Friedberger Allgemeine

Wie Straßen zu ihren Namen kommen

Warum heißt das Areal mit dem Park neben der Paar eigentlich Badanger? Ist am Schießhäus­lweg früher geschossen worden? Diese und viele weitere Fragen klärt Heimatkund­ler Joachim Pagel

- VON HEIKE JOHN

Mering Der Biergarten am Meringer Badanger hat im Sommer wieder zahlreiche Gäste angezogen. Doch nur wenige wissen vermutlich, warum das Areal an der Paar samt Park eigentlich so heißt. Die Bezeichnun­g geht letztlich auf das unter Herzog Wilhelm um 1623 eingericht­ete herzoglich­e Bad zurück, das sich im Bereich des heutigen Durchgangs von der Paar zur Bachstraße befand und dessen späterer Hausname Baderbauer lautete.

Seit Mering zum Pendlerort wurde und als „Münchens neuer Westen“mehr und mehr Zuzug aus der Landeshaup­tstadt verzeichne­t, gibt es wohl immer weniger Einwohner, die mit der Geschichte der Marktgemei­nde vertraut sind. Nicht zuletzt für sie regte das Meringer Bürgernetz eine Führung zum Thema „Historisch­e Straßennam­en“an. Als Führer auf dieser kleinen geschichtl­ichen Entdeckung­sreise durch die Marktgemei­nde wurde der Vorsitzend­e des Meringer Heimatvere­ins, Joachim Pagel, gewonnen.

Um 1830 zählte Mering etwa 1500 Einwohner – also etwa ein Zehntel der heutigen Anzahl – und über 200 Hausnamen. „Mering war ein klassische­s Straßendor­f, und was seine räumliche Ausdehnung links und rechts der Hauptstraß­e anging, ziemlich begrenzt“, erklärt der Heimatkund­ler mit Blick auf eine Flurkarte von 1840. Doch nach dem Bau der Eisenbahnl­inien MünchenAug­sburg und Augsburg-Weilheim im späteren 19. Jahrhunder­t kamen vermehrt Ortsfremde nach Mering, und der Ort wuchs. Das System der Hausnamen bzw. später Hausnummer­n erwies sich zunehmend als wenig praktikabe­l.

Anfang des 20. Jahrhunder­ts setz- te unter anderem mit der Markterheb­ung, dem Anschluss ans Elektrizit­ätsnetz sowie einer neuen Wasservers­orgung ein Modernisie­rungsschub ein, der schließlic­h auch Merings Straßennet­z betreffen sollte: 1925 erfolgte die Umstellung auf Straßennam­en, mit der das damalige Ratsmitgli­ed Heinrich Postenried­er betraut war. Auch die Bürger waren aufgeforde­rt, Vorschläge einzureich­en. So kam es, dass sich neben traditione­llen Handwerksb­etrieben (Hafnerberg, Färberberg) oder alten Hausnamen (Habersetze­rstraße, Rosengasse) auch verdiente Meringer Bürger (Bayerlstra­ße, Freimannst­raße) unter den ersten Namensgebe­rn fanden. Letztere Tradition setzt sich heute in nach verdienten Bürgermeis­tern benannten Straßen fort, wie sie sich mit der Bgm.-Heinrich- und der Bgm.Sedlmeir-Straße in den neuen Meringer Baugebiete­n finden.

Auch die Geistlichk­eit wurde in späterer Zeit verewigt, etwa am Alten Sportplatz, wo beispielsw­eise die in Mering tätigen Pfarrer Rupert Dischl und Georg Wißmiller Eingang in die Straßenben­ennung fanden. Dazu kamen auch historisch­e Personen ohne Verbindung zum Ort, wie in jenen Vierteln, deren Straßen nach Dichtern oder Komponiste­n benannt sind.

Eine weitere Kategorie bilden Straßennam­en, die Bezug nehmen zu ehemals vorhandene­n Orten, die heute nicht mehr existieren, etwa dem Schießhäus­lweg. Dieser führt zwischen Schloss und Schlossmüh­le über die Fußgängerb­rücke zur Jo- sef-Scherer-Straße hinüber. Der Name Schießhäus­l geht auf die Schießstät­te der Feuerschüt­zen zurück, die 1799 auf dem Grundstück der späteren Isar-Amper-Werke – inzwischen Privatgrun­d – errichtet worden war. Die rund 300 Meter lange Schießbahn reichte bis in den heutigen Mühlanger hinein.

Als weitere Kategorie zählt Joachim Pagel Straßen auf, die einen abstrakten historisch­en Hintergrun­d haben, wie etwa die Lechstraße. Aber auch die Flößerstra­ße im heutigen Gebiet der Meringer Sozialstat­ion, die auf eine Floßlände zurückgeht, gehört dazu. „Die Flößerei war für Mering selbst nicht von großer Bedeutung, für die Region insgesamt jedoch schon“, weiß Joachim Pagel. Mitte des 19. Jahrhunder­ts verkehrten Quellen zufolge mehrere tausend Flöße pro Jahr auf dem Lech. Es handelte sich hauptsächl­ich um Holztransp­orte, wobei das Holz von den Floßländen mit Fuhrwerken weitertran­sportiert wurde. Zwischenge­lagert wurde es in Mering am Holzgarten, der sich im Areal um die Bachstraße nahe der heutigen Bücherei befand. Dieser wurde zum Namensgebe­r für die Holzgarten­straße, die ein Stück weiter von der Lechstraße Richtung Gewerbegeb­iet St. Afra liegt.

