Friedberger Allgemeine

Als Augsburg mit Gewürzen handelte

Einst wurden Zimt, Kardamom und Safran aus Indien importiert und hier verkauft

- VON ALEXANDER RUPFLIN

Der Geruchssin­n ist laut Wissenscha­ftlern der letzte Sinn, den der Mensch verliert, bevor er stirbt. Entspreche­nd wichtig sind uns Gerüche. Den Duft von Safran, Kardamom, Zimt und anderen Gewürzen empfindet der Mensch als besonders magisch. Stadtführe­rin Heike Abend-Sadeh weiß darum, deshalb bietet sie einen besonderen Stadtrundg­ang an: Entlang einer Gewürzrout­e geht es durch Augsburg.

Die Stadt hatte in ihrer Historie mehr mit orientalis­chen Kostbarkei­ten zu tun, als man meinen mag. Was inzwischen New York oder Schanghai ist, das war im 16. Jahrhunder­t die Fuggerstad­t, erzählt Abend-Sadeh. Die Gewürze, mit denen Augsburg handelte und reich wurde, kamen aus Indien. Wo mittlerwei­le die Buchhandlu­ng Pustet Bücher verkauft, befand sich ein Kolonialwa­renhändler, der Schätze aus der ganzen Welt anbot, und im Gebäude des Herrenauss­tatters Eckerle boten Gewürzläde­n ihre Waren feil.

Dabei hatten die Gewürze damals eine völlig andere Bedeutung als heute: Während Safran als geschmackl­iche Bereicheru­ng in der Küche empfunden wird, galt es früher vor allem als Heilmittel. Die roten Fäden helfen gegen Pickel, Gallenstei­ne, Schlaflosi­gkeit, Zahnschmer­zen, stillen den Husten und heben die Laune. Aber: Fünf Gramm wirken toxisch, bei zehn stirbt man.

Unter den Besuchern sind viele Augsburger, so wie Sophia Haase und ihre Familie. „Das ist nicht meine erste und sicherlich nicht meine letzte Stadtführu­ng durch Augsburg. Es gibt ja immer wieder etwas Neues zu erfahren“, sagt sie. Auch Patrizia Berndsdorf­f kommt von hier. Sie wurde von ihrem Mann überzeugt und ist der Auffassung, dass man eigentlich von seiner Heimatstad­t viel zu wenig weiß. Darum nimmt sie am Nachmittag gleich noch an einer weiteren Tour teil.

Neben Safran stellt Abend-Sadeh auf ihrem Rundgang vom Rathauspla­tz über das Maximilian­museum, dem Moritzplat­z, dem Apothekerg­ässchen und der Moritzkirc­he eine ganze Reihe weiterer Gewürze vor. Sie verrät, wo Ingwer angebaut wird und welche Wirkung er auf den Körper hat oder wozu man Nelken verwenden kann.

Auch wie die Hygiene allmählich vom Orient zu uns gelangte, die wir uns, aufgrund der Dogmen der Kirche, nicht mit unserer Leiblichke­it auseinande­rzusetzen hatten, erzählt sie. Die Orte in Augsburg, die Abend-Sadeh wählt, erscheinen dabei nur Rahmenprog­ramm. Manchmal erschließt sich die Wahl der Stätte erst auf den zweiten oder dritten Blick. Die Geschichte der Gewürze und ihre Wirkung stehen im Vordergrun­d.

Die Spenden, die an diesem Tag durch die Führungen gesammelt werden, gehen an das neue Kinderkreb­sforschung­szentrum am Klinikum Augsburg sowie an die Elterninit­iative krebskrank­er Kinder Augsburg „Lichtblick­e“.

 ?? Archivfoto: Fred Schöllhorn ?? Ingwer gilt als gesund. Er stärkt das Im munsystem und hilft gegen Erkältungs krankheite­n. In Augsburg wurde einst da mit gehandelt.
Archivfoto: Fred Schöllhorn Ingwer gilt als gesund. Er stärkt das Im munsystem und hilft gegen Erkältungs krankheite­n. In Augsburg wurde einst da mit gehandelt.

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