Zugriff um 16 Uhr
Verbrechen Der mutmaßliche Supermarkt-Erpresser wird im Landkreis Tübingen gefasst. Der 53-Jährige gesteht. Befinden sich trotzdem noch vergiftete Lebensmittel im Umlauf?
Konstanz Am Ende der Pressekonferenz am Samstagnachmittag standen der Leitende Oberstaatsanwalt und der Polizeivizepräsident am Tisch mit den Mikrofonen und schüttelten sich eine gute Minute sichtlich befreit die Hände. „Nach so einer Sache treffen wir uns normalerweise noch auf ein Bier“, sagte Uwe Stürmer vom Polizeipräsidium Konstanz, und Alexander Boger von der Staatsanwaltschaft Ravensburg nickte zustimmend. Doch an diesem Samstagnachmittag wollten beide nur noch eins: ins Bett gehen. Nur noch schlafen gehen, nachdem das Duo die zwei Nächte zuvor durchgearbeitet hatte, bis der mutmaßliche Lebensmittelerpresser der Polizei ins Netz ging.
Der Zugriff auf den 53-jährigen Mann geschah am Freitag, 16 Uhr, in Ofterdingen im Landkreis Tübingen. Der Mann habe sich nicht gewehrt, er habe keine Fragen gestellt, warum er festgenommen werde. In seiner Wohnung fanden die Beamten eine Flasche mit Ethylenglycol, die zur Hälfte geleert war. „Die fehlende Menge ist mit hoher Wahrscheinlichkeit exakt die Menge, die in den Babygläschen in Friedrichshafen gefunden wurde“, so Stürmer.
Der Erpresser hatte bereits am 16. September gedroht, 20 vergiftete Lebensmittel in Umlauf zu bringen, und per E-Mail einen niedrigen zweistelligen Millionenbetrag gefordert. In dieser Mail sprach er von fünf Gläschen mit vergifteter Babynahrung in fünf Supermärkten in Friedrichshafen. Nachdem zwölf Tage lang die verdeckten Ermittlungen keinen Erfolg brachten, gingen die Ermittler am Donnerstag an die Öffentlichkeit.
Zeugenaussagen führten die Beamten dann zu dem Täter. Am frühen Samstagabend legte der mutmaßliche Erpresser gegenüber dem Haftrichter ein Geständnis ab – die Indizienliste war offenbar zu groß, um die Tat zu leugnen. Der Haftrichter erließ dem Haftantrag folgend einen Haftbefehl wegen schwerer räuberischer Erpressung.
Ob sich der Verdacht des Totschlags ergibt, werden die weiteren Ermittlungen der Staatsanwaltschaft zeigen. Dem Mann drohen zwischen fünf Jahren Haft bis lebenslänglich. Der Verdächtige gab an, keine weiteren vergifteten Lebensmittel mehr verteilt zu haben.
Polizeisprecher Markus Sauter sagt allerdings: „Ob die Gefahr tatsächlich gebannt ist, lässt sich aber nicht mit hundertprozentiger Sicherheit sagen.“Darum wird die Bevölkerung weiterhin gebeten, wachsam zu sein und etwa bei beschädigten Lebensmittelverpackungen misstrauisch zu sein.
Der Erpresser wohnte vor einigen Jahren in Konstanz. Der 53-Jährige zeigte laut Polizei in der Vergangenheit psychische Auffälligkeiten. Psychologen bezeichnen damit die krankhafte Beeinträchtigung der Wahrnehmung, des Denkens, Fühlens, Verhaltens oder der sozialen Beziehungen. „Er war Einzelgänger und nicht das typische Mitglied eines Kegelvereins“, so Stürmer. Mehrmals habe er selbstständige Geschäfte aufgebaut, die in der Pleite endeten. „Man kann von einer gescheiterten Existenz sprechen“, sagte Stürmer. Zuletzt lebte der Mann von Sozialhilfe.