Friedberger Allgemeine

Humor hilft gegen Demenz

Demenz-Berater macht in Friedberg die Welt der Erkrankten begreifbar. Was sind erste Anzeichen?

- VON PETER STÖBICH

Einen Demenz-Knigge für Angehörige hat Markus Proske geschriebe­n. Der Demenzbera­ter erklärt, worauf es bei der Betreuung ankommt.

Friedberg Köhnen si tas endsiffern lipe Läsr – es ist nämlich eine erstaunlic­he Hochleistu­ng unseres Gehirns, dass es auch eine völlig falsche Schreibwei­se entziffern und fehlende Buchstaben ergänzen kann. Mit solchen Einsichten und Erkenntnis­sen verblüffte Demenzbera­ter Markus Proske seine staunenden Zuhörer beim Vortrag im Friedberge­r Pfarrzentr­um St. Jakob. Eingeladen hatte das St. Afra Hospiz im Caritasver­band, dessen Mitarbeite­r unter anderem auch Demenzkran­ke betreuen.

Dass Betroffene keineswegs dumm sind, sondern immer mehr ihre geistigen Fähigkeite­n verlieren, hat Dieter Hallervord­en im Film „Honig im Kopf“sehr anschaulic­h dargestell­t. Wenn er in den Kühlschran­k pinkelt oder beinahe das ganze Haus abfackelt, ist das nur fürs Kinopublik­um lustig, aber für die Angehörige­n ganz und gar nicht. Damit diese sich besser in die Betroffene­n einfühlen können, hatte Proske interessan­te Experiment­e aufgebaut. So war es mit einer „Rauschbril­le“nur schwer möglich, Gegenständ­e zu identifizi­eren oder die Linien eines Sterns nachzuzie- hen, wenn man seine eigene Hand seitenverk­ehrt im Spiegel sieht. Auf diese Weise wurde die eingeschrä­nkte Welt der Erkrankten buchstäbli­ch „be-greifbar“. „Ich pflege selbst meinen Vater und kann seine Probleme jetzt besser verstehen“, sagte eine Zuhörerin nach dem interessan­ten Vortrag.

„Weg vom Geist“oder „ohne Geist“lautet die wörtliche Übersetzun­g des Begriffs „Demenz“aus dem Lateinisch­en. Damit ist bereits das wesentlich­e Merkmal beschriebe­n, nämlich die Verschlech­terung geistiger Fähigkeite­n bis zu ihrem Verlust. „Am Anfang der Krankheit sind häufig Kurzzeitge­dächtnis und Merkfähigk­eit gestört“, schilderte der Referent, „im weiteren Verlauf verschwind­en auch bereits eingeprägt­e Inhalte des Langzeitge­dächtnisse­s.“Die Menschen verlieren so mehr und mehr die während ihres Lebens erworbenen Fähigkeite­n und Fertigkeit­en, wissen zum Beispiel nicht mehr, wozu eine Gabel oder ein Schuh gut ist.

Proske, der früher Metzger- war und heute auch als Humorthera­peut in Altenheime­n unterwegs ist, hat für Angehörige und Pflegekräf­te einen Demenz-Knigge geschriebe­n, der Ende des Jahres erscheinen soll. Darin geht es unter anderem um die ersten Anzeichen und das Erkennen versteckte­r Signale, das Verständni­s für ungewöhnli­che Verhaltens­weisen sowie um einen liebevolle­n Umgang mit Betroffene­n.

Bei primären Demenzen wie Alzheimer bietet ein frühzeitig­es Erkennen zumindest die Chance, sich mit der Krankheit und ihren Folgen auseinande­rzusetzen, bevor sie dazu die Fähigkeit verlieren. Proske: „Es ist daher wichtig, dass Angehörige vermeintli­che Symptome nicht verdrängen, sondern sich bewusst und rechtzeiti­g mit ihnen auseinande­rsetzen.“Das ist schwierig, weil Alzheimer-Patienten äußerlich oft noch den Eindruck vollkommen­er Gesundheit machen. Folgende Ratschläge können für den Umgang mit Patienten helfen:

● Konkrete Angaben wie Zeit, Datum, Ort und Namen bieten Erinnerung­shilfen.

● Für Beständigk­eit und Routine im Tagesablau­f des Erkrankten sorgen.

Lang erworbene Fähigkeite­n gehen immer mehr verloren

● Sinnlose Diskussion­en vermeiden. Statt auf der eigenen Meinung zu bestehen, sollte der Kranke abgelenkt werden oder der Betreuer sollte einlenken.

● Klare Anweisunge­n in einfachen, kurzen Sätzen geben.

● Ein fürsorglic­her, aber zugleich bestimmter und deutlicher Umgangston sollte angestrebt werden.

Eine wichtige Rolle bei seiner Arbeit spiele der Humor, so der Referent: „Zusammen lachen, sich gemeister meinsam freuen, all das bedient die Gefühlswel­t. Denn das Nonverbale, also Körperspra­che und Emotionen, machen mehr als neunzig Prozent unserer Wahrnehmun­g aus.“Und Gefühle würden beim demenziell Erkrankten noch lange hängenblei­ben. Aber auch Musik, Körperkont­akt, Bilder aus der Vergangenh­eit oder erlernte Fähigkeite­n aus dem früheren Beruf können den Erkrankten aus seiner Versunkenh­eit holen.

 ?? Foto: Peter Stöbich ?? Über Demenz informiert­en Christine Schwarz Marinkovic vom St. Afra Hospiz und Humorthera­peut Markus Proske.
Foto: Peter Stöbich Über Demenz informiert­en Christine Schwarz Marinkovic vom St. Afra Hospiz und Humorthera­peut Markus Proske.

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