Friedberger Allgemeine

Eine Demonstrat­ion musikalisc­her Macht

Triumph mit Anton Bruckner, Herzklopfe­n bei Ludwig van Beethoven

- VON RÜDIGER HEINZE

Diesmal passte die historisch­e Eintracht aber auch ganz exakt: Genau in den drei Jahren von 1871 bis 1873, in denen Ferdinand Wagner die Fresken der Friedberge­r Jakobskirc­he anbrachte, schrieb und dirigierte erstmals Bruckner seine zweite Sinfonie. Was für eine Parallele.

Und so kam es am Donnerstag, dass Jesus in der Apsis der Pfarrkirch­e Bruckners Zweite in einer Aufführung der Staatsphil­harmonie Rheinland-Pfalz unter Alt-Friedberge­r Karl-Heinz Steffens gleichsam segnete – und Maria ihr mit betenden Händen andächtig lauschte.

Es war ein großer Abend für den 16. Friedberge­r Musiksomme­r. Noch einmal Anton Bruckner – jene Sinfonie, in der er sich und seinen Stil fand: mit Streichert­remolo zu Beginn, Choralankl­ang im Andante, thematisch­er Verklammer­ung der Ecksätze, vor allem mit dem charakteri­stischen plötzliche­n Abbrechen großer dynamische­r Blechbläse­rTürmungen. Für einen Moment, nämlich im Finale des ersten Satzes, war zu befürchten: Die aufgebaute Spannung wird kaum zu halten sein; jetzt ist keine Steigerung mehr möglich. Aber der Kraftakt gelang zum Schlusssat­z dann doch: Er geriet zu einer Demonstrat­ion musikalisc­her Macht; er erklang in der Endphase als ein dirigentis­ch sorgsam kalkuliert­er apotheotis­cher Triumph – für Bruckner, für die Musik, für Friedberg. Standing Ovations.

Mit dieser Wiedergabe der Zweiten wurde der weiß Gott originäre Bruckner gut verständli­ch: Seine Sinfonik mit ihren vielen Neuanfänge­n, Steigerung­en und Abbrüchen ist wie ein Kathedrale­nbau, nie endend in der Vervollkom­mnung. Das Ephemere, das der Musik ja sowieso innewohnt, wird quasi zum Dramaturgi­e-Prinzip erhoben: Das Vergänglic­he muss mit immer neuen Anstrengun­gen wieder errungen, wieder belebt werden.

Aber es waren an diesem Abend nicht nur Bruckner und seine Verheißung­en zu hören. Es erklang auch Beethovens Violinkonz­ert mit seiner einfühlsam­en Idee, das selig singende Hauptthema der Geige immer wieder mit einem „Herzklopfe­n“(zumeist der Pauke) zu unterlegen. Guy Braunstein, ehemaliger 1. Konzertmei­ster der Berliner Philharmon­iker, heute auch künstleris­cher Leiter des Festivals Rolandseck, zelebriert­e mit feinem, silbernem, an den entscheide­nden Stellen auch schwebende­m Ton das Sensible, Kostbare und Hymnische des Werks; und Karl-Heinz Steffens belebte mit kleinen Beschleuni­gungen und Verlangsam­ungen die Wiedergabe zusätzlich. Gelegentli­ch hätte das virtuose Laufwerk der SoloViolin­e, etwa in der eigenen Kadenz, noch eine Spur sauberer sein können. Aber die eigentlich­e Schönheit dieses Konzerts erklang so wertvoll wie berückend.

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Foto: Annette Zoepf Der Geiger Guy Braunstein (l.), der Dirigent Karl Heinz Steffens (r.) und die Staats philharmon­ie Rheinland Pfalz in Friedberg.

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