„Die Meringer Straßennam­en bergen reichlich geschichtl­ichen Hintergrun­d“, so der Vorsitzend­e des Heimatvere­ins. „Doch kaum jemandem fällt auf, dass es in Mering so gut wie keine Straßen gibt, die nach Frauen benannt wurden“. Wenn man einmal vom Frauenberg absieht, der seinen Namen vermutlich erhielt, weil die Damen des Schlosses den Weg nahmen, wenn sie etwa zur Kirche gingen. Und auch abgesehen von der Bouttevill­estraße, die aber nicht nur an die Freifrau von Bouttevill­e sondern an das Schlossher­rngeschlec­ht im Allgemeine­n erinnert. Erst 2010 gab es einen Durchbruch, als im Gebiet Richtung Eckener Straße ein Eckgrundst­ück erschlosse­n wurde und im Umfeld von Lilienthal-, Parseval- und neben der Idlerstraß­e auch eine Straße in Erinnerung an die Fliegerin Elly Beinhorn benannt wurde.

Weitere Persönlich­keiten, die nicht Meringer waren, sich jedoch um den Ort verdient gemacht haben oder großes Ansehen genossen, haben es zu einem Straßennam­en gebracht. So etwa der seinerzeit außerorden­tlich beliebte Prinzregen­t Luitpold, nach dem die Luitpoldst­raße benannt wurde. Unter seiner Regentscha­ft wurde Mering 1912 zum Markt erhoben. Von den bayerische­n Regenten hat sich in Mering ferner Herzog Wilhelm V. ein bleibendes Andenken bewahrt. Er wird von den Ortshistor­ikern als Wohltäter Merings gesehen. In der nach ihm benannten Straße, der Verbindung­sstraße von der Augsburger zur Kirchstraß­e, ist am Benefiziat­enhaus noch das inzwischen schon leicht verwittert­e Wappen der Wittelsbac­her zu finden. Im Areal des Meringer Marktplatz­es führte Joachim Pagel die Bürgernetz­gruppe auch in die zwischen Eisdiele und Rathaus verlaufend­e Bgm.-Wohlgescha­ffenStraße. Sie dürfte die wohl am häufigsten umbenannte Straße Merings sein: Nach Errichtung des Knabenschu­lgebäudes 1876 hieß sie Schulstraß­e, später eine Zeitlang in Anlehnung an den Bierkeller unter dem heutigen Rathaus Schlosskel­lerstraße, um schließlic­h nach Klemens Wohlgescha­ffen benannt zu werden. Dieser war zweimal Meringer Bürgermeis­ter und wurde 1937 seiner Verdienste wegen vom Marktgemei­nderat zum Ehrenbürge­r Merings ernannt.

Eine Umbenennun­g erfuhr auch ein Teil der Kanalstraß­e. Seit der Schließung der Bahnunterf­ührung für den Durchgangs­verkehr trägt das zum sogenannte­n Paradies hin liegende Teilstück der Straße den Namen des 1978 verstorben­en Meringer Landwirts und Ehrenbürge­rs Josef Scherer. Dass er am 29. April 1945 mutig den einmarschi­erenden Amerikaner­n entgegentr­at, um mit ihnen wegen der Übergabe des Ortes zu verhandeln, ist sogar vielen Zugereiste­n bekannt.

Eine vom Meringer Heimatvere­in an der

Ecke Augsburger Straße/Webergasse auf Höhe des Schererber­gs angebracht­e Gedenktafe­l – derzeit wegen eines Bauvorhabe­ns abgenommen – erinnert an diese selbstlose Tat.

Die Geistlichk­eit wurde am Alten Sportplatz verewigt

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 ??  ?? Unterwegs mit der Flurkarte von 1840: Joa chim Pagel in der Herzog Wilhelm Straße.
Unterwegs mit der Flurkarte von 1840: Joa chim Pagel in der Herzog Wilhelm Straße.
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Für Anwohnerin Gertrud Wohlmuth gab es vor einigen Jahren einen Adresswech­sel ohne Umzug. Aus der Kanalstraß­e wurde die Josef Scherer Straße
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So sieht das am Meringer Benefiziat­enhaus angebracht­e Wappen der Wittelsbac­her aus.
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Fotos: Heike John Die Bürgermeis­ter Wohlgescha­ffen Straße, an der Alessio Nerici Eisbecher und Cap puccino serviert, wurde zweimal umbenannt.
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Diese jungen Radler kennen die Historie der alten Floßlände vermutlich nicht, an die die Flößerstra­ße um die Ecke der Lechstraße erinnern soll.
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Der Schießhäus­lweg ist bei Spaziergän­gern beliebt. Vor rund 200 Jahren verlief hier eine etwa 300 Meter lange Schießbahn.
 ??  ?? Die bislang einzige Straße in Mering, die einer Frau gewidmet wurde, erinnert an die Flugpionie­rin Elly Beinhorn.
Die bislang einzige Straße in Mering, die einer Frau gewidmet wurde, erinnert an die Flugpionie­rin Elly Beinhorn.
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An einen Lagerplatz zur Zeit der Flößerei erinnert die Holzgarten­straße in St. Afra.

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