Kissinger retten Vierbeiner vor dem Tod
Ein Verein kümmert sich um Nutztiere, für die in der Landwirtschaft kein Platz mehr ist. Zudem vermittelt er Hunde, denen die Giftspritze droht. Wie rasant sich das Projekt entwickelt hat
Kissing Schicksale wie das von Alma berühren die Mitglieder des Kissinger Vereins „Weil Tiere lieber leben“. Als fünf Monate altes Kalb wartete Alma im Schlachthof auf die Tötung. Es war seit mindestens zwei Tagen ohne Tränke und Futter. Zur Überraschung von Nicole Tschierse lag es dennoch lässig in der Box und wartete. „Kälber schreien sonst immer im Schlachthof, erst recht, wenn sie hungrig sind“, sagt sie. Doch Tschierse hatte damals das Gefühl, dass das Tier spürte, dass es überlebt. Sie entschied sich, das Kalb zu retten.
Inzwischen lebt Alma – ausgewachsen und wohlgenährt – auf dem „Lebenshof Wilde Hilde“in Kassel. Dort landen zum Beispiel Kühe, die aus Sicht der landwirtschaftlichen Produktion nicht mehr genug Milch geben oder Rinder, die nach der Geburt zu schwach sind. Die Rettung von Nutztieren ist aber nur eine Abteilung des Kissinger Vereins „Weil Tiere lieber leben“, die Mitglieder holen auch Hunde aus Tötungsstationen und vermitteln sie in Deutschland. Die vom Schlachthof geretteten Rinder, Ziegen und Schweine waren ein paar Jahre in Ottmaring untergebracht. Bald reichte dort der Platz jedoch nicht mehr aus. Innerhalb von etwas über zwei Jahren nahm der Verein etwa 100 Tiere auf. Seit dem vergangenen Jahr sind die großen Schützlinge auf dem Hof in Kassel untergebracht, wo mehr Platz ist. Tschierse, die früher für das Veterinäramt Aichach-Friedberg als Fleischbeschauerin arbeitete, kümmert sich inzwischen ganz um diesen Teil des Vereins.
Die Kissingerin Sabine Bessinger organisiert die Hundevermittlung. Die Streuner und verwahrlosten Tiere werden aus Tötungsstationen in Spanien oder den Balkanländern geholt. Dort droht den Tieren, mit einer Giftspritze beseitigt zu werden. Die dritte maßgebende Kraft im Verein ist die Kissingerin Birgit Zie- lauf. Sie kümmert sich um die Finanzen. Erst 2014 gegründet, hat sich der Verein in den vergangenen Jahren rasant entwickelt. Wie Zielauf erklärt, vermittelt er deutschlandweit Hunde. Meist sind die Tiere bereits adoptiert, wenn sie aus einer Tötungsstation gerettet werden. Teilweise arbeitet der Verein auch mit Pflegestellen zusammen, die die Hunde zeitweise aufnehmen, bis ein neues Herrchen gefunden worden ist. Über Deutschland verteilt gibt es ein Team von mehreren Helferinnen. Zielauf spricht von Einzelkämpferinnen, die sich im Laufe der Jahre zusammengetan haben. Im Ausland arbeitet der Verein mit einheimischen Tierschutzorganisationen zusammen, die die Hunde aus den Tötungsstationen holen. Wer einen Hund adoptiert, zahlt eine Schutzgebühr. Ansonsten lebt der Verein von Spenden und Patenschaften. Letztere werden für die großen Hoftiere übernommen. „Man kann sich aussuchen, welches Rind man will“, sagt Zielauf und lächelt.
Im vergangenen Jahr hatte der Verein einen Umsatz von über 250000 Euro. Als Betreiberin einer Zollagentur kennt Zielauf sich mit Zahlen aus. Dennoch muss die 48Jährige inzwischen die Hilfe eines Steuerberaters in Anspruch nehmen, um die Finanzen zu regeln. „Ich habe damals nicht gewusst, wie viel Arbeit das ist“, sagt sie. Doch lange mussten die anderen Mitglieder sie nicht bitten, in den Verein einzusteigen. Die 48-Jährige engagiert sich schon lange Zeit für Katzen. Als sie vor etwa 20 Jahren ihren Mann Hardy kennenlernte, trat sie auch in das Leben von dessen Samtpfote Hazel. Die Katze war allerdings zunächst nicht begeistert von der neuen Partnerin ihres Herrchens. „Einmal verrichtete sie ihre Notdurft auf meinem Kopfkissen“, sagt Zielauf. Mit der Zeit entstand eine Art „Hass-Liebe“zwischen den beiden. Als Hazel nach fast 22 Jahren starb, brach es der 48-Jährigen das Herz.
Inzwischen haben die Zielaufs vielen Katzen in Not ein Zuhause gegeben, darunter auch schwerstkranke Tiere. Regelmäßig setzt sich Birgit Zielauf dafür ein, dass Katzen auf Bauernhöfen in der Region kastriert werden. Dazu startet sie Spendenaufrufe über den Verein. Die 48-Jährige betont, dass die Mitglieder zwar Tiere aus dem Ausland retten, sich aber auch vor Ort stets für Vierbeiner einsetzen, die Hilfe benötigen.
IWeitere Informationen im Internet www.weil tiere lieber leben.de oder www.tiere leben.de