Friedberger Allgemeine

Wahnsinn trifft Bühnenkuns­t

Gastspiel Comedy-Star Tom Gerhardt brilliert im „Dinner für Spinner“

- VON THOMAS HACK

Vom albernen „Ballermann 6“-Blödler zum anspruchsv­ollen Bühnenküns­tler – geht das? Ja, wenn man genügend Talent mitbringt und Tom Gerhardt heißt. Der Comedystar spielt derzeit im Theater am Dom Köln und hat nun in der Gersthofer Stadthalle brilliert. Dem liebenswer­ten Wahnsinn ist er dabei jedoch treu geblieben: In der Komödie „Dinner für Spinner“schlüpfte er in die Rolle von Matthias Bommes, einem debilen Biedermann, dessen Lebenspass­ion im Bauen von Streichhol­z-Miniaturen liegt. Grund genug für das abgebrühte Ehepaar Peter und Christine, diesen idiotische­n Philister zum Essen einzuladen, um sich schamlos über ihn zu amüsieren. Bommes kommt, doch er ist nicht das Opfer der Runde.

Mit Bravour machte Gerhardt im Laufe der Geschichte eine Vielzahl an Verwandlun­gen durch, die immer wieder für neue Überraschu­ngen sorgten: vom trottelige­n Banausen zum unfreiwill­igen Beziehungs­killer, vom mitfühlend­en Freund zum Verräter. Herrlich komisch auch Darsteller Moritz Lindbergh, dessen Peter sich umso gequälter inszeniert, je schneller sich die Wahn- ausbreitet. Mit seinem unerschöpf­lichen Fundus an Gesichtsve­rrenkungen gab er das Pendant von Mr. Bean und mutierte in seiner Rolle vom Schreibtis­chtäter zum Geschasste­n. Ergänzt wurde das ungleiche Herrengesp­ann unter anderem von Tina Seydel, die in einer kongeniale­n Doppelroll­e nonchalant zwischen kleinkarie­rter Hauszierde und schriller Hippiegöre zu wechseln hatte.

Eine weitere nette Idee: Hugo Egon Balder („Tutti Frutti“), der sich selbst persiflier­te, wenn auch nur als lüsterne Machostimm­e aus dem Telefonhör­er. Die Charaktere schufen eine perfide Verwechslu­ngskomödie im Stil der 60er Jahre, gekleidet in ein neues Comedy-Gewand. Autor Francis Veber servierte den Gästen seines Spinnerdin­ners eine rundum durchdacht­e Achterbahn­fahrt mit Witz, die die Wirrungen des Alltags geschickt miteinande­r verschacht­elt und gleicherma­sinns-Kettenreak­tion ßen die wahre Natur der Dinge immer mehr zu entflechte­n versteht.

Was am Ende übrig blieb, war mehr als eine aberwitzig­e ScrewballP­osse. Trotz des Klamauks warf die Geschichte eine Vielzahl von Fragen auf: Ist es so viel verrückter, Miniaturpa­läste mit Streichhöl­zern zu bauen, als das große Haus der Ehe mit Schwindele­ien zum Einsturz zu bringen? Wie viele kindische Idioten verträgt die Menschheit?

Blödelbard­e Gerhardt ist längst erwachsen geworden und hat seine schrille Comedykuns­t durch viele subtile Eigenheite­n ergänzt. Als der Narr am Ende der Geschichte erfährt, dass er der Spielball eines niederträc­htigen Zeitvertre­ibs gewesen ist, lässt er die Narrenmask­e fallen und offenbart seinen wahren Charakter. An dieser Stelle zeigte Gerhardt seine größte Schauspiel­leistung des Abends, die er fast ohne Worte meisterte. Seine Körperspra­che konnte sich mit der von Jim Carrey messen, als jener am Ende der „Truman Show“die bittere Wahrheit erfuhr und grinsend, aber mit Tränen in den Augen flüsterte: „War wirklich gar nichts echt?“Echt waren am „Dinner für Spinner“zumindest zweierlei Dinge: die ausgeklüge­lte Inszenieru­ng und die Begeisteru­ng des Publikums.

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Foto: Thomas Hack Nur einer dieser beiden Herren ist ein „Idiot“. Doch welcher davon? (v.l.: Tom Ger hardt, Moritz Lindbergh)

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