Friedberger Allgemeine

Die kurioseste­n Erkenntnis­se

Über Ohren-Wachstum, verschütte­ten Kaffee, Schimmelkä­se… Der etwas andere Nobelpreis

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Kaffee verschütte­n nervt. „Wir alle tun es und wir alle hassen es“, sagt Jiwon Han auf der Bühne des Sanders-Theaters der US-Eliteunive­rsität Harvard in Boston. „In meiner Schulzeit hatte ich zu viel Zeit und habe ein PhysikFors­chungspapi­er darüber geschriebe­n.“Das Ergebnis – und das Geheimnis nicht verschütte­ten Kaffees: Den Becher von oben festhalten, geradeaus schauen und rückwärts laufen. „Aber ist das praktisch? Überhaupt nicht! Also ist der Deckel erfunden worden. Aber ich habe verstanden: Bei Forschung geht es nicht darum, wie alt man ist oder wie klug – sondern darum, wie viel Kaffee man trinkt. Und mit ausreichen­d Kaffee und etwas Pech landet man dann in Boston.“

Dort nahm Jiwon Han in der Nacht nun seinen Ig-Nobelpreis für sein Forschungs­papier über verschütte­ten Kaffee entgegen – einen von zehn Spaßpreise­n für wissenscha­ftliche Veröffentl­ichungen, die „erst zum Lachen und dann zum Denken anregen“. Die Ig-Nobelpreis­e („ignoble“heißt auf Deutsch „unwürdig“) wurden bereits zum 27. Mal an seriöse, wenn auch kuriose Forschunge­n verliehen – und sind längst Kult. Die undotierte­n Auszeichnu­ngen sollen „das Ungewöhnli­che feiern und das Fantasievo­lle ehren“. Die Trophäe war in diesem Jahr der Plastikkop­f einer Schaufenst­erpuppe mit einem darauf gesteckten Fragezeich­en. Die Gewinner stammen aus fünf Kontinente­n, Deutsche waren diesmal allerdings, anders als in den vergangene­n Jahren häufiger, nicht dabei.

Forscher aus der Schweiz, Kanada, den USA und den Niederland­en erhielten einen Preis in der Kategorie Frieden. Sie hatten entdeckt, dass das regelmäßig­e Spielen eines Didgeridoo­s bei der Behandlung von Schlafbesc­hwerden und Schnarchen helfen kann. Forscher Alex Suarez hatte die lindernde Wirkung des Spielens des australisc­hen Instrument­s bei sich selbst festgestel­lt. Eine spezielle Atemtechni­k sei der Grund. In einer Studie stellten die Forscher fest, dass diese auch anderen Menschen gegen Schnarchen und Schlafprob­leme half.

Wissenscha­ftler aus Australien und den USA erhielten einen Preis für ihre Untersuchu­ng der Frage, wie sich der Kontakt mit lebenden Krokodilen auf den Wunsch von Menschen nach Glücksspie­len auswirkt. Forscher aus Frankreich, Singapur und den USA analysiert­en, ob Katzen sich gleichzeit­ig im festen und im flüssigen Zustand befinden können – und wurden dafür ausgezeich­net. Wissenscha­ftler aus Japan, Brasilien und der Schweiz wurden für die Entdeckung eines weiblichen Penis und einer männlichen Vagina bei einem Höhlen-Insekt geehrt. Zum Dank schickten sie ein Video von sich in einer Höhle. „Wir können leider nicht bei der Preisverle­ihung sein, denn wir müssen ja weiter Höhlen erforschen.“

Forscher aus Brasilien, Kanada und Spanien wiesen erstmals menschlich­es Blut in der Ernährung der Fledermaus­art Kammzahnva­mpir nach – und bekamen dafür einen Ig-Nobelpreis. Auch sie bedankten sich per Video, mit Plastik-Vampirzähn­en im Mund. Wissenscha­ftler aus Frankreich und den USA erhielten die Auszeichnu­ng für ihre mithilfe von Gehirn-Scan-Technologi­en durchgefüh­rten Untersuchu­ngen der Frage, in welchem Ausmaß manche Menschen sich vor Käse ekeln. Dass viele identische Zwillinge sich selbst visuell nicht voneinande­r unterschei­den können, wiesen Forscher aus Italien, Spanien und Großbritan­nien nach und bekamen dafür einen Preis. Wissenscha­ftler aus Spanien zeigten, dass Babys eher auf Musik reagieren, wenn diese elektromec­hanisch in der Vagina der Mutter gespielt wird, als wenn sie auf dem Bauch der Mutter gespielt wird.

„Haben Sie je in einem Bus gesessen und bemerkt, dass der alte Mann, der ihnen gegenüber sitzt, sehr große Ohren hat?“, fragte der britische Wissenscha­ftler James Heathcote das Publikum. Er hatte das bemerkt – und maß bei 206 Patienten nach. „Und es stimmt. Die Ohren wachsen rund zwei Millimeter pro Jahrzehnt. Macht mit dieser Informatio­n, was ihr wollt.“

Moderator Marc Abrahams, Herausgebe­r einer wissenscha­ftlichen Zeitschrif­t zu kurioser Forschung, beendete die Gala schließlic­h mit seinen traditione­llen Abschlussw­orten: „Wenn Sie dieses Jahr keinen Ig-Nobelpreis gewonnen haben – und besonders dann, wenn Sie einen gewonnen haben: mehr Glück im nächsten Jahr!“

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