Wenn die Ehe vor dem Aus steht
2016 sind im Landkreis Aichach-Friedberg 268 Ehen geschieden worden. Woran die Partnerschaften häufig scheitern, was dagegen getan werden kann und wie Kinder die Scheidung der Eltern besser überstehen
Aichach Friedberg Verliebt, verlobt, verheiratet – geschieden? Im Kreis Aichach-Friedberg gingen im vergangenen Jahr 268 Ehen in die Brüche. Damit lag die Zahl der Scheidungen um 56 höher als 2015. Woran liegt’s? Traudl Minssen von der Ehe-, Familien- und Lebensberatungsstelle der Diözese in Aichach hat beobachtet, dass die Ehepaare je nach Alter mit unterschiedlichen Problemen zu kämpfen haben.
Jüngere Paare würden oft mit der Rollenverteilung hadern, berichtet die Beraterin. In Zeiten, in denen Mann und Frau gleich gut ausgebildet sind, sollten sie rechtzeitig klären, wer welche Aufgaben übernimmt. Wenn Kinder da sind, bleibt diese Frage nicht aus. Junge Frauen sehen sich dann schnell in alte Rollenmuster gezwängt, was zu Unzufriedenheit führt. Traudl Minssen erklärt: „Junge Paare haben das oft zu wenig im Visier.“
Laut Statistik ziehen Frauen auch schneller die Reißleine als Männer: Rund 52 Prozent der Scheidungsanträge im Kreis Aichach-Friedberg wurden von Ehefrauen eingereicht. Sind erst einmal Kinder da, ergeben sich neue Streitthemen, wie etwa die Frage nach der Erziehung des Nachwuchses. Persönliches kommt nun oft zu kurz. Bleibt es komplett aus, findet später in vielen Fällen eine Verfremdung statt. Dann kommt die Frage auf, ob die Paarbeziehung überhaupt noch existiert.
Beim Schlussstrichziehen herrscht weitgehend Einigkeit unter den Exliebenden: 98 Prozent der Scheidungsanträge wurden im gegenseitigen Einverständnis gestellt. Viele sagen später noch ein zweites Mal Ja – und das ist dann meist das Endgültige. Aber auch wenn das Paar zusammenbleibt, ändert sich immer wieder etwas im Laufe des Lebens. Zum einen entwickeln sich die Ehepartner selbst weiter. Zum anderen sind es die äußeren Umstände: Krankheiten, Jobwechsel, der Beginn der Rente oder der Zeitpunkt, an dem die Kinder das Haus verlassen – Ehepaare sollten sehr genau darauf achten, inwieweit solche Einschnitte auch ihre Beziehung beeinflussen, rät Traudl Minssen. Sie empfiehlt, grundsätzlich im Leben und in der Beziehung offenzubleiben und immer wieder das Gespräch mit dem Partner zu suchen. Traudl Minssen ist überzeugt: „Man ist der
beste Partner, wenn man selber einen guten Standpunkt auf dem Boden hat.“Bei ihr lassen sich junge Paare genauso beraten wie Eheleute um die 80.
In einigen Fällen reicht ein einstündiges Gespräch, manchmal müssen die Paare aber auch über Jahre begleitet werden. „Im Idealfall kommen junge Paare frühzeitig zur Beratung und sagen klipp und klar, dass sie da ein Problem haben“, findet die Beraterin. Vielleicht könnte die eine oder andere Scheidung so noch verhindert werden. Im Wittelsbacher Land erfolg-
225 aller 268 Scheidungen nach einer einjährigen Trennung. In 43 Fällen wehrte sich ein Expartner drei Jahre lang, künftig wieder als Single oder als alleinerziehende Mutter oder Vater durchs Leben zu gehen. Sind Kinder da, bleibt es grundsätzlich beim gemeinsamen Sorgerecht, im Scheidungsverfahren ist das kein Thema mehr.
Kinder leiden in dieser Situation besonders darunter, wenn ein Elternteil den anderen schlechtredet. Der Nachwuchs steht ohnehin zwischen den Fronten und leidet oft unter Schuldgefühlen. Je kleiner das
Kind ist, desto mehr sollte darauf geachtet werden, erklärt die Systematische Familientherapeutin Friederike Krisch von der psychologischen Beratungsstelle der Katholischen Jugendfürsorge der Diözese in Aichach. Von den bis jetzt 422 Beratungen ging es hier in 174 Fällen um Scheidung oder Trennung. „Viele bemühen sich, es für die Kinder gut hinzubekommen“, erzählt die Familientherapeutin.
Einfach ist das freilich in dieser Situation nicht. Je kleiner das Kind ist, desto mehr leidet es unter Trennungsängsten. Eine vertraute Perten
son verschwindet aus dem Alltag, der sich ebenfalls komplett verändert. Kinder haben dann Angst, dass keiner mehr für sie da ist, erklärt Friederike Krisch.
Die Eltern müssten aber unbedingt für das Kind da sein und eine Idee davon haben, wie sie beide weiterhin für den Nachwuchs zur Verfügung stehen. „Klarheit hilft“, sagt die Familientherapeutin. „Die Eltern sollten erst mit dem Kind sprechen, wenn sie sicher sind, was sie vorhaben und beide Eltern sollten auch dieselbe Version erzählen.“