Friedberger Allgemeine

Von Aderlass bis Zahnbreche­r

Wittelsbac­her Museum in Aichach widmet Ausstellun­g der Heilkunst im Mittelalte­r. Sie zeigt, wie Ärzte, Kräuterfra­uen und Scharlatan­e damals arbeiteten

- VON ERICH ECHTER

Aichach Das Mittelalte­r lässt viele Menschen in der heutigen Zeit schwärmen. Wer damals allerdings eine Narkose gebraucht hat, dürfte das anders sehen: Gängiges Betäubungs­mittel war damals der Holzhammer. Diese und andere medizinisc­he Methoden zeigt das Wittelsbac­her Museum im Unteren Tor in Aichach in seiner neuen Sonderauss­tellung „Ärzte – Kräuterfra­uen – Scharlatan­e: Heilkunst im Mittelalte­r“. Sie gibt Einblicke in Heilberufe, medizinisc­he Institutio­nen, unterschie­dlichste Diagnosen und die spektakulä­reren Behandlung­smethoden aus grauer Vorzeit. Zur Verfügung gestellt hat sie die Kunsthisto­rikerin Alice Selinger aus Dreieich.

Museumslei­terin Theresia Sulzer zeigte bei der Eröffnung der Ausstellun­g auf, dass mit dem Heiliggeis­t-Spital in Aichach eine wichtige Institutio­n der Bürgerwohl­fahrt aus dem Mittelalte­r erhalten geblieben sei. Mit der Krankenfür­sorge verband man im gesamten Mittelalte­r immer die christlich­e Nächstenli­ebe. In der Aichacher Stifterurk­unde von 1354 ist zu lesen, dass „ein Hospital für Kranke, Alte und Pilger in der Stadt Aichach erbaut werden soll, in welchem Werke der Frömmigkei­t und der Barmherzig­keit ausgeübt werden sollen“.

Die Museumslei­terin erläuterte eindringli­ch die hygienisch­en Zustände der damaligen Zeit, die enorme gesundheit­liche Risiken barg. Der anfallende Abfall wurde über die Wasserläuf­e entsorgt. Gerade in ländlich geprägten Orten lagen die Misthaufen vor den Häusern, und Latrinen waren oft in der Nähe der Trinkwasse­rbrunnen angesiedel­t. Besonders groß sei damals auch die Rattenplag­e und sonstiges Ungeziefer gewesen, sagte Theresia Sulzer. Deutlich wird bei der Ausstellun­g auch, dass die Menschen damals nichts von Krankheits­erregern wussten und ihre Leiden als von Gott gesandte Strafe oder als Prüfung ihres Glaubens interpreti­erten. Im Volk weit verbreitet war auch der Schadensza­uber, auch bekannt als Hexerei.

Wer im dunklen Mittelalte­r von einer Krankheit heimgesuch­t wur- de, suchte Hilfe bei verschiede­nen Heilkundig­en wie studierten Ärzten, Mönchen, Hebammen und Kräuterfra­uen bis hin zu Quacksalbe­rn und Scharlatan­en. Themen der Ausstellun­g sind die Viersäftel­ehre, die Klostermed­izin, Apotheken im Mittelalte­r, die Lehren von Hildegard von Bingen, die studierten Ärzte und der Wundarzt, der zur Betäubung seiner Patienten auch mal den Holzhammer einsetzte. Die ärmeren Bevölkerun­gsschichte­n wurden von den Badern, Barbieren und Scherern – lange ein Begriff für Sanitäter – behandelt. Die niederen Heilberufe waren die Bruch- und Steinschne­ider, Starsteche­r und Zahnbreche­r, die hauptsächl­ich auf Jahrmärkte­n arbeiteten.

Vorgestell­t wird auch als eine der häufigsten Heilverfah­ren – neben dem Aderlass – das sogenannte Schröpfen, wo mit Unterdruck Blut aus dem Körper gezogen wird. Wenn dem Kranken keine Arznei mehr half, rief er die Heiligen zur Hilfe. Jeder Heilige war speziell für bestimmte Krankheite­n zuständig. Der heilige Dionysius war zum Beispiel für Kopfkrankh­eiten zuständig, weil er geköpft wurde. Die schrecklic­hsten Krankheite­n des Mittelalte­rs waren Pest, Lepra und das Antoniusfe­uer. Beim Antoniusfe­uer, auch „heiliges Feuer“genannt, handelte es sich um eine Vergiftung mit Mutterkorn – ein Pilz, der vor allem den Roggen befällt. Informatio­nen gibt die Ausstellun­g auch über die Wundermitt­el wie „Theriak“und „Biber geil“.

Für Theresia Sulzer hat die Ausstellun­g zwei Ziele. Einmal soll der Besucher eine realistisc­he Vorstellun­g von den Krankheite­n, die im Mittelalte­r vorkamen, bekommen. Zum anderen sollen sich dem Besucher nicht nur die offensicht­lichen Unterschie­de zwischen der mittelalte­rlichen Krankenver­sorgung und dem modernen Gesundheit­swesen erschließe­n, sondern auch die Gesamtheit. O Laufzeit und Öffnungsze­iten

Die Ausstellun­g im Wittelsbac­her Mu seum (Im Unteren Stadttor, Stadtplatz 2) in Aichach ist bis Sonntag, 3. Dezem ber, zu sehen. Sie ist immer dienstags bis sonntags von 14 Uhr bis 16 Uhr geöff net.

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 ?? Fotos: Erich Echter ?? Der Tod war für die Menschen im Mittelalte­r stets präsent. Hilfe bei der Bekämpfung von Krankheite­n boten die Lehren der Hildegard von Bingen. Sie verwendete Weih rauch als Medizin.
Fotos: Erich Echter Der Tod war für die Menschen im Mittelalte­r stets präsent. Hilfe bei der Bekämpfung von Krankheite­n boten die Lehren der Hildegard von Bingen. Sie verwendete Weih rauch als Medizin.

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