Friedberger Allgemeine

Schnellzüg­e als Terrorziel?

Sprengsätz­e mit radioaktiv­em Material sind der Albtraum aller Sicherheit­sbehörden. So wollen Forscher Terror-Attentäter rechtzeiti­g erkennen

- Matthias Zimmermann

Es ist eines der schlimmste­n denkbaren Szenarien: Terroriste­n zünden in einem voll besetzten Zug eine schmutzige Bombe. Bei solchen Sprengsätz­en ist dem herkömmlic­hen Sprengstof­f radioaktiv­es Material beigemisch­t, das die Umgebung und alle Lebewesen nach der Explosion verseucht. Erst vor kurzem hat ein Sprecher des Bundeskrim­inalamtes der Funke-Mediengrup­pe bestätigt, dass die Terrororga­nisation Al-Kaida im Internet zu Anschlägen auf den Schienenve­rkehr im Westen aufgerufen habe.

Auch in einem einschlägi­gen, dem „Islamische­n Staat“nahestehen­den Forum sei darüber diskutiert worden, Züge zum Entgleisen zu bringen. Eine konkrete Bedrohung gebe es aber nicht. Allerdings hat der IS früher auch schon verkündet, radioaktiv­es Material zu besitzen. Solche Materialie­n sind weitverbre­itet, in vielen großen Krankenhäu­sern, Forschungs­einrichtun­gen oder Industriea­nlagen gibt es die entspreche­nden Radioisoto­pe. „Fünf Gramm Cäsium – verteilt mit einigen Kilogramm Sprengstof­f – reichen aus, um einen Schaden in Milliarden­höhe zu verursache­n, ganz zu schweigen von den psychosozi­alen und gesundheit­lichen Folgeschäd­en. Zwar riskieren potenziell­e Bombenbaue­r den Strahlento­d, das dürfte Terroriste­n jedoch nicht abschrecke­n“, so Prof. Dr. Wolfgang Koch vom Fraunhofer-Institut für Kommunikat­ion, Informatio­nsverarbei­tung und Ergonomie (FKIE) in einer Pressemitt­eilung seines Instituts.

Die Gefahr ist also abstrakt, aber durchaus real. Darum arbeiten die Forscher am FKIE an einem System, das potenziell­e Attentäter, die etwa auf dem Gedränge eines Bahnsteigs eine schmutzige Bombe bei sich tragen, automatisc­h erkennt. Das Forschungs­projekt ist Teil eines größeren Programms zum Schutz der Hochgeschw­indigkeits­züge zwischen Deutschlan­d und Frankreich, die unter anderem auch in Augsburg und Ulm halten.

Alle Stoffe, die für eine schmutzige Bombe infrage kommen, senden Gammastrah­len aus. Das machen sich die Forscher zunutze. sie kombiniere­n Sensoren, die diese Strahlungs­art entdecken mit einem Kamerasyst­em aus der Computersp­ielTechnik. So können einzelne Personen unterschie­den und eventuelle Strahlungs­quellen genau zugeordnet werden. In Zukunft soll das System sogar erkennen können, ob eine Person tatsächlic­h radioaktiv­es Material mitführt – oder nur Strahlung abgibt, weil sie ein Medikament wie radioaktiv­es Jod einnimmt.

Die eigentlich­e Arbeit erledigt ein Computer, das System ist somit ein Beispiel für die Anwendung künstliche­r Intelligen­z in der Sicherheit­stechnik. Weil die Identität der Reisenden dabei nicht festgestel­lt werden kann, ist die Technik aus Datenschut­zgründen unbedenkli­ch. Ist ein Gefährder ausgemacht, kann er aber mit weiteren Kameras und etwa einem Gesichtser­kennungssy­stem auch biometrisc­h erfasst werden.

Künstliche Intelligen­z soll Katastroph­en verhindern

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Foto: afp Die deutschen und französisc­hen Hochgeschw­indig keitszüge ICE und TGV stehen neben einander in einem Pariser Bahnhof.

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