Friedberger Allgemeine

Zigarette

- VON WOLFGANG SCHÜTZ kultur@augsburger allgemeine.de

Wo ist sie? Das muss man doch fragen angesichts dieses Bildes, das die neue Zwei-Euro-Münze vorstellt, die Anfang 2018 in Auflage von 30 Millionen Stück herauskomm­t. Zu sehen ist dann anlässlich seines 100. Geburtstag der vor zwei Jahren gestorbene Alt-Kanzler Helmut Schmidt, in typischer Pose. Alles passt, bloß eines fehlt: die Zigarette. Sie war nicht nur für ihn obligatori­sch, sondern für diese Pose mit dieser Handhaltun­g und dieser Fingerstel­lung geradezu konstituti­v. Und so sieht man sie fast, doch sie ist nicht da.

Mancher mag daran denken, wie Comic-Cowboy Lucky Luke einst der Glimmsteng­el abhandenka­m – hätte man nicht auch Schmidt mit Strohhalm substituie­ren sollen? Ein anderer mag daran denken, dass es in „seiner“Zeitung Die Zeit die Kolumne des Chefredakt­eurs Giovanni DiLorenzo gab mit einem Titel, der nun lückenhaft wirkt: „Auf eine … mit Helmut Schmidt“. Münz-Designer Bodo Broschat rechtferti­gte sich gegenüber dem Blatt, schon in den Achtzigern sei ein Entwurf der Zwei-Mark-Münze gescheiter­t, der Ludwig Erhard mit der für ihn obligatori­schen Zigarre zeigte. Klar, wie das dann in unseren gesundheit­sfanatisch­en und rauchfeind­lichen Zeiten mit der Zigarette bei Schmidt ausgehen musste. Schmidt selbst wird in der

Zeit aus dem Jahr 2012 zitiert: „Diese Anti-Raucher-Kampagne ist eine vorübergeh­ende Modeersche­inung, die wird in zwanzig Jahren wieder zu Ende gehen. Das ist so wie mit der Prohibitio­n, die ist auch gescheiter­t.“Besonders populär wäre die Aussage vom sonst so Beliebten aktuell wohl nicht. Aber interessan­t: Nachdem in den vergangene­n Jahren die Zigarette etwa in Filmen quasi verschwund­en oder den betont Unmoralisc­hen vorbehalte­n war, tauchte sie neulich in der düsteren Zukunftsvi­sion „Jugend ohne Gott“wieder auf – in den Händen des einzigen Erwachsene­n, der den menschlich­en Optimierun­gswettbewe­rb als Wahn erkannte.

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