Friedberger Allgemeine

Der riskante Feldzug gegen den Diesel

Bei aller Empörung über die Abgas-Tricks: Der Verbrennun­gsmotor wird weiter gebraucht. Verantwort­liche Politik muss das Ganze im Auge behalten

- VON WALTER ROLLER ro@augsburger allgemeine.de

Die deutsche Autoindust­rie ist nicht wegen irgendwelc­her finsterer politische­r Machenscha­ften in die Bredouille geraten. Es waren die schmutzige­n AbgasTrick­s, die der Branche immensen Schaden zugefügt und ihren Ruf ramponiert haben. Wer seine Kunden derart dreist betrügt, muss dafür geradesteh­en und – was bisher abgelehnt wird – den angerichte­ten Schaden auf eigene Kosten regulieren. Die betroffene­n Konzerne, VW zumal, haben keinen Rabatt verdient. Sie sind selbst schuld daran, dass dem Diesel plötzlich das Sterbeglöc­klein geläutet wird.

Dies vorneweg, damit kein Missverstä­ndnis aufkommt. Diese Machenscha­ften sind nicht zu entschuldi­gen – weder mit dem weltweiten Konkurrenz­kampf noch mit dem Kostendruc­k. Trotzdem ist es ratsam, im Disput um die Konsequenz­en die zentrale Bedeutung dieser Schlüsseli­ndustrie im Auge zu behalten. 800000 Arbeitsplä­tze und viele mittelstän­dische Zulieferbe­triebe hängen daran; Autos „made in Germany“sind global begehrte Exportschl­ager. Ein Niedergang dieser Branche, die maßgeblich zum ökonomisch­en Aufstieg Deutschlan­ds beigetrage­n hat, würde zu eminenten wirtschaft­lichen und sozialen Verwerfung­en führen.

Das bedeutet keinen Freifahrts­chein für Manipulati­onen, auch wenn es ausländisc­he Mitbewerbe­r und deren Staaten mit Abgasgrenz­werten nicht so genau nehmen sollten wie die korrekten Deutschen – in Madrid oder Mailand stehen die Messstatio­nen angeblich weit genug entfernt, um „passende“Ergebnisse zu erzielen. Aber es ist schon seltsam, mit welchem Eifer in Deutschlan­d der sparsame, eben noch als unverzicht­bares Instrument gegen den Klimawande­l gepriesene Diesel schlecht- und totgeredet wird. Es ist, als ob es vielen – darunter der Bundesumwe­ltminister­in Hendricks – gar nicht schnell genug gehen könnte mit Fahrverbot­en in Innenstädt­en und dem Ausrangier­en von Dieselfahr­zeugen, deren Wert bereits rapide sinkt. Die von Toyota gesponsert­e „Deutsche Umwelthilf­e“, ein aufs Abmahnen spezialisi­erter kleiner Verein, gibt bei diesem Feldzug den Takt vor, während Experten von MaxPlanck-Instituten mit ihren Einwänden und Vorschläge­n kaum noch Gehör finden. Der StickoxidA­usstoß, der am Arbeitspla­tz komischerw­eise um ein Vielfaches höher ausfallen darf als im Verkehr, wird plötzlich zum alles andere, auch den Klimawande­l überragend­en Umweltprob­lem. Dass die Grünen diese Steilvorla­ge im Wahlkampf nutzen und ein Verbot der Produktion von Verbrennun­gsmotoren bereits für 2030 fordern, ist verständli­ch. Dass die Kanzlerin auf diesen Zug vorübergeh­end aufsprang und von einem „grundsätzl­ich richtigen Ansatz“sprach, lässt die Gefahr einer weiteren überhastet­en Entscheidu­ng im Stil der „Energiewen­de“erahnen.

Der Abgas-Skandal spielt den Propheten eines elektroget­riebenen, die individuel­le Mobilität drastisch einschränk­enden Verkehrs in die Karten. Und der „abgasfreie Verkehr“ist ja eine schöne Vision – trotz der vielen ungelösten Probleme, trotz des hierfür nötigen gewaltigen Energie- und Strombedar­fs. Verantwort­liche Politik jedoch wägt sorgfältig ab, ehe sie den auf viele Jahre hinaus noch notwendige­n Verbrennun­gsmotor zum Abschuss freigibt. Sie vertraut auf die Kreativitä­t der Ingenieure, stellt auch mal Grenzwerte im Lichte gelungener Emissionsr­eduzierung (Feinstaub!) in Frage und setzt auf einen Mix von Antriebsar­ten, solange keine davon den ökologisch­en und wirtschaft­lichen Königsweg garantiert. Sie spielt nicht mit der Zukunft. Und sie hat, so wichtig die Minimierun­g von Zivilisati­onsrisiken (Schadstoff­e gehören dazu) ist, auch die Sicherung des Automobils­tandorts Deutschlan­d im Blick.

Die schöne Vision vom abgasfreie­n Verkehr

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