„In Kantinen besteht Handlungsbedarf“
Fernsehkoch Stefan Marquard war zu Gast in Augsburg. In Sachen Frische, Nachhaltigkeit und Gesundheit können seiner Meinung nach Großküchen noch aufholen. Wo es Ausnahmen gibt und wohin der Trend geht
Alte Freundschaft. So begründet Fernsehkoch Stefan Marquard seinen Besuch in der Kantine der Augsburger MAN-Werke. Gerhard Frauenschuh, Chefkoch der Großküche, und Marquard kennen sich seit über 15 Jahren und schon länger wollten die beiden wieder mal gemeinsam in der Küche stehen. Eine Gelegenheit für uns, mit Marquard über die Situation in deutschen Kantinen zu sprechen.
Herr Marquard, mit Ihrem Projekt „Sterneküche macht Schule“möchten Sie die Schulverpflegung in Deutschland verbessern. Mussten Ihre Kinder Schulkantinenessen genießen?
Stefan Marquard: Ja, mit schlechten Erfahrungen. Die haben das Essen in den Schulen verweigert, weil es weder etwas mit gesunder Küche zu tun hatte, noch was mit Nachhaltigkeit, noch was mit frisch Kochen. Das war einfach nur immer wieder aufgewärmte Tiefkühlkost. Ein kulinarischer Genickschuss. Dementsprechend haben sich meine Kinder gefreut, als sie ab der siebten Klasse mittags außerhalb der Schule essen durften.
Die Lage in deutschen Schulkantinen schätzen Sie also eher schlecht ein? Marquard: Viele Eltern haben natürlich einen schmalen Geldbeutel, dementsprechend ist das Budget an unseren Schulkantinen sehr gering. Meist kommt man da über zwei Euro pro Essen nicht hinaus. Aber auch das kann funktionieren. Dazu müssen die Kernprozesse in den Kantinen umgestellt werden, sodass die Lebensmittel am Ende ein bisschen lebendiger bleiben. Außerdem spielt Saisonalität und Regionalität eine große Rolle. Wichtig ist auch, mit Mischkalkulationen umgehen zu können.
Und außerhalb der Schulen? Wie sieht es bei Firmenkantinen aus? Marquard: Hier bei MAN herrscht natürlich ein positiver Ausnahmezustand. Die bestellen ja beinahe ausschließlich Frischware. Und dann hat Gerhard Frauenschuh, der Küchenchef, ein Team in der Küche stehen, das wirklich kochen kann. In vielen anderen Kantinen hast du dagegen nur noch angelernte Kräfte und vielleicht einen, der den Hut aufhat. Dementsprechend ist die Speisekarte dann auch zusammengesetzt. Auf jeden Fall besteht Handlungsbedarf. Vor allem hin- sichtlich Frische, Nachhaltigkeit, Gesundheit. Aber die Menschen müssen auch wieder bereit sein, mehr für ihre Ernährung auszugeben. Wenn die Leute nur 50 Cent mehr zahlen würden, dann stünde die Welt auf ganz anderen Füßen.
Das klingt, als hätten deutsche Kantinen ihren schlechten Ruf verdient? Marquard: Diese Frage muss man ganz vorsichtig behandeln. Es gibt wie diesen, wo du auf top Niveau essen kannst. Aber von da an geht es auch drei Stufen abwärts. Am schlimmsten, behaupte ich, sind dabei unsere Schulkantinen. Dabei geht es hier nur um eine Sache: das Leben, die Gesundheit unserer Kinder. Und wenn man denen weiterhin solche Dinge verabreicht, sehe ich schwarz. Dann gibt es in 20 Jahren keine Krankenkassen mehr, das kann niemand bezahlen, wie wir den Kindern gesundheitlich schaden. Ich spreche da von Krankheiten, die eigentlich nur ältere Menschen bekommen, wie Schlaganfall, Herzinfarkt, Diabetes.
Kann eine Kantine also auch etwas anderes anbieten, als das übliche Tiefkühlschnitzel?
Marquard: Das perfekte Schnitzel kannst du in dreißig Sekunden vor den Augen des Gastes frisch zubeLäden reiten. Man muss eben wissen wie, mit welchem Gerät.
Und das geht zu den gleichen Preisen? Marquard: Ja, na klar. Man kann wirklich nur durch die Umstellung der Kernprozesse Energie und Zeit sparen und gleichzeitig die Qualität des Ergebnisses anheben.
Wie sähe eine solche Umstellung konkret aus?
Marquard: Also hier bei MAN könnte man nicht viel besser machen. Aber viele Kantinen da draußen könnten zum Beispiel mehr Entertainment bieten. Auch Zusatzangebote wie Smoothies und Kaffees. Wichtig ist aber auch, die Mitarbeiter zu schulen. Ich sage immer, wenn ich ein Unternehmen berate, jeder Mitarbeiter braucht jedes Jahr eine Fortbildungsmaßnahme. Damit man seine Leute im Niveau immer weiter anhebt und so auch langfristig ans Unternehmen bindet. Und das wichtigste, aber das gilt für jedes Unternehmen: Alles was man tut, immer wieder infrage stellen.
Mit welchen Herausforderungen muss eine Kantine zurechtkommen, im Gegensatz zum Restaurant?
Marquard: Die Kantine ist leichter zu handhaben als ein Restaurant. Du weißt in der Kantine ganz genau, es kommen zu einer bestimmten Uhrzeit soundso viele Leute. Du kannst dich hier punkt genau einstellen. Im Restaurant weißt du gar nichts. Die Kantine hat wiederum den Nachteil, dass du schauen musst, wie du Lebensmittel, die übrig sind, weiterverarbeiten kannst. Es ist eine hohe Kunst, dass ein solcher Laden so geführt wird, dass so gut wie nichts weggeworfen wird.
Beobachten Sie in der KantinenBranche Trends? Findet eine Entwicklung statt?
Marquard: Es wird vegetarischer und vor allem viel veganer. Wer sich diesem Trend der veganen Küche verwehrt, der schließt in den nächsten ein bis zwei Jahren mal mindestens ein Fünftel seiner Gäste aus. ● Stefan Marquard, 53, ist gelern ter Metzger und Koch. 1991 wurde er mit einem Stern ausgezeichnet. Im TV ist er bekannt aus „Die Koch profis“oder „Die Küchenschlacht“.