Mit nur 15 Euro auf den Plärrer
Unsere Reporterin Sabrina Schatz will es wissen: Geht der Volksfestbesuch auch mit kleinem Geldbeutel? Ein Erfahrungsbericht über Kinderportionen am Schokofrüchte-Stand und Männer in Spendierlaune
Es gibt Tage, da muss ein Schwabe tun, was ein Schwabe tun muss: Sparen. Das dachte sich die Redaktion und schickte mich mit nur 15 Euro im Geldbeutel los und dem Auftrag, damit einen Plärrerabend „mit allem Drum und Dran“zu verbringen. Das heißt: Etwas Deftiges essen, etwas Süßes naschen, Bier trinken, spielen und mit Karussell oder Achterbahn fahren. Ob ich mit diesem knappen Budget auskomme? Herausforderung angenommen.
Idee 1: Ich fahre mit dem Rad. Das spart ein Zwei-Zonen-Ticket. Der Haken: Ich muss auf das Dirndl verzichten – verheddert sich der Rocksaum in den Speichen, kann das böse enden. Ein Mann mit Lederhose und Wadl-Schonern düst auf Höhe Königsplatz an mir vorbei. Diese Idee haben auch andere. Bereits am Eingang bemerke ich den ersten Fehler: Es ist Montag. Wie mir ein Plakat in neongelb entgegenschreit, gibt es am Mittwoch Sonderangebote. Dann findet der Kinder- und Familientag statt – von dem nicht nur die kleinen Augsburger profitieren. Sei’s drum, denke ich, und steuere das Bierzelt an.
Denn eines ist klar: Der größte Kostenpunkt bei einem Plärrerbesuch ist das Bier. Im Binswanger Zelt studiere ich die Getränkekarte. 8,80 Euro kostet die Maß in diesem Jahr – damit ginge bereits die Hälfte meiner 15 Euro flöten. Ich frage eine Bedienung, die vom Gang aus den Blick über die noch spärlich besetzten Bankreihen schweifen lässt, wie sie die Augsburger wahrnimmt: Die sparsamen Schwaben und Trinkgeld – wie passt das zusammen?
„Manche geben jetzt zehn, manche neun Euro“, sagt Andrea Konzok. „Nach zwei, drei Maß werden sie großzügiger. Und Männer geben mehr als Frauen, Ältere mehr als Jüngere.“Die Gersthoferin bedient seit 17 Jahren auf dem Plärrer – Block und Stift sind routiniert in die Dirndlschürze gesteckt. „Manche lassen sich aber sogar die 20 Cent noch rausgeben“, erzählt die 60-Jährige. Sie habe es sich aber mit der Zeit abgewöhnt, solche Kunden mit einem schiefen Blick abzustrafen. Man wisse ja nie, wie viel die Kunden überhaupt geben können – Studenten hätten es ja auch nicht gerade dicke. Dennoch: Trinkgeld sei wichtig für die Volksfest-Bedienungen, es mache einen großen Teil ihres Verdienstes aus. Und so nehme ich mir vor – trotz Budget – einen glatten Betrag für die Maß zu bezahlen: neun Euro, immerhin.
Zuvor teste ich jedoch Idee 2: Preise vergleichen. Klingt in der Theorie vielversprechend, scheitert aber in der Praxis. Sowohl im Binswangerals auch im Schallerzelt kostet die Maß 8,80 Euro. Im Bierkarussell müssen die Augsburger sogar noch mehr bezahlen: 4,50 pro 0,5-Liter. Nur an manchen Essenständen gibt es das Bier billiger – zulasten der Atmosphäre: Statt zwischen Party-Band und Buchsgirlande hebt man sein Glas dort am Plastik-Stehtisch. So zeichnet sich ab: Ich werde an diesem Abend zum „Noagerlzuzler“. Dieser oberbayrische Begriff beschreibt jemanden, der stundenlang an seiner Maß nippt, auch wenn das mit jedem Schluck weniger Genuss und Spritzigkeit verspricht. Übrig bleibt das Noagerl, ein trauriger Rest BierzeltFreude.
