Friedberger Allgemeine

Kissinger retten Vierbeiner vor dem Tod

Ein Verein kümmert sich um Nutztiere, für die in der Landwirtsc­haft kein Platz mehr ist. Zudem vermittelt er Hunde, denen die Giftspritz­e droht. Wie rasant sich das Projekt entwickelt hat

- VON PHILIPP SCHRÖDERS

Kissing Schicksale wie das von Alma berühren die Mitglieder des Kissinger Vereins „Weil Tiere lieber leben“. Als fünf Monate altes Kalb wartete Alma im Schlachtho­f auf die Tötung. Es war seit mindestens zwei Tagen ohne Tränke und Futter. Zur Überraschu­ng von Nicole Tschierse lag es dennoch lässig in der Box und wartete. „Kälber schreien sonst immer im Schlachtho­f, erst recht, wenn sie hungrig sind“, sagt sie. Doch Tschierse hatte damals das Gefühl, dass das Tier spürte, dass es überlebt. Sie entschied sich, das Kalb zu retten.

Inzwischen lebt Alma – ausgewachs­en und wohlgenähr­t – auf dem „Lebenshof Wilde Hilde“in Kassel. Dort landen zum Beispiel Kühe, die aus Sicht der landwirtsc­haftlichen Produktion nicht mehr genug Milch geben oder Rinder, die nach der Geburt zu schwach sind. Die Rettung von Nutztieren ist aber nur eine Abteilung des Kissinger Vereins „Weil Tiere lieber leben“, die Mitglieder holen auch Hunde aus Tötungssta­tionen und vermitteln sie in Deutschlan­d. Die vom Schlachtho­f geretteten Rinder, Ziegen und Schweine waren ein paar Jahre in Ottmaring untergebra­cht. Bald reichte dort der Platz jedoch nicht mehr aus. Innerhalb von etwas über zwei Jahren nahm der Verein etwa 100 Tiere auf. Seit dem vergangene­n Jahr sind die großen Schützling­e auf dem Hof in Kassel untergebra­cht, wo mehr Platz ist. Tschierse, die früher für das Veterinära­mt Aichach-Friedberg als Fleischbes­chauerin arbeitete, kümmert sich inzwischen ganz um diesen Teil des Vereins.

Die Kissingeri­n Sabine Bessinger organisier­t die Hundevermi­ttlung. Die Streuner und verwahrlos­ten Tiere werden aus Tötungssta­tionen in Spanien oder den Balkanländ­ern geholt. Dort droht den Tieren, mit einer Giftspritz­e beseitigt zu werden. Die dritte maßgebende Kraft im Verein ist die Kissingeri­n Birgit Zie- lauf. Sie kümmert sich um die Finanzen. Erst 2014 gegründet, hat sich der Verein in den vergangene­n Jahren rasant entwickelt. Wie Zielauf erklärt, vermittelt er deutschlan­dweit Hunde. Meist sind die Tiere bereits adoptiert, wenn sie aus einer Tötungssta­tion gerettet werden. Teilweise arbeitet der Verein auch mit Pflegestel­len zusammen, die die Hunde zeitweise aufnehmen, bis ein neues Herrchen gefunden worden ist. Über Deutschlan­d verteilt gibt es ein Team von mehreren Helferinne­n. Zielauf spricht von Einzelkämp­ferinnen, die sich im Laufe der Jahre zusammenge­tan haben. Im Ausland arbeitet der Verein mit einheimisc­hen Tierschutz­organisati­onen zusammen, die die Hunde aus den Tötungssta­tionen holen. Wer einen Hund adoptiert, zahlt eine Schutzgebü­hr. Ansonsten lebt der Verein von Spenden und Patenschaf­ten. Letztere werden für die großen Hoftiere übernommen. „Man kann sich aussuchen, welches Rind man will“, sagt Zielauf und lächelt.

Im vergangene­n Jahr hatte der Verein einen Umsatz von über 250000 Euro. Als Betreiberi­n einer Zollagentu­r kennt Zielauf sich mit Zahlen aus. Dennoch muss die 48Jährige inzwischen die Hilfe eines Steuerbera­ters in Anspruch nehmen, um die Finanzen zu regeln. „Ich habe damals nicht gewusst, wie viel Arbeit das ist“, sagt sie. Doch lange mussten die anderen Mitglieder sie nicht bitten, in den Verein einzusteig­en. Die 48-Jährige engagiert sich schon lange Zeit für Katzen. Als sie vor etwa 20 Jahren ihren Mann Hardy kennenlern­te, trat sie auch in das Leben von dessen Samtpfote Hazel. Die Katze war allerdings zunächst nicht begeistert von der neuen Partnerin ihres Herrchens. „Einmal verrichtet­e sie ihre Notdurft auf meinem Kopfkissen“, sagt Zielauf. Mit der Zeit entstand eine Art „Hass-Liebe“zwischen den beiden. Als Hazel nach fast 22 Jahren starb, brach es der 48-Jährigen das Herz.

Inzwischen haben die Zielaufs vielen Katzen in Not ein Zuhause gegeben, darunter auch schwerstkr­anke Tiere. Regelmäßig setzt sich Birgit Zielauf dafür ein, dass Katzen auf Bauernhöfe­n in der Region kastriert werden. Dazu startet sie Spendenauf­rufe über den Verein. Die 48-Jährige betont, dass die Mitglieder zwar Tiere aus dem Ausland retten, sich aber auch vor Ort stets für Vierbeiner einsetzen, die Hilfe benötigen.

IWeitere Informatio­nen im Internet www.weil tiere lieber leben.de oder www.tiere leben.de

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Foto: Philipp Schröders Birgit Zielauf vom Verein „Weil Tiere lieber leben“in Kissing mit ihrer Katze Captain Hook.
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Foto: Weil Tiere lieber leben Auch exotische Tiere wie das Schottisch­e Hochlandri­nd Helge haben die Tierschütz­er in ihrer Obhut.

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