Jedes Mal soll es die letzte Tortur gewesen sein…
… doch Christian Rottenegger aus Bobingen liebt die Freiheit und macht trotz extremer Erfahrungen immer weiter
Bobingen/Halblech Christian Rottenegger sitzt vor seinem Haus in Eschenberg und lässt den Blick über Geiselstein, Hochplatte und Säuling zu den Königsschlössern schweifen. Er hat dafür ausnahmsweise Zeit, denn ein gigantisches Projekt liegt hinter ihm – und er träumt schon vom nächsten. Ein Leben als Festangestellter – das ist für Christian Rottenegger nicht vorstellbar. Dafür sind sein Fernweh und sein Freiheitsdrang viel zu groß: „Mein Opa hat mich als Kind mit in die Berge genommen. Mit 16 war ich auf der Wildspitze. Da wusste ich: Ich will Bergsteiger werden.“Ein Übriges taten die Vorträge des Extrembergsteigers Reinhold Messner.
Mit gerade mal 22 Jahren machte er sich – gegen alle Ratschläge seiner Eltern und Freunde – ganz allein nach Afrika auf: „Ich wollte, ziemlich blauäugig, die Namib und die Kalahari mit dem Rad durchqueren. Das hätte mich beinahe das Leben gekostet.“Der junge Abenteurer hatte sich vorgestellt, die Wüsten durchfahren zu können. Weit gefehlt: „Ich habe tagelang durch tiefen Sand nur geschoben.“Dann hatte der gebürtige Bobinger noch ein viel größeres Problem: „Mir ging das Wasser aus. Ich ließ das Fahrrad liegen und ging los, ohne Ziel. Eine verfallene Farm mit einem verwahrlosten Wasserbecken rettete mir das Leben.“Schon damals zeigte sich, dass Widrigkeiten Rottenegger nicht bremsen können: „Die absolute Ruhe, die Weite, das Nichts begeisterten mich total.“
Schon 1996 ging es wieder nach Afrika. Er kletterte mit einem Freund auf die großen Berge des Kontinents, auch Mount Kenia und Kilimandscharo. „Wir sahen im Tal die Elefanten, den Dschungel mit fantastischen Pflanzen, die Steppe und das ewige Eis. Unglaublich. Das alles zusammen und der Ursprung des Nils auf 5000 Metern Höhe, das war das Faszinierendste, was ich jemals gesehen habe.“
Doch diese Aussage revidiert er gleich im nächsten Satz, als er auf seine Erlebnisse an den welthöchsten Bergen zu sprechen kommt: im Pamir-Gebirge in Zentralasien, am Ararat und Elbrus in der Türkei und in Russland und vor allem an und auf den Bergriesen in Nepal, Tibet und China. Entbehrungen, Schmerzen, Krankheiten, Lawinen und, und, und – all das nimmt Rottenegger auf sich, um seinen Traum zu leben. Und der sind nicht nur die Berge. 2007 startete er zu seiner ersten Ultratour: 9400 Kilometer mit dem Fahrrad von Augsburg über Griechenland, Iran, Usbekistan, China, durch Wüsten und Pässe nach Pakistan. „Abenteuer pur“– auch wenn er das letzte Ziel verfehlte: Am Gasherbrum II (8034 Meter) fiel die Expedition nach fünfeinhalb Monaten dem schlechten Wetter zum Opfer. „250 Meter unter dem Gipfel mussten wir wegen Sturms aufgeben. Das war frustrierend.“Aber lebendig heimkommen war wichtiger. Wieder schwor sich Rottenegger: „Nie mehr wieder so eine Tortur.“Und wieder fuhr er los, 2011 mit seiner Lebensgefährtin Annette Kniffler. 12000 Kilometer radelten sie bis nach Tibet, unter anderem durch die kasachische Steppe: „3000 Kilometer nichts als Wind und Staub, das zermürbt und nagt an der Gesundheit.“Starker Husten zwang ihn zur Aufgabe am Shishapangma (8027 Meter) und zog eine viele Monate dauernde schwierige Genesung nach sich. Trotzdem: Ein neues Projekt musste her.
Da stieß er im Ostallgäu auf jenen Bauernhof aus dem Jahre 1602, seit Jahren zerlegt und eingelagert. Den wollte er haben und wieder aufbauen. „Das war extrem harte Arbeit, zwei Jahre lange, sieben Tage die Woche, endlose Schwierigkeiten. Jetzt steht er. Wir sind total glücklich.“Und wieder die Aussage: „Noch einmal würden wir das nicht auf uns nehmen.“
Und wie geht es weiter? Klar haben die beiden Abenteurer schon wieder ein Projekt im Kopf: Mit dem Rad nach Asien oder Sibirien und dort auf die höchsten Berge, oder auf den Manaslu, oder oder oder. Sicher ist noch nichts, bis auf: „Ich ändere mich, und die Welt ändert sich. Mein Lebensziel ist ungewiss. Ich weiß nur, dass ich immer mit Annette zusammen und körperlich fit sein will“, betont der 46-Jährige und blickt von der Holzbank vor seinem wunderschönen alten Hof auf das herrliche Bergpanorama. Und hat Fernweh.
OSommerserie In loser Folge stellen wir auf „Region Augsburg“Menschen vor, die im Urlaub keine Souvenirs sam meln, sondern Erlebnisse – Alpenpäs se, Kulturhauptstädte, Pilgerwege, Son nenaufgänge oder was auch immer – und darüber tolle Geschichten erzählen können.