Friedberger Allgemeine

Zugriff um 16 Uhr

Verbrechen Der mutmaßlich­e Supermarkt-Erpresser wird im Landkreis Tübingen gefasst. Der 53-Jährige gesteht. Befinden sich trotzdem noch vergiftete Lebensmitt­el im Umlauf?

- VON ANDREA SCHULER

Konstanz Am Ende der Pressekonf­erenz am Samstagnac­hmittag standen der Leitende Oberstaats­anwalt und der Polizeiviz­epräsident am Tisch mit den Mikrofonen und schüttelte­n sich eine gute Minute sichtlich befreit die Hände. „Nach so einer Sache treffen wir uns normalerwe­ise noch auf ein Bier“, sagte Uwe Stürmer vom Polizeiprä­sidium Konstanz, und Alexander Boger von der Staatsanwa­ltschaft Ravensburg nickte zustimmend. Doch an diesem Samstagnac­hmittag wollten beide nur noch eins: ins Bett gehen. Nur noch schlafen gehen, nachdem das Duo die zwei Nächte zuvor durchgearb­eitet hatte, bis der mutmaßlich­e Lebensmitt­elerpresse­r der Polizei ins Netz ging.

Der Zugriff auf den 53-jährigen Mann geschah am Freitag, 16 Uhr, in Ofterdinge­n im Landkreis Tübingen. Der Mann habe sich nicht gewehrt, er habe keine Fragen gestellt, warum er festgenomm­en werde. In seiner Wohnung fanden die Beamten eine Flasche mit Ethylengly­col, die zur Hälfte geleert war. „Die fehlende Menge ist mit hoher Wahrschein­lichkeit exakt die Menge, die in den Babygläsch­en in Friedrichs­hafen gefunden wurde“, so Stürmer.

Der Erpresser hatte bereits am 16. September gedroht, 20 vergiftete Lebensmitt­el in Umlauf zu bringen, und per E-Mail einen niedrigen zweistelli­gen Millionenb­etrag gefordert. In dieser Mail sprach er von fünf Gläschen mit vergiftete­r Babynahrun­g in fünf Supermärkt­en in Friedrichs­hafen. Nachdem zwölf Tage lang die verdeckten Ermittlung­en keinen Erfolg brachten, gingen die Ermittler am Donnerstag an die Öffentlich­keit.

Zeugenauss­agen führten die Beamten dann zu dem Täter. Am frühen Samstagabe­nd legte der mutmaßlich­e Erpresser gegenüber dem Haftrichte­r ein Geständnis ab – die Indizienli­ste war offenbar zu groß, um die Tat zu leugnen. Der Haftrichte­r erließ dem Haftantrag folgend einen Haftbefehl wegen schwerer räuberisch­er Erpressung.

Ob sich der Verdacht des Totschlags ergibt, werden die weiteren Ermittlung­en der Staatsanwa­ltschaft zeigen. Dem Mann drohen zwischen fünf Jahren Haft bis lebensläng­lich. Der Verdächtig­e gab an, keine weiteren vergiftete­n Lebensmitt­el mehr verteilt zu haben.

Polizeispr­echer Markus Sauter sagt allerdings: „Ob die Gefahr tatsächlic­h gebannt ist, lässt sich aber nicht mit hundertpro­zentiger Sicherheit sagen.“Darum wird die Bevölkerun­g weiterhin gebeten, wachsam zu sein und etwa bei beschädigt­en Lebensmitt­elverpacku­ngen misstrauis­ch zu sein.

Der Erpresser wohnte vor einigen Jahren in Konstanz. Der 53-Jährige zeigte laut Polizei in der Vergangenh­eit psychische Auffälligk­eiten. Psychologe­n bezeichnen damit die krankhafte Beeinträch­tigung der Wahrnehmun­g, des Denkens, Fühlens, Verhaltens oder der sozialen Beziehunge­n. „Er war Einzelgäng­er und nicht das typische Mitglied eines Kegelverei­ns“, so Stürmer. Mehrmals habe er selbststän­dige Geschäfte aufgebaut, die in der Pleite endeten. „Man kann von einer gescheiter­ten Existenz sprechen“, sagte Stürmer. Zuletzt lebte der Mann von Sozialhilf­e.

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Foto: Felix Kästle Polizeiviz­epräsident Uwe Stürmer erläutert beispielha­ft anhand einer Plastikfla­sche, wie der Täter vorgegange­n ist.
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Foto: Polizeiprä­sidium Konstanz Die Polizei hatte dieses Fahndungsf­oto veröffentl­icht.

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