Drachenzähmen leicht gemacht
Es wird Herbst, der Wind kommt, aus gegebenem Anlass also: Die wichtigsten Tipps vom Kauf bis zum Flug der Drachen
Drachen ist nicht gleich Drachen: Das Angebot ist zwar groß, aber nicht jeder Drachen ist für jeden Wind und jeden Drachenbändiger geeignet. Vor allem Anfänger sind schnell frustriert, wenn der schöne neue Lenkdrachen gar nicht erst zum Aufsteigen zu bewegen ist oder ganz einfach macht, was er will. Mit ein bisschen Knowhow ist das Drachenzähmen aber ein Kinderspiel.
Der Drachen
Anfänger machen oft den Fehler, dass sie zu kleine Drachen kaufen. Einsteiger sollten lieber größere Drachen mit 150 Zentimeter Spannweite und mehr wählen, weil diese sehr viel gutmütiger reagieren und sich leichter beherrschen lassen. Hektisch fliegende Kleindrachen verzeihen Fehler nicht so leicht. Der Leine kommt darüber hinaus eine entscheidende Bedeutung zu. Unterschiedliche Materialien gibt es reichlich, aber nicht jede Leine ist für jeden Drachen geeignet. Der klassische Einleinerdrachen, der, wie der Name schon sagt, nur über eine einzige Leine mit dem Piloten verbunden ist, sollte sich zu einem gewissen Teil dehnen lassen, um Windstöße abfedern zu können. Der Drachen fliegt so sehr viel ruhiger.
Im Gegensatz dazu muss ein Lenkdrachen die Lenkbefehle möglichst direkt umsetzen, eine dehnbare Leine wäre hier also völlig fehl am Platze. Mit anderen Worten: Für klassische Einleiner sind Polyesterleinen ideal, die sich bis zu 30 Prozent dehnen lassen. Für Lenkdrachen hingegen eignen sich besonders gut Leinen aus Hochmodulpolyäthylen (HMP) oder auch Aramidbzw. Kevlarleinen, die sich in der Länge kaum verändern, maximal um drei oder vier Prozent. Auch die Länge der Leine spielt eine wichtige Rolle. Lenkdrachen lassen sich am besten mit 20 bis 30 Meter langen Leinen beherrschen, für alle anderen darf es auch ruhig etwas mehr sein.
Die Sicherheit
Vor allem Lenkdrachenbesitzer kommen oft in die Versuchung, mit den bloßen Fingern regulierend in die Leine zu fassen. Genau das kann zu bösen Verbrennungen und Schnitten führen. Ohne geeignete Handschuhe sollte man das auf keinen Fall tun. Womit wir bei der Sicherheit wären. Klar, dass man Drachen nur auf einem großen geeigneten Gelände steigen lässt, 250 Meter Platz im Rücken sollten es schon sein. Um Flughäfen herum existiert übrigens eine Sicherheitszone. Aber auch in der Nähe von Gebäuden, Tierweiden, Straßen, Bahnschienen und Hochspannungsleitungen sollte man den Drachen nicht steigen lassen. Über den Köpfen von Passanten oder Tieren fliegt man ohnehin nicht, denn ein abstürzender Drachen kann ungeheure Kräfte entfalten und durchaus ein Autodach durchschlagen. Auch Gewitter sind tabu, denn spätestens seit Benjamin Franklin wissen wir, dass Drachen hervorragende Blitzableiter sind.
Wer das Unheil kommen sieht und es nicht schafft, seinen Drachen daran zu hindern, in eine Hochspannungsleitung zu fliegen, der sollte frühzeitig die Leine loslassen und auf gar keinen Fall versuchen, daran ziehend den Drachen wieder freizubekommen. Und nein, das ist kein populärer Irrtum: Bäume und hohe Gebäude können wirklich wie Magnete wirken. Die dort entstehenden Luftverwirbelungen können Drachen auch entgegen der vorherrschenden Windrichtung regelrecht anziehen.
