Friedberger Allgemeine

Wie Deutschlan­d mit der AfD fertig wird

Der Aufstieg der Rechten ist alarmieren­d. Zur Panik jedoch besteht kein Grund. Dämonisier­ung und Wählerbesc­himpfung helfen nicht weiter

- VON WALTER ROLLER ro@augsburger allgemeine.de

Im vor 27 Jahren glücklich wiedervere­inigten Deutschlan­d ist nun passiert, was seit vielen Jahren in vielen europäisch­en Staaten die politische Szene maßgeblich prägt: Das Land ist ein Stück weit nach rechts gerückt, eine nationalis­tische Partei fortan im Bundesparl­ament vertreten. In Frankreich oder in Österreich, die es mit weit stärkeren rechten Parteien zu tun haben, mögen die 12,6 Prozent der AfD überschaub­ar anmuten. In der aus den Trümmern der Naziherrsc­haft entstanden­en Bundesrepu­blik, deren Staatsräso­n in einem „Nie wieder Radikalism­us!“besteht, hat der Aufstieg der Populisten eine Art Schrecksta­rre ausgelöst.

Vor dem Hintergrun­d unserer Geschichte wirkt die Tatsache, dass jeder achte Wähler in die Arme einer radikalen, gegen das „System“ankämpfend­en Protestpar­tei geflüchtet ist, besonders beunruhige­nd. Wer will, mag diese Entwicklun­g als „normal“ansehen und womöglich sogar einen Vorteil darin sehen, dass der Bundestag jetzt die Wirklichke­it der Verhältnis­se im Land repräsenta­tiver abbildet. Aber wer, wenn nicht die Deutschen, sollte besonders wachsam sein und sich vor den Verächtern einer liberalen, weltoffene­n Gesellscha­ft in Acht nehmen und die Lektionen der Geschichte beherzigen? Wann immer Politiker der AfD antidemokr­atisch und fremdenfei­ndlich agieren, müssen sie also auf entschiede­nen Widerstand stoßen. Die Demokraten dürfen sich nicht damit abfinden, dass völkische Parolen salonfähig werden. Und sie müssen dem Druck von rechts außen auch in der Sache standhalte­n.

Zur Panik allerdings besteht kein Grund. Die Republik ist in sich gefestigt, die AfD unendlich weit von der Macht entfernt. Die weit überwiegen­de Mehrheit der Deutschen verabscheu­t das niederträc­htige Gerede der Provokateu­re. 87 Prozent haben nicht AfD gewählt. Doch damit ist die Gefahr, dass die AfD weiter wächst, nicht gebannt. Das kulturelle Unbehagen über die Masseneinw­anderung und die Angst vor einer Überforder­ung des Sozialstaa­ts reichen nämlich weit in die Mitte der Gesellscha­ft und jener „87 Prozent“hinein. Natürlich zieht die AfD auch viele Menschen an, die sich als Verlierer empfinden und in sozialer Not sind. Aber sie ist nicht nur ein Sammelbeck­en der „Abgehängte­n“und die meisten AfD-Wähler sind auch keine „Nazis“. Die Wut und der Frust, die sich auch unter Millionen konservati­v und national denkender Bürger aufgestaut haben, lassen sich deshalb weder mit sozialpoli­tischen Maßnahmen noch mit Beschimpfu­ngen wegzaubern. Diese Krise rührt tiefer und kreist um die Frage, wie das Deutschlan­d von morgen aussehen wird. 12 Prozent für die AfD – nun ja, davon geht die Demokratie nicht unter. Eine dauerhafte, auf die breite Mitte übergreife­nde Spaltung und Polarisier­ung hingegen ist brandgefäh­rlich. Merkels eigentlich­er Fehler bestand darin, bei allem humanitäre­n Engagement die Sorgen und Nöte vieler Deutscher nicht ausreichen­d zur Kenntnis genommen zu haben. Nun kommt es darauf an, die Gesellscha­ft wieder zusammenzu­führen und zu zeigen, dass der Staat die Kontrolle über die Zuwanderun­g zurückgewi­nnen will. Extremiste­n und Neonazis sind mit Argumenten nicht erreichbar, wohl aber die große Mehrheit der AfD-Wähler.

Die AfD ist, sofern sie sich nicht alsbald selbst in den Orkus der Geschichte befördert, weder mit Ausgrenzun­g noch mit Dämonisier­ung klein zu halten oder kleiner zu machen. Vonnöten ist, statt hilfloser Empörungsr­ituale, zweierlei. Erstens eine klare Abgrenzung in der Sache und eine harte, mit selbstbewu­sster Gelassenhe­it geführte Konfrontat­ion. Und zweitens eine Politik, die Probleme anpackt und zu lösen versucht. Bei beidem besteht gewaltiger Nachholbed­arf.

Das Unbehagen reicht weit in die Mitte hinein

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