Studium fertig, und dann?
Die Suche nach dem richtigen Job kann ganz schön aufreibend sein. Man will ja nicht nur arbeiten, sondern auch noch leben
Schon drei Minuten nach der Abgabe meiner Masterarbeit meldete sich die Stimme in meinem Kopf, die fragte: „Und was machst du jetzt?“Dabei bin ich noch bis Ende September offiziell Studentin.
Viele Studierende der Geisteswissenschaften stellen sich die Frage nach dem weiteren Werdegang am Ende ihres Studiums. So auch ich. Dabei hätte ich die Berufswahl im besten Falle schon vorab bedenken sollen. Denn auf dem Arbeitsmarkt gibt es keine Stellen, die mit „Geschichtswissenschaftler, Kulturwissenschaftler gesucht“ausgeschrieben werden. Ein Studierender der Geisteswissenschaften muss im Idealfall schon vor dem Abschluss eine Berufsrichtung anpeilen.
Die Stimme in meinem Kopf war zwar vorübergehend verstummt. Ich habe realisiert, dass ich das erste Mal seit sechs Jahren in Urlaub fahren kann, ohne dass eine Hausarbeit über mir schwebt wie ein Damoklesschwert, aber sie meldete sich schon sehr bald wieder. Sechs Jahre gab es einen Plan für mich: Ich möchte mein Studium fertigmachen. Nachdem dieses Ziel nun realisiert ist, bin ich auf der Suche nach einem Neuen.
Natürlich habe ich mir Gedanken gemacht, in welche Richtung es gehen könnte und entsprechende Angebote besucht. Aber ein geisteswissenschaftliches Fach ist eben keine Ausbildung, sondern Bildung in jeglicher Hinsicht. Während des Studiums habe ich mir viel Selbstständigkeit angeeignet, Entdeckungen gemacht, ich habe gelernt zu Abstrahieren, und noch Vieles mehr.
Für den Arbeitsmarkt heißt das, dass man mich ins kalte Wasser schmeißen kann und ich werde schwimmen! Denn ich weiß, wie ich mich in neuen Gebieten zurechtfinde, und das innerhalb kurzer Zeit. Die Stellenausschreibung „Zurechtfinden in neuen Gebieten innerhalb kürzester Zeit“gibt es aber leider auch nicht.
Deswegen versuchen einige parallel zum Studium noch Minijobs und Praktika zu machen. Diese können sehr erfüllend oder auch völlig unnütz für den späteren Berufsweg sein. Im schlimmsten Fall hat man die Zeit, die man in das Studium, oder in das Amüsement hätte investieren können, verloren.
Was soll man also tun, wenn man nach dem Abschluss keinerlei Berufserfahrung hat? Der Rat bei einem Karriere-Coaching der Uni war, sich auf alles Mögliche, was mich interessieren könnte, zu bewerben. Ein Geisteswissenschaftler frisch von der Uni darf leider nicht gleich auf den Traumjob hoffen. Ich solle mich möglichst breit aufstellen und nach und nach den passenden Job rausfiltern. Dabei soll ich mir die Punkte aus meiner Persönlichkeit und meinem Lebenslauf raussuchen, die nur ich vorweisen kann. In meinem Fall ist es meine zweite Muttersprache und die Mitarbeit bei Amnesty International.
Es gibt allerdings auch einen anderen Ansatz. Eine Freundin hat mir geraten, erst einmal in mich zu gehen und den Traumjob zu visualisieren. Geisteswissenschaftler müssten sich ihre Stellen kreieren, sagte sie. Beide Wege werde ich in Angriff nehmen. Es steht jedoch eines fest: Nachdem ich sechs Jahre studiert habe, möchte ich mich mit einem uninteressanten Job nicht zufriedengeben.
Mit stupiden Arbeiten ist ein kreativer Geist schnell unterfordert und unmotiviert. Mit einem Job, der überfordert, sind aber selbst die ambitioniertesten Absolventen nicht zufrieden. Die Stimme des 21. Jahrhunderts scheint zu sagen: Die Erfüllung im Job liegt in einer gesunden Balance. Diesen Job gilt es jetzt zu finden. Yevgeniya Isakov studiert Geisteswissenschaften an der Uni Augsburg und schreibt für das Studen tenmagazin „Presstige“.