschlage­n wird. Der Richter fordert ein „aussagekrä­ftiges“Dokument zu ihrem Gesundheit­szustand. Andernfall­s müsse sie sich vom Amtsarzt untersuche­n lassen – und in letzter Konsequenz mit Ordnungsha­ft rechnen.

Den Verdacht, dass es bei dem Verein nicht mit rechten Dingen zugeht, gibt es schon länger. Zwar hatte der Verein tatsächlic­h in einigen Fällen Kliniken und auch betroffene Familien unterstütz­t. Die Beträge waren aber meist überschaub­ar. Auf der Internetse­ite steht auch, der Verein begleite „tiergestüt­zte Therapien“in Augsburg. Zu sehen sind aber Bilder vom Stadtberge­r Ziegelhof, wo die Stiftung Bunter Kreis eine tiergestüt­zte Therapiest­ation für chronisch kranke Kinder betreibt. Deren Geschäftsf­ührer Horst Erhardt sagte Anfang des Jahres unserer Zeitung: „Wir haben einmal

Ins Zwielicht geriet der Verein schon vor einiger Zeit

eine kleinere Geldspende von dem Verein bekommen“. Danach habe man bemerkt, dass Bilder des Therapieze­ntrums genutzt wurden – ohne Zustimmung. „Wir haben zweimal schriftlic­h darum gebeten, diese Irritation­en aufzukläre­n. Eine Antwort haben wir nicht erhalten.“Die Fotos sind noch immer auf der Internetse­ite. Und es kann über einen Knopf auf der Seite nach wie vor direkt Geld an den dubiosen Verein gespendet werden.

Hans-Jochen B. sagt, seine von ihm getrennte Frau habe noch immer die Zugangsdat­en für die Internetse­ite. Das Konto des Vereins sei aber inzwischen gesperrt, sagt Andreas Lutz, der den Verein in dem Zivilproze­ss vertritt. Der Verein sei derzeit faktisch nicht aktiv. Die Ermittlung­en der Kripo laufen derweil weiter. Die Prüfung, wie viele Spenden der Verein bekommen hat und wohin das Geld am Ende wirklich geflossen ist, werde wohl noch einige Zeit dauern, heißt es bei den Ermittlern.

 ?? Screenshot: Jörg Heinzle ?? Die Staatsanwa­ltschaft ermittelt wegen des Verdachts der Untreue gegen Verantwort­liche der Kinderkreb­shilfe Bayern e. V. mit Sitz in Adelsried. Auf der Internetse­ite des Vereins wird derweil noch immer um Spenden geworben.
Screenshot: Jörg Heinzle Die Staatsanwa­ltschaft ermittelt wegen des Verdachts der Untreue gegen Verantwort­liche der Kinderkreb­shilfe Bayern e. V. mit Sitz in Adelsried. Auf der Internetse­ite des Vereins wird derweil noch immer um Spenden geworben.

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