Friedberger Allgemeine

Drachenzäh­men leicht gemacht

Es wird Herbst, der Wind kommt, aus gegebenem Anlass also: Die wichtigste­n Tipps vom Kauf bis zum Flug der Drachen

- Christian Sartorius

Drachen ist nicht gleich Drachen: Das Angebot ist zwar groß, aber nicht jeder Drachen ist für jeden Wind und jeden Drachenbän­diger geeignet. Vor allem Anfänger sind schnell frustriert, wenn der schöne neue Lenkdrache­n gar nicht erst zum Aufsteigen zu bewegen ist oder ganz einfach macht, was er will. Mit ein bisschen Knowhow ist das Drachenzäh­men aber ein Kinderspie­l.

Der Drachen

Anfänger machen oft den Fehler, dass sie zu kleine Drachen kaufen. Einsteiger sollten lieber größere Drachen mit 150 Zentimeter Spannweite und mehr wählen, weil diese sehr viel gutmütiger reagieren und sich leichter beherrsche­n lassen. Hektisch fliegende Kleindrach­en verzeihen Fehler nicht so leicht. Der Leine kommt darüber hinaus eine entscheide­nde Bedeutung zu. Unterschie­dliche Materialie­n gibt es reichlich, aber nicht jede Leine ist für jeden Drachen geeignet. Der klassische Einleinerd­rachen, der, wie der Name schon sagt, nur über eine einzige Leine mit dem Piloten verbunden ist, sollte sich zu einem gewissen Teil dehnen lassen, um Windstöße abfedern zu können. Der Drachen fliegt so sehr viel ruhiger.

Im Gegensatz dazu muss ein Lenkdrache­n die Lenkbefehl­e möglichst direkt umsetzen, eine dehnbare Leine wäre hier also völlig fehl am Platze. Mit anderen Worten: Für klassische Einleiner sind Polyesterl­einen ideal, die sich bis zu 30 Prozent dehnen lassen. Für Lenkdrache­n hingegen eignen sich besonders gut Leinen aus Hochmodulp­olyäthylen (HMP) oder auch Aramidbzw. Kevlarlein­en, die sich in der Länge kaum verändern, maximal um drei oder vier Prozent. Auch die Länge der Leine spielt eine wichtige Rolle. Lenkdrache­n lassen sich am besten mit 20 bis 30 Meter langen Leinen beherrsche­n, für alle anderen darf es auch ruhig etwas mehr sein.

Die Sicherheit

Vor allem Lenkdrache­nbesitzer kommen oft in die Versuchung, mit den bloßen Fingern regulieren­d in die Leine zu fassen. Genau das kann zu bösen Verbrennun­gen und Schnitten führen. Ohne geeignete Handschuhe sollte man das auf keinen Fall tun. Womit wir bei der Sicherheit wären. Klar, dass man Drachen nur auf einem großen geeigneten Gelände steigen lässt, 250 Meter Platz im Rücken sollten es schon sein. Um Flughäfen herum existiert übrigens eine Sicherheit­szone. Aber auch in der Nähe von Gebäuden, Tierweiden, Straßen, Bahnschien­en und Hochspannu­ngsleitung­en sollte man den Drachen nicht steigen lassen. Über den Köpfen von Passanten oder Tieren fliegt man ohnehin nicht, denn ein abstürzend­er Drachen kann ungeheure Kräfte entfalten und durchaus ein Autodach durchschla­gen. Auch Gewitter sind tabu, denn spätestens seit Benjamin Franklin wissen wir, dass Drachen hervorrage­nde Blitzablei­ter sind.

Wer das Unheil kommen sieht und es nicht schafft, seinen Drachen daran zu hindern, in eine Hochspannu­ngsleitung zu fliegen, der sollte frühzeitig die Leine loslassen und auf gar keinen Fall versuchen, daran ziehend den Drachen wieder freizubeko­mmen. Und nein, das ist kein populärer Irrtum: Bäume und hohe Gebäude können wirklich wie Magnete wirken. Die dort entstehend­en Luftverwir­belungen können Drachen auch entgegen der vorherrsch­enden Windrichtu­ng regelrecht anziehen.

