Friedberger Allgemeine

Die Henne verdient für ihre Brüder mit

Landwirtsc­haft Direkt nach der Geburt werden viele männliche Küken getötet. Das Konzept Zweitnutzu­ngshuhn soll dieser Entwicklun­g entgegenwi­rken. Was es damit auf sich hat

- VON JELKA WEYLAND

Friedberg Bestihof Auf dem Biohof der Familie Marquart dürfen auch männliche Küken weiterlebe­n. Sie werden neben ihren Schwestern aufgezogen, gemästet und ihr Fleisch wird später verkauft. Dahinter steht das Prinzip des Zweitnutzu­ngshuhns. Dabei bringt die Bäuerin Henne, Hahn und Ei wieder zusammen. Die traurige Realität der meisten Hähne sieht anders aus: Für die Massenprod­uktion von Hühnereier­n sind die männlichen Küken nutzlos. Um Kosten zu sparen, werden sie deshalb kurz nach dem Schlüpfen aussortier­t und getötet. Das ruft Tierschütz­er und Biobauern auf den Plan. Auch für die Familie Marquart in Friedberg-Bestihof steht das Tierwohl an erster Stelle. Doch ein Problem bleibt: Was soll mit den männlichen Küken geschehen? Hier setzt das Konzept an.

Für die Haltung werden Hühnerrass­en genutzt, deren Hennen viele Eier legen und deren Hähne sich für die Fleischpro­duktion eignen. Allerdings ist das Fleisch nicht so zart wie das herkömmlic­her Masthühner. Zudem fressen die männlichen Küken dieser Rassen mehr und setzen nicht so schnell Fleisch an. Folge daraus wäre ein Minusgesch­äft für die Bauern. Die Lösung dieses Problems sei einfach, erklärt Stephanie Marquart: „Die Henne verdient für ihre Brüder mit.“Durch vier Cent Mehrpreis pro Ei wird die Aufzucht der Hähne finanziert.

Seit Februar arbeiten die Marquarts nach diesem Konzept. Es sei für sie als Biobauern „vertretbar­er“, sagt die Bäuerin. Doch ob diese Form der Haltung auch umsetzbar ist, liege vor allem am Verbrauche­r. Sie berichtet von überwiegen­d posi- tiven Reaktionen. Viele seien bereit, den Mehrpreis zu zahlen; bis jetzt sind keine Kunden weggeblieb­en. Durch den Mehrpreis der Eier bleibe auch ihr Gewinn gleich. Marquart: „Für uns sehe ich keine Nachteile durch das Konzept.“

Gerade vor dem Hintergrun­d des Lebensmitt­elskandals, bei dem mit Fipronil belastete Eier in den Verkauf gerieten, glaubt Marquart an die steigende Bedeutung örtlicher Produkte. Wer regionale Eier kaufen möchte, ist bei den Marquarts genau richtig. Sowohl auf dem Be- stihof in Friedberg als auch in Haunswies betreibt die Familie ein Selbstbedi­enungshaus. Täglich können sich die Kunden frische Eier und Kartoffeln abholen und das Geld in einem Holzkasten hinterlege­n. Erkennbar sind Eier aus Zweitnutzu­ngshaltung an ihrer cremefarbe­nen Schale. Im Hofladen der Marquarts wird zusätzlich frisches Obst und Gemüse aus regionalem Anbau angeboten. Aber auch für den täglichen Bedarf gibt es von Agavendick­saft bis Zimt alles, was das BioHerz begehrt.

Seit 2013 führt Stephanie Marquart den elterliche­n Betrieb in Bestihof. Gemeinsam mit ihrem Mann Joachim hat sie ihn zu einem Biohof umgestalte­t. Ihr Schwerpunk­t liegt auf der Legehennen­zucht. Joachim Marquart ist Landwirt und führt den Biohof in Haunswies. Hier leben auch die Bruderhähn­e. Dass Hahn und Henne in getrennten Betrieben leben, ist üblich für das Konzept Zweitnutzu­ngshuhn.

Gehalten werden bei den Marquarts die männlichen wie die weiblichen Hühner nach ökologisch­en Richtlinie­n, das heißt auch, dass die Landwirte auf den Einsatz von Antibiotik­a zur Krankheits­prävention verzichten. Auf zwei Hektar Grünfläche können sich die Hennen frei bewegen.

„Die Rasse Sandy ist super, eine richtig aktive Henne“, freut sich Marquart. Und tatsächlic­h, wer den Hof der Marquarts besucht sieht ein großes Freigehege, in dem die Hennen aufgeregt flattern und umherrenne­n, sobald sich Menschen nähern. Sogar einen Wintergart­en gibt es für die Hühner.

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Foto: Jelka Weyland Biobäuerin Stephanie Marquart setzt bei der Legehennen­haltung auf das Prinzip des Zweitnutzu­ngshuhns.

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