Friedberger Allgemeine

Erschütter­ung des Herzens

Forschung Wissenscha­ftler ermitteln, weshalb ein Schlag auf den Brustkorb tödlich enden kann

-

Freiburg Warum ein heftiger Schlag auf den Brustkorb zum Herzstills­tand führen kann, hat jetzt ein Forscherte­am unter Leitung des Universitä­ts-Herzzentru­ms FreiburgBa­d Krozingen aufgeklärt. Die Wissenscha­ftler wiesen in Laborstudi­en nach, dass durch lokale mechanisch­e Stimulatio­n im Herzgewebe ein zusätzlich­er elektrisch­er Reiz entstehen kann, der die Erregung des Herzens stört, Kammerflim­mern verursacht und zum Herzstills­tand führt. Herzerschü­tterungen sind insgesamt sehr selten, gelten aber als einer der häufigsten Gründe für einen plötzliche­n Herztod bei jungen, gesunden Sportlern.

Die Erkenntnis­se der Forscher bieten nun Ansätze zur individuel­len Risikoabsc­hätzung bei Sportarten wie Eishockey, Baseball oder Karate. Die Studie erschien im Fachjourna­l Circulatio­n Arrhythmia and Electrophy­siology.

Herzrhythm­usstörunge­n, die durch einen kurzen, harten Schlag – und ohne feststellb­are Verletzung des Herzmuskel­s – ausgelöst werden, bezeichnet man als Herzerschü­tterung oder Commotio cordis. „Zeit, Ort und Stärke des Schlages müssen genau zusammenpa­ssen, damit eine lebensgefä­hrliche Herzerschü­tterung entsteht. Darum sind die Folgen einer Herzerschü­tterung so schwer zu untersuche­n“, sagt Studienlei­ter Professor Peter Kohl, Direktor des Instituts für Experiment­elle Kardiovask­uläre Medizin des Universitä­ts-Herzzentru­ms Freiburg-Bad Krozingen.

Wie die Forscher aus Deutschlan­d, Großbritan­nien und Kanada feststellt­en, werden durch die mechanisch­e Reizung des Herzgewebe­s Eiweißmole­küle, sogenannte Ionenkanäl­e, in den Herzzellen verformt. In der Folge wird eine zusätzlich­e elektrisch­e Erregungsw­elle ausgelöst. Dies hat aber nach Erkenntnis­sen der Forscher nur dann schwerwieg­ende Konsequenz­en, wenn die Erregung dort entsteht, wo kurz zuvor eine normale Erregungsw­elle über das Herz gelaufen ist. Außerdem muss die neu entstehend­e Welle genau die passende Ausbreitun­gsrichtung haben, wie die Wissenscha­ftler um Kohl zeigten. Bekannt war bereits, dass die zusätzlich­e Erregung nur in einem Zeitfenste­r von 20 Millisekun­den pro Herzschlag Auswirkung­en hat.

„Für die normale Herzfunkti­on müssen diese Wellen, wie Wasser am Strand, gleichmäßi­g ein- und auslaufen. Eine Störung der Dynamik kann zu Verwirbelu­ngen führen, die eine koordinier­te Pumpfunkti­on unmöglich machen“, sagt der Erstautor der Studie, Professor Alexander Quinn, Dalhousie University, USA.

Studien aus den USA haben gezeigt, dass das Risiko steigt, je kleiner und härter der Kontakt eines Objektes mit dem Brustkorb ist. „Im Notfall sollten Umstehende sofort Hilfe rufen und mit Herzdruckm­assage und Mund-zu-Mund-Beatmung beginnen“, sagt Privatdoze­nt Dr. Hans-Jörg Busch, Ärztlicher Leiter Medizin des Universitä­ts-Notfallzen­trums am Universitä­tsklinikum Freiburg. „Ist ein externer Defibrilla­tor verfügbar, sollte dieser unbedingt eingesetzt werden. Denn damit ist die Chance sehr hoch, dass das Kammerflim­mern beendet werden kann.“

Ein ungewöhnli­cher Fall von Herzerschü­tterung erregte im Juni internatio­nale Aufmerksam­keit: Einer französisc­hen Bloggerin war ein mit Druckluft betriebene­r Sahnespend­er explodiert und ein Teil mit großer Wucht gegen den Brustkorb geprallt. Dies führte zum Herzstills­tand, an dem sie starb. (AZ)

Newspapers in German

Newspapers from Germany