Der Wind
Apropos Wind: Nicht jeder Drachen ist für jede Windstärke geeignet. Im Allgemeinen wird sich die vom Hersteller empfohlene Windgeschwindigkeit auf der Verpackung des Drachens finden. Es gibt Modelle, die ganz ohne Wind sogar in der Halle fliegen, wie die Indoorkites (der Pilot läuft und hält den Drachen so in der Luft) bis hin zu Modellen für Profis, die auch für Starkwind geeignet sind. Im Allgemeinen eignet sich der Wind bis ca. 30 km/h Geschwindigkeit gut zum Drachenfliegen. Das ist in etwa der Bereich, in dem Gräser und dünne Zweige beginnen, sich zu bewegen, bis hin zu dem Punkt, an dem Laub schon laut rauscht, Äste sich vom Wind biegen und ganze Baumkronen wippen. Für noch stärkere Windgeschwindigkeiten sollte man schon über einige Erfahrung im Drachensteigenlassen verfügen.
Die Anfängerfehler
Aber auch wenn der Wind richtig weht, kann man Fehler machen. Weit verbreitet ist das Hochwerfen des Drachens beim Start. Das allerdings führt schnell zu unkontrollierbaren Enttäuschungen. Vielmehr also sollte man zum Starten des Drachens ganz einfach mit gleichmäßigem Zug an der Leine bzw. den Leinen ziehen, eventuell dabei noch zwei bis drei Schritte zurückgehen. Lenkdrachenbesitzer machen darüber hinaus oft den Fehler, gleich nach dem Start hektisch an den Leinen zu reißen und anspruchsvolle Figuren fliegen zu wollen. Am Anfang genügt es allerdings zum Kennenlernen der Flugeigenschaften vollkommen, die Leinen mit Bedacht zu betätigen. Der Absturz ist sonst nämlich schon programmiert.
Drachen müssen aber nicht abstürzen, man kann sie auch ganz normal und materialschonend landen lassen, indem man ihnen reichlich Leine gibt. Scheint der Absturz unausweichlich, so hilft es oft, die Arme nach vorn zu reißen und einige Schritte auf den Drachen zuzugehen. Einer der größten Anfängerfehler ist es aber, nach den ersten enttäuschenden Flugversuchen gleich an der Einstellung zu fummeln.
Die Einstellungssache
Mit dem Verschieben des sogenannten Waagerings lässt sich der Drachen einstellen. Er befindet sich dort, wo die Leine am Drachen befestigt ist. Oftmals ist diese Stelle an der Leine farblich markiert, um die Grundeinstellung auch nach dem Verstellen wiederfinden zu können. Diese Waageringe sollten immer nur im Millimeterbereich verstellt werden. Allgemein gilt: das Verschieben des Waagerings in Richtung Schwanz bringt eine größere Flugstabilität, in Richtung Nase des Drachens erhöht den Auftrieb. Steigt der Drachen nicht auf: Waagering Richtung Nase. Steigt er hingegen auf, kippt am Himmel aber nach vorn weg: Waagering Richtung Schwanz. Das gilt übrigens, falls der Drachen am Himmel schnelle enge Kreise zieht. Auch in diesem Fall muss der Waagering zum Schwanz hin verschoben werden. Apropos Schwanz: Auch ein Schwanz kann helfen, die Flugstabilität zu erhöhen. Dieser sollte möglichst leicht sein, dafür darf er aber ruhig etwas länger ausfallen.
Manchmal hilft aber alles nichts und der Drachen fliegt ganz unkontrolliert mal nach links und mal nach rechts oder dreht enge Kreise in diese Richtungen. Vor allem Lenk- und Mehrleinerdrachen können dieses Flugverhalten durchaus schon einmal zeigen. Dann lohnt es sich, die Symmetrie der Waageringe und Leinen zu überprüfen sowie den korrekten Sitz der Gestänge. Wer das nun alles beherzigt, kann ja eigentlich nichts mehr falsch machen. Das Drachenbändigen ist nun ein Kinderspiel – auch für Erwachsene.