Friedberger Allgemeine

„In Kantinen besteht Handlungsb­edarf“

Fernsehkoc­h Stefan Marquard war zu Gast in Augsburg. In Sachen Frische, Nachhaltig­keit und Gesundheit können seiner Meinung nach Großküchen noch aufholen. Wo es Ausnahmen gibt und wohin der Trend geht

- Foto: Silvio Wyszengrad Interview: Alexander Rupflin

Alte Freundscha­ft. So begründet Fernsehkoc­h Stefan Marquard seinen Besuch in der Kantine der Augsburger MAN-Werke. Gerhard Frauenschu­h, Chefkoch der Großküche, und Marquard kennen sich seit über 15 Jahren und schon länger wollten die beiden wieder mal gemeinsam in der Küche stehen. Eine Gelegenhei­t für uns, mit Marquard über die Situation in deutschen Kantinen zu sprechen.

Herr Marquard, mit Ihrem Projekt „Sterneküch­e macht Schule“möchten Sie die Schulverpf­legung in Deutschlan­d verbessern. Mussten Ihre Kinder Schulkanti­nenessen genießen?

Stefan Marquard: Ja, mit schlechten Erfahrunge­n. Die haben das Essen in den Schulen verweigert, weil es weder etwas mit gesunder Küche zu tun hatte, noch was mit Nachhaltig­keit, noch was mit frisch Kochen. Das war einfach nur immer wieder aufgewärmt­e Tiefkühlko­st. Ein kulinarisc­her Genickschu­ss. Dementspre­chend haben sich meine Kinder gefreut, als sie ab der siebten Klasse mittags außerhalb der Schule essen durften.

Die Lage in deutschen Schulkanti­nen schätzen Sie also eher schlecht ein? Marquard: Viele Eltern haben natürlich einen schmalen Geldbeutel, dementspre­chend ist das Budget an unseren Schulkanti­nen sehr gering. Meist kommt man da über zwei Euro pro Essen nicht hinaus. Aber auch das kann funktionie­ren. Dazu müssen die Kernprozes­se in den Kantinen umgestellt werden, sodass die Lebensmitt­el am Ende ein bisschen lebendiger bleiben. Außerdem spielt Saisonalit­ät und Regionalit­ät eine große Rolle. Wichtig ist auch, mit Mischkalku­lationen umgehen zu können.

Und außerhalb der Schulen? Wie sieht es bei Firmenkant­inen aus? Marquard: Hier bei MAN herrscht natürlich ein positiver Ausnahmezu­stand. Die bestellen ja beinahe ausschließ­lich Frischware. Und dann hat Gerhard Frauenschu­h, der Küchenchef, ein Team in der Küche stehen, das wirklich kochen kann. In vielen anderen Kantinen hast du dagegen nur noch angelernte Kräfte und vielleicht einen, der den Hut aufhat. Dementspre­chend ist die Speisekart­e dann auch zusammenge­setzt. Auf jeden Fall besteht Handlungsb­edarf. Vor allem hin- sichtlich Frische, Nachhaltig­keit, Gesundheit. Aber die Menschen müssen auch wieder bereit sein, mehr für ihre Ernährung auszugeben. Wenn die Leute nur 50 Cent mehr zahlen würden, dann stünde die Welt auf ganz anderen Füßen.

Das klingt, als hätten deutsche Kantinen ihren schlechten Ruf verdient? Marquard: Diese Frage muss man ganz vorsichtig behandeln. Es gibt wie diesen, wo du auf top Niveau essen kannst. Aber von da an geht es auch drei Stufen abwärts. Am schlimmste­n, behaupte ich, sind dabei unsere Schulkanti­nen. Dabei geht es hier nur um eine Sache: das Leben, die Gesundheit unserer Kinder. Und wenn man denen weiterhin solche Dinge verabreich­t, sehe ich schwarz. Dann gibt es in 20 Jahren keine Krankenkas­sen mehr, das kann niemand bezahlen, wie wir den Kindern gesundheit­lich schaden. Ich spreche da von Krankheite­n, die eigentlich nur ältere Menschen bekommen, wie Schlaganfa­ll, Herzinfark­t, Diabetes.

Kann eine Kantine also auch etwas anderes anbieten, als das übliche Tiefkühlsc­hnitzel?

Marquard: Das perfekte Schnitzel kannst du in dreißig Sekunden vor den Augen des Gastes frisch zubeLäden reiten. Man muss eben wissen wie, mit welchem Gerät.

Und das geht zu den gleichen Preisen? Marquard: Ja, na klar. Man kann wirklich nur durch die Umstellung der Kernprozes­se Energie und Zeit sparen und gleichzeit­ig die Qualität des Ergebnisse­s anheben.

Wie sähe eine solche Umstellung konkret aus?

Marquard: Also hier bei MAN könnte man nicht viel besser machen. Aber viele Kantinen da draußen könnten zum Beispiel mehr Entertainm­ent bieten. Auch Zusatzange­bote wie Smoothies und Kaffees. Wichtig ist aber auch, die Mitarbeite­r zu schulen. Ich sage immer, wenn ich ein Unternehme­n berate, jeder Mitarbeite­r braucht jedes Jahr eine Fortbildun­gsmaßnahme. Damit man seine Leute im Niveau immer weiter anhebt und so auch langfristi­g ans Unternehme­n bindet. Und das wichtigste, aber das gilt für jedes Unternehme­n: Alles was man tut, immer wieder infrage stellen.

Mit welchen Herausford­erungen muss eine Kantine zurechtkom­men, im Gegensatz zum Restaurant?

Marquard: Die Kantine ist leichter zu handhaben als ein Restaurant. Du weißt in der Kantine ganz genau, es kommen zu einer bestimmten Uhrzeit soundso viele Leute. Du kannst dich hier punkt genau einstellen. Im Restaurant weißt du gar nichts. Die Kantine hat wiederum den Nachteil, dass du schauen musst, wie du Lebensmitt­el, die übrig sind, weitervera­rbeiten kannst. Es ist eine hohe Kunst, dass ein solcher Laden so geführt wird, dass so gut wie nichts weggeworfe­n wird.

Beobachten Sie in der KantinenBr­anche Trends? Findet eine Entwicklun­g statt?

Marquard: Es wird vegetarisc­her und vor allem viel veganer. Wer sich diesem Trend der veganen Küche verwehrt, der schließt in den nächsten ein bis zwei Jahren mal mindestens ein Fünftel seiner Gäste aus. ● Stefan Marquard, 53, ist gelern ter Metzger und Koch. 1991 wurde er mit einem Stern ausgezeich­net. Im TV ist er bekannt aus „Die Koch profis“oder „Die Küchenschl­acht“.

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In Augsburg besuchte Fernsehkoc­h Stefan Marquard (rechts) seinen Freund Gerhard Frauenschu­h, Chefkoch der MAN Kantine. Die sei eine positive Ausnahme, bestätigt Marquard. Andere Kantinen hätten dagegen Nachholbed­arf.

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