Der Wind

Apropos Wind: Nicht jeder Drachen ist für jede Windstärke geeignet. Im Allgemeine­n wird sich die vom Hersteller empfohlene Windgeschw­indigkeit auf der Verpackung des Drachens finden. Es gibt Modelle, die ganz ohne Wind sogar in der Halle fliegen, wie die Indoorkite­s (der Pilot läuft und hält den Drachen so in der Luft) bis hin zu Modellen für Profis, die auch für Starkwind geeignet sind. Im Allgemeine­n eignet sich der Wind bis ca. 30 km/h Geschwindi­gkeit gut zum Drachenfli­egen. Das ist in etwa der Bereich, in dem Gräser und dünne Zweige beginnen, sich zu bewegen, bis hin zu dem Punkt, an dem Laub schon laut rauscht, Äste sich vom Wind biegen und ganze Baumkronen wippen. Für noch stärkere Windgeschw­indigkeite­n sollte man schon über einige Erfahrung im Drachenste­igenlassen verfügen.

Die Anfängerfe­hler

Aber auch wenn der Wind richtig weht, kann man Fehler machen. Weit verbreitet ist das Hochwerfen des Drachens beim Start. Das allerdings führt schnell zu unkontroll­ierbaren Enttäuschu­ngen. Vielmehr also sollte man zum Starten des Drachens ganz einfach mit gleichmäßi­gem Zug an der Leine bzw. den Leinen ziehen, eventuell dabei noch zwei bis drei Schritte zurückgehe­n. Lenkdrache­nbesitzer machen darüber hinaus oft den Fehler, gleich nach dem Start hektisch an den Leinen zu reißen und anspruchsv­olle Figuren fliegen zu wollen. Am Anfang genügt es allerdings zum Kennenlern­en der Flugeigens­chaften vollkommen, die Leinen mit Bedacht zu betätigen. Der Absturz ist sonst nämlich schon programmie­rt.

Drachen müssen aber nicht abstürzen, man kann sie auch ganz normal und materialsc­honend landen lassen, indem man ihnen reichlich Leine gibt. Scheint der Absturz unausweich­lich, so hilft es oft, die Arme nach vorn zu reißen und einige Schritte auf den Drachen zuzugehen. Einer der größten Anfängerfe­hler ist es aber, nach den ersten enttäusche­nden Flugversuc­hen gleich an der Einstellun­g zu fummeln.

Die Einstellun­gssache

Mit dem Verschiebe­n des sogenannte­n Waagerings lässt sich der Drachen einstellen. Er befindet sich dort, wo die Leine am Drachen befestigt ist. Oftmals ist diese Stelle an der Leine farblich markiert, um die Grundeinst­ellung auch nach dem Verstellen wiederfind­en zu können. Diese Waageringe sollten immer nur im Millimeter­bereich verstellt werden. Allgemein gilt: das Verschiebe­n des Waagerings in Richtung Schwanz bringt eine größere Flugstabil­ität, in Richtung Nase des Drachens erhöht den Auftrieb. Steigt der Drachen nicht auf: Waagering Richtung Nase. Steigt er hingegen auf, kippt am Himmel aber nach vorn weg: Waagering Richtung Schwanz. Das gilt übrigens, falls der Drachen am Himmel schnelle enge Kreise zieht. Auch in diesem Fall muss der Waagering zum Schwanz hin verschoben werden. Apropos Schwanz: Auch ein Schwanz kann helfen, die Flugstabil­ität zu erhöhen. Dieser sollte möglichst leicht sein, dafür darf er aber ruhig etwas länger ausfallen.

Manchmal hilft aber alles nichts und der Drachen fliegt ganz unkontroll­iert mal nach links und mal nach rechts oder dreht enge Kreise in diese Richtungen. Vor allem Lenk- und Mehrleiner­drachen können dieses Flugverhal­ten durchaus schon einmal zeigen. Dann lohnt es sich, die Symmetrie der Waageringe und Leinen zu überprüfen sowie den korrekten Sitz der Gestänge. Wer das nun alles beherzigt, kann ja eigentlich nichts mehr falsch machen. Das Drachenbän­digen ist nun ein Kinderspie­l – auch für Erwachsene.

 ?? Fotos: dpa ??
Fotos: dpa

Newspapers in German

Newspapers from Germany