aber: Etwas essen, Grundlage schaffen. Ich denke an knuspriges Hendl mit Kartoffelsalat. Oder nur an Kartoffelsalat, blicke ich auf die Preise in der Menükarte. Die billigste Variante im Zelt: Fischoder Lachssemmel, Pommes, Spätzle mit Soße oder Riesenbreze. Ich frage Bedienung Konzok, ob viele Besucher im Zelt essen. „Die Jüngeren essen eher bei Mama daheim als im Zelt“, sagt sie und lacht. Außerdem erfahre ich, dass es in Ausnahmen sogar erlaubt ist, sich eine Brotzeit mitzubringen – wie es auch in bayerischen Biergärten erlaubt ist. „Aber nur, wenn es das bei uns nicht gibt“, betont sie, „Manche essen zum Beispiel im Biergarten einen Steckerlfisch vom Stand gegenüber. Das ist dann schon mal okay.“Dass jemand eine Tupperbox mit Broten auspackt, komme nicht vor. Da ich so eine ohnehin nicht dabei habe, entscheide ich mich für eine Bockwurstsemmel an der Würstel-Bude. Trotzig drücke ich einen extragroßen Klecks Senf auf das Brötchen. Das nächste Mal vermeide ich Fehsehr ler 2: Abends zum Plärrer gehen. Beim Mittagstisch kommen Fans von Schweinshax’n, Dampfnudel und Co. nämlich günstiger weg.
Weiter zu den Fahrgeschäften und Spiel-Buden. Ich schaue zu, wie das „Breakdance“Frauen und Männer herumwirbelt. Schräg gegenüber befindet sich die „Autoschleife“, in der die Fahrt einen Euro weniger kostet. Ob ich in dem kleinen, roten Feuerwehrauto, das mit schlaffen Fahnen seine Runden dreht, auffallen würde? Da werde ich auf Idee 3 aufmerksam: Mengenrabatt. In vielen Fahrgeschäften kosten drei Fahr-Chips umgerechnet weniger als ein einzelner Chip. Also: Warten, Leute ansprechen, sich zusammentun. Außerdem entscheide ich mich dafür, den Aufgaben-Punkt „etwas spielen“mit einem Los abzudecken: 50 Cent. Erhöht ja auch irgendwie die Spannung, wenn alles an einer Chance hängt, versuche ich mir einzureden. Zwischendurch meldet sich das Bier zurück. 50 Cent gehen für den Toilettenbesuch drauf. Fehlt noch etZuerst was zum Naschen. Am Stand mit den Schokofrüchten lese ich den Schriftzug „Kinderspieße 2,50 Euro“. Die rund 20 Zentimeter in Schoko getauchten Himbeeren oder Marshmallows kosten 1,50 Euro weniger als der Schoko-ErdbeerSpieß. Ich könnte ja in die Knie gehen – sieht hinter der Glasvitrine sicher niemand. Ist aber gar nicht nötig: „Klar verkaufen wir die Kinderspieße auch an Erwachsene. Es kann ja sein, dass jemand einfach nicht so viel Hunger hat“, sagt Verkäuferin Elisabeth Aprill. Immer nachfragen – als Spar-Idee 4 notiert.
Der Sparfuchs in mir freut sich – hat aber Gefallen daran gefunden, nach Schnäppchen zu suchen, die den Kinderspieß toppen. Als ich an einem Süßwarenstand im Kopf überschlage, dass 200 Gramm Magenbrot umgerechnet ein besseres Preis-Leistungs-Verhältnis haben als 100 Gramm gebrannte Mandeln, bemerke ich, dass im Geldbeutel keine Münzen mehr klimpern. Ebbe. Aufgeben?
Der Notfall-Plan kommt zum Einsatz: Schnorren. Ich quatsche zwei junge Männer an und will zunächst wissen, wie oft sie Mädels auf Volksfesten zu einem Getränk einladen. Als Reporterin kann man solche Fragen stellen, ohne augenblicklich entlarvt zu werden. „Kommt natürlich drauf an, wie sie aussieht und ob sie flirten will“, sagt einer und lacht. Das Dirndl wäre von Vorteil gewesen, schießt mir ein Gedanke durch den Kopf. „Eine ganze Maß gebe ich eher nicht aus. Zu teuer. Aber was anderes schon manchmal“, sagt der andere. Die beiden Studenten wollen anonym bleiben, verraten aber, dass sie ursprünglich aus dem baden-württembergischen Schwaben kommen. Auch Sparfüchse?
40 bis 50 Euro geben sie pro Plärrerbesuch aus, schätzen die beiden. Als ich ihnen von meinem Auftrag erzähle, spendieren sie eine Tüte „saure Zungen“. Umso besser, dann spare ich mir morgen gleich noch den Schokoriegel in der Kantine. Die 15 Euro sind weg und ich bin zufrieden. Manchmal muss ein Schwabe eben tun, was ein Schwabe tun muss.
„Ich werde an diesem Abend zum ,Noagerlzuzler‘“.
Sabrina Schatz, 26, geht gerne auf Volksfeste. Auf wilde Fahrgeschäfte kann die Volontärin unserer Zeitung aber verzichten.